25. Januar 2018
Nach vier Monaten ist meine Erasmus-Zeit in Aarhus nun leider schon vorbei. Dabei habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht, von denen ich keine missen möchte. Von kleinen kulturellen Unterschieden, dem Umgang mit Geld und Regen und dem Grund, in Aarhus Avocadobrot statt Nudeln zu essen. Ein Resümee.
Dänemark – dort wo Bürokratie das Leben erleichtert
Wenn man zunächst in Aarhus ankommt, erscheint es einem so, als wäre Dänemark eine etwas saubere und bessere Kopie Deutschlands – alles wirkt sehr organisiert, die Menschen sind nur ein wenig stilbewusster gekleidet und die Produkte in den Läden sind relativ ähnlich wie zuhause. Auch die Studenten an der Uni funktionieren ab dem ersten Tag des Semesters vor allem durch Kaffeezufuhr.
Wenn man nun ein bisschen länger vor Ort lebt, wird einem deutlich, dass sich die deutsche und die dänische Lebensweise im Detail doch ein bisschen unterscheiden. So merkt man spätestens beim Beantragen seiner persönlichen Identifikationsnummer (CPR Nummer), die in Dänemark Pflicht ist, dass die Organisation durch einen hohen Bürokratieaufwand sehr gut funktioniert. Auch fast jeder Aspekt des Unilebens ebenso wie Bankgeschäfte oder das Beantragen einer Versicherung sind sehr standardisiert und eindeutig geregelt (Mehr dazu im Beitrag zur CPR Nummer).
Nachhaltigkeit – darauf achten die Dänen beim Einkauf
In Erinnerung geblieben ist für mich auch der Kleidungsstil. Die Dänen sind sehr stilsicher, modebewusst und dennoch schlicht gekleidet. Gleichzeitig ist das Bewusstsein für nachhaltige Mode und die Vorliebe für minimalistische Designs ausgeprägter als ich es in Deutschland wahrnehme. So hatten zwar die meisten Menschen, die ich dort kennengelernt habe, einen sehr vielfältigen Kleiderschrank, doch war dieser nicht überfüllt – der Trick nennt sich Second Hand. Sowohl die eigenen Altklamotten zu verkaufen, aber auch der Erwerb von Bekleidung aus zweiter Hand ist in Dänemark verbreiteter als bei uns. Auch ich habe ein paar Ausflüge in die netten Second Hand Läden von Aarhus gemacht. Dieser Gedanke zieht sich weiter, wenn man sich die Supermärkte ansieht. Zwar sind die Produkte und die erhältlichen Mengen sehr ähnlich wie in Deutschland, doch wird allgemein weniger weggeworfen. Lebensmittel, die kurz vor dem Ablaufdatum stehen, werden auch in den großen Supermarktketten einfach günstiger angeboten. Auch Salate werden abends teilweise zum Preis von ein paar Cents verkauft. Zudem kommt die Idee der App „Too good to go“ auch aus Dänemark, wo Restaurants ihre Speisen abends einfach zu einem viel geringeren Preis zum Abholen bereitstellen und somit weniger Lebensmittel wegwerfen. Auch in Deutschland sind in größeren Städten mittlerweile einige Restaurants mit dabei, es lohnt sich daher, mal einen Blick auf die Verfügbarkeiten von „Too good to go“ – Restaurants und -Bäckern in der Nähe zu werfen.
Ruhe und Gelassenheit – typisch dänische Tugenden
Auch wenn man sich die Studenten genauer ansieht, sind sie – anders als die Deutschen – stets entspannt. Sie alle trinken zwar viel Kaffee und jammern ein bisschen, dass es viel zu lesen und zu lernen gibt. Doch habe ich keinen Dänen jemals wirklich in Panik verfallen sehen. Auch kenne ich niemanden, der eine Nachtschicht einlegen musste, um das Uni-Pensum zu schaffen. Zum einen liegt das wohl daran, dass die meisten dänischen Studenten tatsächlich den Angaben der Professoren folgen und schon während des Semesters immer mal wieder was für die Prüfungsvorbereitung erledigen. Zum anderen hat es auch damit zu tun, dass es Dänen einfach wichtig ist, nicht übermäßig gestresst zu sein. Stress gilt in Dänemark weniger als Ausdruck von Fleiß, sondern eher als ein Zeichen von Ineffizienz. Wer also als Student ewig in der Bib sitzt, macht etwas mit seinem persönlichen Zeitmanagement falsch – denn der Feierabend, wie auch das Feierabendbierchen, sind den Dänen heilig.
Das sind jetzt nur ein paar Beispiele gewesen, doch könnte man die Denkweise der Dänen vielleicht so darstellen: Mach das, was du machst so gut und gleichzeitig so effizient wie möglich und nutze deine Ressourcen dabei schlau, ohne sie komplett aufzubrauchen. Diese Herangehensweise versuche ich fortan in mein Leben zu integrieren – die Dänen fahren als glücklichstes Volk Europas anscheinend ganz gut damit.
