20. Februar 2018
Seit zwei Wochen sind wir nun zurück in Berlin. Die Stadt meint es gut und begrüßt uns mit Sonne. Die große Aufregung hat sich gelegt, Besuch ist gekommen und wieder gegangen und die „Willkommenserkältung“ ist überstanden. Zeit, mal innezuhalten und zu reflektieren, was für eine verrücktes, schönes und anstrengendes halbes Jahr das eigentlich war. Aber nicht nur das. Wie uns zu Beginn des Vorhabens versichert wurde, sind Familien, die ins Ausland gehen eine große Rarität. Kann ich verstehen; ist nämlich kein Pappenstiel. Und weil das Ganze hier ja auch einen Mehrwert haben soll, fasse ich nochmal zusammen, was es braucht, um Familien Lust auf ein Auslandssemester zu machen. Außerdem gibt’s ein paar Tipps und Ermunterungen für diejenigen, die genau das planen. Denn ich kann nur sagen: Gelassenheit, Humor und Flexibilität sind das beste Gepäck!
Das leidige Thema: Geld
In meinem ersten Beitrag habe ich es angesprochen: Familien, die nicht von Hause aus gut versorgt sind, auf beiden Seiten BAföG-Anspruch oder ortsungebundene Jobs haben, haben eigentlich keine Chance ein Auslandssemester zu finanzieren. Für Alleinerziehende gibt es einen Zuschlag. Das ist ja schön, aber versucht mal irgendwo einen Kitaplatz für 200 Euro im Monat zu finden (dazu unten mehr).
Was es braucht: Eine Finanzierungsmöglichkeit, die Familien berücksichtigt
In der Regel möchte man sein Kind nicht auf die Dauer des Auslandsaufenthaltes von einem Elternteil trennen. Also müssen schon mal zwei Erwachsene mit. Und die müssen ja auch beide essen und irgendwo schlafen. Es bräuchte also eine Erasmus- oder Auslands-BAföG-Kofinanzierung für mitreisende studierende oder arbeitende Elternteile.
Wie haben wir unser Auslandssemester finanziert?
Erstmal haben wir uns ziemlich eingeschränkt. Wir haben sehr eng gewohnt und alles in allem von einem BAföG-Satz mit Kinderzuschlag, ein bisschen Unterstützung durch die Familie und ein paar Ersparnissen gelebt. Was ich empfehlen kann: Alle Fördermöglichkeiten ausschöpfen, die es gibt. Dazu hatte ich hier auch schon geschrieben.
Die Kinderbetreuung
Wenn nur eine_r von beiden studiert, kann der_die Andere natürlich die Kinderbetreuung übernehmen. Das muss man wollen und das muss möglich sein. Das war es für uns nicht, weil wir beide mit unserem Studium weiter kommen mussten. Wie oben schon bemerkt, gibt es einen Kinderbetreuungszuschlag nur für Alleinerziehende (der ist aber viel zu gering, nebenbei). Das heißt, in Ländern, in denen die Kita-Kosten nicht so niedrig sind wie in Berlin (also überall), müssen diese zusätzlich berappt werden. Dazu kommt die Organisation. Aus der Ferne, ohne die Sprache zu sprechen einen Kita-Platz zu finden, kann kompliziert sein.
Was es braucht: Strukturelle Unterstützung durch Kooperationen mit Kitas oder Unikitas
Damit ist eigentlich alles gesagt. Kooperationen mit Kitas in der Nähe oder Unikindergärten, die in Austausch mit den International Offices stehen und bezahlbare Plätze haben oder direkt über Erasmus finanziert werden.
Wie wir einen Kita-Platz im Ausland gefunden haben
Hier muss ich sagen, war das International Office meiner Uni wirklich super. Über dieses sind wir an eine Kita gleich in Uninähe gekommen. Zudem war es sehr hilfreich, dass ich schon Portugiesisch gesprochen habe. Die Erzieherinnen konnten nämlich kein Englisch und waren nach der ersten Überforderung heilfroh, dass es auch auf Portugiesisch ging. Ansonsten würde ich dazu raten, Kitas vorher anzuschreiben. Einfach hingehen, wenn man da ist, kann klappen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich darum aber vorher kümmern.
Wohnen
Wohnen in Lissabon ist ja nun ein Thema für sich. Die Idee mit dem Wohnwagen war zwar abenteuerlich, aber letztendlich nicht so richtig praktikabel und ich würde es nicht unbedingt empfehlen.
Das bräuchte es: bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum für Studierende mit Kindern
Wäre wirklich der Wille da, Familien ins Auslandssemester zu locken, so wäre mit barrierefreien, kindersicheren und bezahlbaren Wohnungen oder Wohnheimplätzen in Uninähe, die den Bedürfnissen entsprechend, an Erasmus-Studierende mit Kindern oder Behinderungen oder chronischen Erkrankungen (was meinst du Julia?) vergeben werden, natürlich schon einiges gewonnen. Klingt aber meiner Erfahrung nach eher utopisch.
