16. August 2018
Vier Tage ohne Bett, Schlaf und warmes Wasser für nur 120 Euro? Das habe ich mir nicht entgehen lassen. Mir war klar, dass das Wochenende auf den Sportveranstaltungen in Toledo eine große Party sein würde. Die Stimmung und die Festivitäten haben mich trotzdem überrascht.
Wettbewerb und Partywut in Brasilien
Fürs Feiern sind die Brasilianer bekannt. Gründe finden sich für sie immer. Um dem grauen Uni-Alltag zu entkommen, fuhren wir in eine andere Stadt und mussten dort in sportlichen Wettkämpfen gegen einander antreten. Abends wurde dann gemeinsam der Sieg gefeiert. Solche Sportveranstaltungen, sind auf das ganze Jahr verteilt. Teils treten verschiedene Universitäten gegeneinander an, manchmal auch unterschiedliche Studiengänge.
Die Engenharíadas sind Wettkämpfe zwischen den Ingenieurstudiengängen verschiedener Universitäten. Da ich mich bereits in Berlin mit einigen Brasilianern angefreundet hatte, wurde ich direkt zu den Spielen der Technischen Bundesuniversität Parana in der Stadt Londrina (UFTPR) eingeladen. Meine Universität, die Universität São Paulo (USP), hatte am selben Wochenende ihre Sportspiele, die InterUSP, die jedoch wegen des Benzinstreiks nicht stattfinden konnten.
Schade für meine Freunde, jedoch umso besser für mich.
Verkleidet als Studentin der UFTPR
Toledo überfüllt mit feiernden Studenten
Wegen der Engenharíadas trafen sich rund 30 Universitäten und somit ungefähr 15.000 Studenten in der kleinen Stadt Toledo. Wo meine Freunde und ich untergekommen sind? In einer Grundschule. Um 5:00 Uhr morgens wurden die Zelte aufgebaut, die Matratzen aufgeblasen, die Kopfkissen aufgeschüttelt und die letzten Stunden Schlaf genossen, bevor das Wochenende am Donnerstag um 10:00 Uhr begann.
Fußball, Handball, Cheerleading, Hallenfußball, Basketball und mehr – tagsüber feuerten wir eifrig unsere Mannschaften an. In den Pausen konnten wir in die Stadt fahren und Snacks kaufen, die uns bis abends satt halten sollten. Gegen 18 Uhr endeten die letzten Spiele und ab 22:30 Uhr gab es die ersten Busse zur Festhalle.
Das brasilianische Nachtleben
Zwischen 23:00 Uhr und 5:30 Uhr morgens durfte ausgiebig gefeiert werden. Bei vielen Uni-Partys bezahlst du schon mit dem Eintritt der Karte die Getränke. Dieses Prinzip nennt sich Open Bar und hat den Vorteil, dass du kein Geld bei dir tragen musst. Das bedeutet jedoch auch eine riesige Sauerei, aber dazu später mehr.
Die Mentalität der Studenten gegenüber der Universität ist in Brasilien ganz anders als in Deutschland. Bei jeder Gelegenheit wird sein Studiengang und/oder seine Lehranstalt mit Stolz präsentiert. Zu Beginn der Reise habe ich mein Party-Kit bekommen. Dieses bestand aus einem speziellen Oberteil (port. bata) einem Becher mit Logo der Uni (port. caneca), der mit einem Band (port. fita) verbunden war und Klebe-Tattoos (port. tatuagens) der entsprechenden Uni.
Die batas wurden vor der Party von einigen Mädchen zerschnitten und dekoriert, um auf den Festen mehr aufzufallen. Besonders beliebt war auch das Sammeln und Tauschen der unterschiedlichen Tattoos, um am Körper seine Kollektion zu präsentieren.
Donnerstag ist Kennlern-Tag
Die erste Party war die dreckigste, da den ganzen Abend lang die Getränke in die Luft geworfen wurden. Dadurch wurden nicht nur meine Haare und Kleidung klebrig, sondern auch meine Schuhe und Beine bekamen viel Matsch ab.
Am Freitag standen wir still
Auf der zweiten Party hat sich das Hochwerfen der Getränke in Zaum gehalten, jedoch schien durch die hohe Anzahl der Nachteulen jede Art der Bewegung schwierig. Da das Motto am Freitag „brasilianischer Funk“ war, gehörte diese Feier zu der meistbesuchten der drei. Solltest du brasilianischen Funk bis jetzt noch nicht kennen, empfehle ich dir, ihn vor deiner Reise nach Brasilien anzuhören. Mein Tipp: Schau dir besser nicht den Songtext an, wenn du noch minderjährig bist.
Samstag küsst dich nicht nur die Muse
An meinem letzten Abend der Engenharíadas bin ich auf Verkleidungen gestoßen, die ich teilweise noch nie gesehen habe. Da Brasilianer zu jeder Gelegenheit das Motto „Fantasia“ (deutsch Kostüm) wählen, traf ich auf echte Profis. Eine der Verkleidungen, die ich besonders skurril fand, war ein Gruppenkostüm als Würfel. Die Verkleidung besteht aus sechs Personen, bei denen jeder eine Zahl auf dem Bauch stehen hat. Wenn eine außenstehende Person nun eine fünf würfelt, muss sie die Person mit der entsprechenden Zahl geküsst werden. Das ist nämlich eine andere Sache die Brasilianer lieben: Küssen.
Mein Fazit
Die Engenharíadas waren auf keinen Fall die letzten Sportveranstaltungen, bei denen ich mitgemacht habe. Auch wenn mir Schlaf sehr wichtig ist, tausche ich diesen gerne für ein Wochende voller Spaß und Stimmung ein. Außerdem habe ich die brasilianische Kultur besser kennengelernt und konnte mein Vokabular mit einigen Wörtern erweitern. Darüber und über andere Funfacts des brasilianischen Nachtlebens spreche ich außerdem in meinem Podcast Castaway Episode 7.
Einen kleinen Eindruck, wie die Nächte ausgesehen haben, bekommst du auch hier im Video: