12. Januar 2025
Ein Auslandssemester ist die perfekte Gelegenheit, nicht nur akademisch, sondern auch persönlich über sich hinauszuwachsen. Für mich war Hawaii der ideale Ort, um genau das zu tun – und ich wollte diese Chance voll ausschöpfen. Doch anstatt mich auf die angenehmen Seiten zu beschränken, habe ich mir selbst eine zusätzliche, riesige Herausforderung auferlegt: meinen allerersten Marathon zu laufen
„Warum setzt du dich während deines Auslandssemesters noch so unter Druck?“ wurde ich häufig gefragt. Heute, Monate später, kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass der Marathon eine der besten Entscheidungen war, die ich hätte treffen können. In diesem Blog möchte ich dir von der intensivsten Erfahrung meines Lebens erzählen, wie ich dazu kam und was ich daraus gelernt habe.
Wieso tue ich mir sowas an?
Sport bedeutet mir mehr als alles andere. Doch in den letzten Jahren lag mein Fokus ausschließlich auf dem Krafttraining im Fitnessstudio. Ich wollte etwas Neues, etwas, das mich aus meiner Komfortzone holt. Eine Herausforderung, die ich noch nicht gemeistert hatte.
Was könnte besser dabei helfen, neue Gewohnheiten zu etablieren, als ein Wechsel des Standorts? Ein Auslandssemester auf Hawaii schien dafür perfekt. Mit dem Marathon hatte ich ein konkretes Ziel und einen Grund, regelmäßig laufen zu gehen. Für mich ist ein Auslandssemester mehr als nur ein Studium; es bietet die Chance, sich auch persönlich weiterzuentwickeln. Die Herausforderung bestand darin, trotz des Trainings meine Leistungen in der Uni nicht zu vernachlässigen. Doch als Optimist war ich mir sicher: Es gibt immer eine Lösung!
Die Entscheidung fiel also schnell. Ich wollte diesen Marathon laufen – auch wenn ich Respekt vor den 42,195 Kilometern hatte. Bisher war ich meist nur kurze Strecken gelaufen, hauptsächlich zum Aufwärmen im Fitnessstudio. Doch gerade diese Herausforderung reizte mich. Ein Marathon auf Hawaii klang wie das ultimative Abenteuer – und passte in meinen Augen perfekt zu meinem Auslandssemester.
Hat man da überhaupt Zeit für?
Die kurze Antwort: Ja. Die längere: Es hängt von deinen Prioritäten ab. Mir war klar, dass ich das Semester mit sehr guten Noten abschließen wollte, da diese in meiner Heimatuniversität angerechnet werden. Das durfte ich also nicht vernachlässigen. Mein Körper und das Fitnessstudio waren mir ebenfalls sehr wichtig und drei mal die Wochen waren mein Minimum. Hier konnte ich also auch keine Abstriche machen. Ich musste also meine restlich Freizeit dafür nutzen.
Ein wichtiger Tipp: Egal, wie du dir dein Semester vorstellst – es wird anders sein. Es gibt immer unvorhersehbare Ereignisse. Man lernt neue Menschen kennen, probiert neue Dinge aus, und nicht alles lässt sich planen.
Durch spontane Ausflüge und Unternehmungen mit meinen neuen Freunden blieb fürs Training weniger Zeit als gedacht. Das sollte sich später noch rächen.
Training im Paradies und neue Freundschaften
Ein neues Hobby bringt oft neue Menschen ins Leben. Schon am zweiten Tag auf Hawaii wurde ich von jemandem angesprochen, ob wir zusammen laufen gehen wollen. Der Strand, das Meer, die Natur – es war unbeschreiblich schön und gab mir ein Gefühl von Freiheit. Zu diesem Zeitpunkt war ich allerdings der Einzige, der sich für den Marathon angemeldet hatte.
Mit der Zeit lernte ich immer mehr Menschen kennen, die gerne laufen gingen. Aus Trainingspartnern wurden Freunde, und irgendwann konnte ich sie überreden, sich ebenfalls für den Marathon anzumelden. Jetzt war ich nicht mehr alleine und wir hatten eine gemeinsame Mission.