Kleine Hilfe zur Selbsthilfe: Kinder verschweigen
Ok, das ist nicht wirklich ernst gemeint. Haben wir zwar so gemacht, kann ich aber schlecht empfehlen. Speziell für Lissabon ist das eigentlich nicht schwer mit der Wohnungssuche. Es gibt diese ganzen Ausbeuter-Plattformen, durch die man sich im Vorhinein Wohnungen organisieren kann. Aufgrund früherer Erfahrungen im Ausland, dachte ich, den Schnickschnack brauchen wir nicht, wir finden auch so was. Gilt wahrscheinlich für viele Orte, aber nicht für Lissabon. Für nicht Portugies_innen ist das der einzige Weg an Wohnraum zu kommen. Also spart man sich am Besten die Mühe und bucht sich vorher eine Wohnung.
Vernetzung ist das A und O
Während die anderen Erasmus-Studis sich vor Party- und Freizeitangeboten kaum retten konnten, waren wir bei dieser Nummer raus. Gut, mit um die 30 ist das jetzt vielleicht eh nicht mehr so verlockend, aber Alternativprogramm für Eltern gibt es nicht. Austausch und Kontakt mit anderen Eltern, die vielleicht noch studieren oder Menschen, die ähnlich unterwegs sind, machen das Leben einfach schöner. Dazu hatte ich hier schon geschrieben.
Das bräuchte es: andere Studi-Eltern
Sicherlich ist es auch Teil der Erasmus-Experience, ins kalte Wasser geworfen zu werden und sich seine Räume selbst zu erschließen. Daher ist Vernetzung als Eltern auch etwas, dass in der eigenen Hand liegt. Schön wäre es für den Anfang gewesen, wenn wir über die Uni mit anderen Studierenden mit Kindern in Kontakt gekommen wären. Allerdings ist die Universidade Catolica ohnehin ein sehr elitärer Laden und ich habe dort auch keine anderen Kinder gesehen. Als Eltern ist man an staatlichen Unis vermutlich besser dran. Kleiner Tipp: Geht an die Universidade Nova, wenn ihr könnt.
Wie haben wir das dann gemacht? Kleine Hilfe zur Selbsthilfe: Früh die Fühler ausstrecken
Bei dem ganzen Organisatorischen, ist das ins Lissaboner Leben eintauchen bei uns etwas hinten runter gefallen und das ist auch wirklich schade. Klar haben wir nette Menschen kennen gelernt, aber da dies ja ohnehin Zeit braucht, würde ich dazu raten, sich früh nach Initiativen und/oder Elterngruppen umzuschauen. Dann fragt man sich am Ende nicht, wo denn die Zeit hin ist.
Fazit fürs Auslandssemester mit Kind: Entdecke den Yogi in dir
Es kommt ganz sicher anders als man denkt und plant. Also mein Tipp: Das Nötigste planen und den Rest einfach auf sich zukommen lassen. Nicht gaga werden und sich darauf einstellen, dass es wohl chaotisch wird. Und Verwandten in der Hinterhand, die einen in der größten finanziellen Not aus dem Schlamassel ziehen, sind natürlich Gold. Allein fürs Gefühl.
Abschließend sei allen Familien, die Lust auf ein Auslandssemester haben, Portugal wärmstens ans Herz gelegt. Es ist nämlich nicht nur sehr sonnig dort, sondern bietet auch ein für unsere Verhältnisse sehr günstiges Leben. #knowyourprivileges. Meiner Erfahrung nach sind viele Lissaboner_innen absolut kinderverrückt (wahrscheinlich auch, weil sie mehrheitlich steinalt sind) und wirklich sehr höflich und hilfsbereit. Wenn ich jetzt nochmal am Anfang stünde, würde ich aber wohl eher nach kleineren Städten, mit weniger Touris und weniger Smog Ausschau halten.
Alles in allem kann ich aber sagen, dass ich total froh bin, dass wir den Schritt gewagt haben und kann trotz aller Hürden ein Auslandssemester allen Studi-Familien sehr empfehlen. Es ist ein großes Abenteuer und bestimmt nicht unser Letztes.
In diesem Sinne, danke fürs Mitlesen. Es war mir eine große Freude!
Louisa
Sandy Kreussel
27. Juli 2019
Liebe Louisa Kamrath,
wäre es möglich, mit Ihnen ein Gespräch zu führen.
Ich habe eine fünf jährige Tochter und in einiger Zeit käme auch für mich ein Auslands – Semester in Frage.
Da ich keine Ahnung habe, wie ich das anstellen soll, wäre ich für Ihre Hilfe in Bezug auf Informationen sehr Dankbar.
Viele Grüße
Sandy K.