30. Mai 2016
Vorab: Istanbul ist überragend. Basta. Einen Erasmusaufenthalt in der Stadt kann ich jedem nur empfehlen. Alles was ab jetzt folgt, ist zweitrangig – aber auch Teil von dem Erasmus-Leben in der Türkei. Über die Vorteile und sonnigen Seiten steht viel in jedem Reiseführer und in jedem Blog. Hier sind einige Istanbuler Widrigkeiten:
Uni-Alltag ist nicht so easy wie in anderen Ländern
Während des Erasmus-Semesters, so heißt es, wird viel gefeiert und wenig gelernt. Der Lernstandard sei sowieso niedriger als in Deutschland. Alles leicht machbar. Stimmt halb. Nein, niemand sitzt 24/7 in der Bibliothek und lernt oder findet vor lauter verzweifeltem Lernen keine Freunde. Aber verglichen mit den Erzählungen anderer Erasmus-Studenten in anderen Ländern (zum Beispiel Ungarn oder Spanien) muss ich für die Uni tendenziell einen größeren Aufwand betreiben. Klausuren, Anwesenheit, Tests, Aufgaben, Referate…
Terroranschläge & politische Unruhen
Klingt vielleicht krasser als es wirklich ist. Dennoch waren alle meine Besucher aus Deutschland besorgt, was dieses Thema angeht. Im Alltag spüre ich in der Regelkeine Einschränkungen oder Gefahren, trotzdem ist es nicht von der Hand zu weisen:
In den letzten Monaten ist die Zahl der Terroranschläge in der Türkei sprunghaft angestiegen. Auch in Istanbul. Auch an „meiner“ Metrostation. Außerdem befindet sich das türkische Militär im Konflikt mit bewaffneten Kurdengruppen – das destabilisiert die politische Situation zusätzlich. Zu dem Stadtbild gehören schwerbewaffnete Polizisten, Tränengasgewehre, Barrikaden und Wasserwerfer. Kein Grund zur Sorge, aber man sollte sich dessen bewusst sein (Elisa empfand es während ihres Praktikums hier ähnlich).
Istanbul ist nicht Antalya: Nimm eine Jacke mit
Istanbul ist in der Türkei, Türkei ist am Mittelmeer, da ist es warm. Netter Gedanke, leider falsch. Das Wetter ist vor allem eines: unberechenbar. Erst gegen Mitte Mai ist es stabil wärmer geworden (dafür ziemlich plötzlich und ziemlich schnell). Davor hat es auch viel geregnet, es war kühl und im Januar / Februar hat es auch geschneit. Das hatte ich von der Türkei auch noch nicht gehört. Ist aber offenbar normal.
Bürokratie stiehlt dir Lebenszeit
Irgendwann hat es sich so angefühlt, als würde die Türkei mich gar nicht im Land haben wollen. Es fühlt sich an wie Schikane: etliche Behördengänge, zusätzliche Steuern, Residence Permit Application, Handyregistrierung, Krankenversicherung, Reiseerlaubnis und so weiter. Gefühlt gibt es keine öffentliche Behörde, die ich in Istanbul nicht besucht habe. Das ist nicht nur lästig, sondern wirklich über Wochen und teils Monate zeitraubend und frustrierend. Und es ist ein Muss, denn anders als in vielen europäischen Ländern brauchen deutsche Besucher, die länger als 90 Tage im Land bleiben eine Aufenthaltserlaubnis („Residence Permit“). Und bis das endlich einmal ankommt müssen viele komplizierte Formulare ausgefüllt, Unterschriften eingeholt, Stempel gesetzt und satt Bearbeitungsgebühren gezahlt werden.
Stau macht der Bürokratie Konkurrenz
Istanbul ist groß, Istanbul ist voll. Und irgendwie sind immer alle gleichzeitig unterwegs. Mittags und nachmittags ist alles human, morgens und abends geht gar nichts mehr. Menschen sind dann überall: Vor dir, hinter dir, gefühlt sogar auf dir (#Bus). Andererseits: Alles eine Einstellungssache.
Alkohol ist teuer
Es war einmal anders, mittlerweile sind aber die Steuern auf alkoholische Getränke drastisch erhöht worden. Im Supermarkt kostet das billigste (und zurecht billigste) Bier (Efes, 0,5l) rund 2 Euro. Am Kiosk, in der Bar und im Club noch dementsprechend teurer. Gleiches gilt für Wein und Spirituosen. Also: Kein Vergleich zu dem, was man beispielsweise aus den osteuropäischen Ländern hört.
Du brauchst einen neuen Handyvertrag
Da sind die Mobilfunkanbieter gnadenlos: Die Türkei gehört nicht zu Europa, deswegen werden keine Ausnahmen gemacht. Die Türkei ist in den üblichen Anbieterpaketen nicht enthalten. Heißt: Mit einem deutschen Handyvertrag hier weiter zu surfen und telefonieren wird sehr, sehr teuer.
Stattdessen braucht man eine türkische SIM-Karte, monatliches Guthaben (sehr günstig) und eine gesetzlich vorgeschriebene Handyregistrierung (sonst wird das Handy nach einigen Monaten automatisch gesperrt). Das kostet Nerven – und Geld. Zudem häufig – wie bei mir – der deutsche Vertrag ungenutzt weiterlaufen muss.