Was schon ein bisschen nervt: Regen und hohe Kosten
Wer meine Instagram-Updates verfolgt hat, kann sich vermutlich schon denken, dass das Wetter in Aarhus während der Herbst- und Wintermonate eher unangenehm ist. Zwar wurde mir von mehreren Menschen versichert, dass es gerade während meines Aufenthalts besonders schlimm gewesen sei. Dennoch: Wow – so viel Regen und Nebel. Ich würde gerne sagen, man gewöhnt sich irgendwie dran, aber das wäre gelogen. Was man auf jeden Fall lernt: Die vereinzelten Sonnentage besonders wertzuschätzen, sich immer über die hygge Teenachmittage und Kochabende zu freuen und sich dem Wetter entsprechend anzuziehen. Die guten Nachrichten: In Dänemark gibt es schicke Regenmäntel und wasserresistente Rucksäcke, mit denen dort auch jeder herumläuft. Und wer, wie die Dänen, gerne schwarze Hosen trägt, dem sieht man die Regenflecken auch nicht so an.
Ein weiteres Vorurteil, das sich zum Teil bestätigt hat, sind die hohen Kosten, die man mit Dänemark in Verbindung bringt. Diese erklären sich jedoch relativ leicht: Die Dänen haben im Schnitt ein viel höheres Einkommen (circa 40%) als wir. Das schlägt sich dementsprechend auch in den Lebenshaltungskosten nieder. So schluckt man als Student schon, wenn die Packung Nudeln umgerechnet 3 bis 4 Euro kostet, die Preise für einen Cappuccino zum Mitnehmen sich bei ungefähr 7 Euro ansiedeln und man für ein Bier in einer Bar schnell mal 8 Euro hinlegt. Wenn man allerdings irgendwann ein Gefühl dafür hat, in welcher Bar das Bier günstiger ist und an Stelle von Cappuccino auch mit Filterkaffee auskommt, dann kann man mit seiner Erasmus-Förderung auch in Dänemark gut zurechtkommen. Leider hat sich dieser Förderungsantrag bei meiner Heimat-Uni jedoch so lange hingezogen, dass ich davon zunächst nichts hatte. Hier also als Tipp: Sich vor dem Auslandssemester ein Polster an Erspartem zurechtlegen. Das kann sich wirklich bezahlt machen (… nicht die Augen verdrehen, ich fand den Wortwitz gut). Eine erfreuliche Nachricht für alle, die Avocados so sehr schätzen wie ich: Eine Packung mit fünf Avocados kostet im Schnitt circa 3 € und die Qualität ist etwas besser als bei den in Deutschland erhältlichen Avocados. Ich bin daher kurzerhand von den studentischen Nudeln mit Tomatensauce einfach auf meine täglichen Avocadobrote umgestiegen.
Freundschaft und Abschied nach einem Semester
Freundschaften schließen und Menschen kennenlernen ist meiner Meinung nach das Wichtigste und Schönste während des Auslandssemesters. So lernt man mehr über die Kultur des Heimatlandes und auch über die unterschiedlichen Erfahrungen von anderen Austauschstudenten. Weniger schön ist es jedoch, sich nach einem Semester von all den neuen Menschen, die man ins Herz geschlossen hat, zu verabschieden. Einerseits ist es immer ungewiss, ob und wann man sich wieder sieht, andererseits versteht man oft im Moment der Verabschiedung noch gar nicht, wie sehr man diese Menschen und die gemeinsamen Erlebnisse vermissen wird. Wenn man das realistisch betrachtet, könnte man sagen, dass man die Leute ja nur so kurz gekannt hat und die meisten vermutlich sowieso nie wieder sieht – warum also überhaupt emotional werden? Ich glaube, in einem anderen Land zu sein und sich komplett neu auf die Umgebung, Kultur und Menschen einzulassen, das stellt eine Ausnahmesituation dar. Man ist nicht in seinen Alltag zuhause eingebunden und sucht zum Teil aktiver und vielleicht auch offener nach neuen Freundschaften und erlebt entsprechend, auf die kurze Zeit betrachtet, viel miteinander. Und bevor ein echter Alltag entsteht, ist man eigentlich auch schon wieder weg. Etwas bedauere ich dann doch. Die Kürze meines Aufenthalts. Daher empfehle ich jedem, der die Möglichkeit hat: Bleibt zwei Semester.
Schließlich habe ich mich bei den meisten Freunden mit einer Einladung nach Deutschland und einem lieben „Bis bald“ verabschiedet. Und auch, wenn man schließlich nicht alle wiedersehen wird, ist das trotzdem ok. Denn so bleibt die schöne Erinnerung an die gemeinsamen Monate.