Gemeinsam trainierten wir bei Sonnenaufgang an der Küste von Oahu, meistens an vorlesungsfreien Tagen, manchmal aber auch spät abends nach dem Sonnenuntergang. So in den Tag zu starten gab uns nicht nur viel Energie, sondern brachte uns auch immer näher zusammen.
Honolulu Marathon 2024 – Der Perfekte Start
Nach vier Monaten Vorbereitung war der große Tag endlich da. Zwei Tage vorher taten meine Kommilitonen und ich alles, um perfekt vorbereitet zu sein: Wir kochten zusammen, aßen viel und sammelten Kraft. Die Stimmung an der Uni war ebenfalls besonders; viele drückten uns die Daumen und gaben uns Tipps.
Am Wettkampftag klingelte der Wecker um 3 Uhr morgens. Nach einem kleinen Frühstück fuhr ich mit Freunden zum Startpunkt. Die Aufregung war groß, aber die Vorfreude überwog. Um 5 Uhr morgens fiel der Startschuss. Unsere Mädels waren auch schon früh wach um uns von Anfang an zu Unterstützen. Immer wieder warteten Freunde und andere Kommilitonen an der Strecke um uns anzufeuern. Die ersten 21 Kilometer liefen problemlos und ich war noch sehr gut in der Zeit. Doch ich wusste, dass der schwierigste Teil noch vor mir lag: die berühmte „Wand“, die viele Läufer ab Kilometer 30 trifft. Auf diesen Moment habe ich mich ironischerweise am meisten gefreut.
Kilometer 32: Plötzlich war die Leichtigkeit verschwunden. Meine Beine wurden schwer wie Blei, die Hitze schien mich zu umhüllen wie eine erdrückende Decke. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Kampf. Alles in mir schrie nach einer Pause, aber aufgeben war keine Option. So langsam sah ich immer mehr Menschen gehen und für einen Freund von mir sah es gar nicht mehr nicht gut aus.
Für mich der perfekte Moment um noch mehr zu geben! Obwohl meine Beine immer schwerer wurden und mir allmählich übel wurde, versuchte ich, mein Tempo irgendwie zu halten. Immer wieder wanderte mein Blick alle zur Uhr. „Wie lange noch?“ fragte ich mich verzweifelt. Die letzten fünf Kilometer schienen sich endlos hinzuziehen. Die Sonne brannte mittlerweile unerbittlich, und die Hitze machte alles noch anstrengender. Doch damit nicht genug – die Strecke führte jetzt auch noch bergauf, während innerlich alles nur noch weiter bergab ging. Wegen der Übelkeit konnte ich keine Energiegels mehr zu mir nehmen, und an den Verpflegungsstationen landete die Hälfte des Wassers daneben statt in meinem Mund.
Hochmut kommt vor dem Fall…
Der wahre Kampf begann. Mein Körper war komplett dehydriert, doch die Hoffnung, den Marathon unter vier Stunden zu beenden, war noch nicht erloschen. Ich mobilisierte jede noch so kleine Energiequelle in mir, um die letzte Steigung zu bewältigen. Oben angekommen, wartete mein bester Freund mit einer Kamera auf mich – er war extra für einen Monat während meines Semesters zu Besuch gekommen. Doch in diesem Moment war ich völlig am Ende. Noch 1,5 Kilometer und zehn Minuten Zeit. Es klang machbar, doch mein Körper hatte längst kapituliert. Immer wieder kippte ich um, meine Sicht verschwamm, und es fühlte sich an, als hätte mein Geist meinen Körper verlassen. Die Schmerzen wurden irrelevant, und gegen jede Vernunft lief ich weiter. Ich überschritt meine körperlichen Grenzen – und brach 800 Meter vor dem Ziel zusammen.
Achtung: Ich möchte niemanden ermutigen das nachzumachen. Bei den Bedinungen soan die körperlichen Grenzen zu gehen ist sehr gefährlich!
Die Hoffnung auf die Vier-Stunden-Marke war dahin, und die Situation wurde nur noch schlimmer. Ich lag dort, keine 800 Meter vom Ziel entfernt, umringt von der Polizei. Mein Körper reagierte mit Krämpfen und Erbrechen, und obendrein musste ich dringend ein Badezimmer finden – die Details erspare ich dir. Eine freundliche Frau nahm mich in ihr Haus auf, bot mir Wasser und Essen an und ließ mich ihr Bad benutzen. Diese unglaubliche Hilfsbereitschaft eines völlig fremden Menschen hat mich tief bewegt. Die Hawaiianer waren generell überaus herzlich und hilfsbereit – jeder bot mir Unterstützung an. Schließlich kam auch medizinisches Personal, das mich mitnehmen und mir eine Infusion geben wollte. Vernünftig wäre es gewesen, doch das hätte bedeutet, den Marathon aufzugeben. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich keinen Schritt gehen, entschied mich aber, vor Ort zu bleiben.
Ich lag am Boden, geplagt von Krämpfen, unfähig, mich zu rühren. Jeder Muskel meines Körpers schmerzte, und immer wieder überkam mich Übelkeit. Nach quälenden 1,5 Stunden gelang es mir schließlich, aufzustehen. Mit der Unterstützung meines Freundes, der mir zur Seite stand, schleppte ich mich Schritt für Schritt in Richtung Ziellinie. Und dann geschah es – der Moment, auf den ich so lange hingearbeitet hatte: Ich überschritt die Ziellinie. Ein Gefühl, das sich kaum in Worte fassen lässt.
Was habe ich daraus gelernt
Um einen Marathon zu laufen, bedarf es einer langen und intensiven Vorbereitung – und genau in dieser Zeit konnte ich vieles lernen. Diese Lektionen sind jedoch nicht nur auf den Sport oder das Laufen anwendbar, sondern auf das Leben insgesamt.
Umgib dich mit Menschen, die weiter sind als du
Laufen war nie meine Stärke, und während der Vorbereitung war ich oft der Langsamste in der Gruppe. Doch genau das brachte mich an meine Grenzen, denn ich hatte keine Möglichkeit, mich mit Ausreden herauszureden. Das Gleiche gilt auch fürs Studium oder andere Lebensbereiche: Wenn du dich mit Menschen umgibst, die oft schwänzen oder nur halbherzig bei der Sache sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du diesem Verhalten folgst. Umgekehrt motiviert dich ein Umfeld von ehrgeizigen, engagierten und vielleicht sogar besseren Menschen dazu, dich an ihnen zu orientieren und über dich hinauszuwachsen.
Setze dir hohe Ziele
Egal, ob es darum geht, einen Marathon zu laufen oder einen bestimmten Notendurchschnitt in der Uni zu erreichen – hohe Ziele können dir dabei helfen, dein Potenzial voll auszuschöpfen. Selbst wenn du dein Ziel nicht ganz erreichst, wirst du auf dem Weg dorthin größere Fortschritte machen, als wenn du dich mit kleinen, leicht erreichbaren Zielen begnügst. Du wirst über dich hinauswachsen und merken, wie viel mehr in dir steckt.
Der Appetit kommt beim Essen
Das klingt vielleicht ungewöhnlich, aber was ich damit meine: Es gab unzählige Trainingstage, an denen ich überhaupt keine Lust hatte, loszulaufen. Viel lieber hätte ich mich nochmal im Bett umgedreht. Doch sobald ich dann draußen war und angefangen hatte, zu laufen, kam ich in einen Flow. Tatsächlich waren es oft diese Tage, die sich im Nachhinein als die besten herausstellten. Das lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen: Wenn du keine Motivation fürs Lernen hast, setz dich einfach hin und fang an. Du wirst merken, dass es gar nicht so schwer ist, wie dein Kopf es dir vorher eingeredet hat.
Teile gerne deine Gedanken dazu oder stell Fragen – ich freue mich auf den Austausch! Und natürlich wünsche ich dir viel Erfolg auf deinem Weg!