Während meiner Zeit im Ausland wollte ich Südafrika aus unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen. Daher war es für mich naheliegend, sich mit Menschen, die hier aufgewachsen sind oder schon eine Weile hier leben, auszutauschen. So habe ich Thomas Denzel, ARD-Auslandskorrespondent, einfach mal geschrieben. Der sympathische Reutlinger hat mich gleich ins ARD-Studio Johannesburg eingeladen und dabei kam dieses Interview zustande, das ich vor Beginn der Corona-Krise geführt habe. Viel Spaß beim Lesen!
Thomas Denzel lebt und arbeitet seit vier Jahren in Johannesburg. Als Auslandskorrespondent berichtet er für die ARD über das südliche Afrika, über Politik, Großereignisse, das alltägliche Leben der Menschen, ihre Kultur und ihre Traditionen. Ich habe mit ihm über seinen Arbeitsalltag und seine Erfahrungen in Südafrika gesprochen.
Wie kam es dazu, dass du als Auslandskorrespondent in Johannesburg gelandet bist?
Als ARD-Korrespondent in Baden-Württemberg habe ich relativ eng mit der Auslandsredaktion zusammengearbeitet. So bin ich eingesprungen, wenn sie jemanden für eine Urlaubsvertretung im Auslandsstudio gesucht haben. Ich wurde dann immer nach Johannesburg geschickt: Irgendwann wurde die Stelle frei und dann war es überhaupt keine Frage mehr, ob ich mich bewerbe.
Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag als Auslandskorrespondent vorstellen?
Die meisten Menschen sehen einen Auslandskorrespondenten irgendwo mit der Kamera unterwegs. Das ist aber nur eine Seite der Arbeit. Der erste Schritt ist immer, dass ich eine Geschichte finden muss, das heißt erst einmal, viel zu recherchieren. Der zweite Schritt ist, die Redaktion in Deutschland davon zu überzeugen, dass die Geschichte, die ich selbst spannend finde, auch wirklich spannend ist. Ich versuche immer, mit den klassischen Afrika-Klischees zu brechen. Ich mag Geschichten, die keiner erwartet hätte. Natürlich gibt es Armut, Gewalt, Hass und Kriminalität, aber es gibt auch viele Menschen, die mich jedes Mal unheimlich beeindrucken.
Kannst du mir ein Beispiel nennen?
Wir haben vor kurzem einen Bericht über einen Mann gemacht, der Straßenräuber war und auch jemanden angeschossen hatte, woraufhin er lange im Gefängnis in Kapstadt saß. Als er aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte er den Entschluss gefasst, sein Leben zu ändern und eine Computerschule im Township (Armenviertel) zu eröffnen. Die Ausbildung soll anderen Kindern und Jugendlichen dabei helfen, einen Weg abseits der Kriminalität einzuschlagen. So etwas knüpft zwar bei den Klischees an, macht aber auch Hoffnung und ist ganz typisch für Südafrika.
Wie würdest du Menschen, die noch nie in Südafrika waren, das Land beschreiben?
Wenn man in ein Shoppingcenter in Johannesburg geht, gibt es dort die gleichen Läden wie beispielsweise in einer englischen Stadt. Inzwischen gibt es hier auch eine eigene IT-Branche und sogar eine Handyproduktion, bei der fast alle Teile aus Afrika stammen.
Die Südafrikaner sind eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft: Die schwarzen Südafrikaner mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen, dann die weißen Südafrikaner, die aus Familien mit britischem und holländischem Background stammen. In Südafrika sind auch alle Religionen vertreten. Klar haben die auch Konflikte untereinander, aber man merkt es im Alltagsleben wenig. Hier sind die Menschen unglaublich offen, reden miteinander auf der Straße; auch zwischen Fremden entstehen Gespräche. Dem gegenüber steht, dass das Land ein Riesen-Problem mit weit verbreiteter Korruption hat. Und es gibt eine große Kluft zwischen Arm und Reich.
Aktuell gibt es in den Nachbarländern ein paar kleinere Krisenherde und auch Regionen, denen es wirklich nicht gut geht. Kriege oder große Krisen haben wir aber zum Glück nicht. Für mich bedeutet das, dass ich mich im Moment den weniger nachrichtlichen und hintergründigeren Geschichten widmen kann.
Was war bisher die größte Herausforderung für dich?
Was Schwierigkeiten auf Reisen betrifft, war das ein Dreh in Sambia. Wir waren auf dem Weg zu einem Dorf im Busch. Irgendwann ging es selbst mit dem Geländewagen nicht mehr weiter. Wir hatten die befestigte Straße längst verlassen und nun standen die Bäume so eng, dass wir zu Fuß weiter mussten. Unsere sambischen Begleiter meinten unser Ziel sei nur noch zehn Minuten entfernt. Also schulterten wir das Equipment und los ging’s. Tatsächlich waren wir dann aber fast zwei Stunden unterwegs. Auf dem Rückweg war es schon dunkel und wir gerieten in ein Gewitter. Vorher war alles noch trocken gewesen, jetzt aber Wasser überall. Knöchel- bis kniehoch. Wir mussten durchwaten – ob wir wollten oder nicht. Vor allem weil es außerdem dunkel war, gingen mir ständig Gedanken an Krokodile und Schlangen durch den Kopf. Aber uns ist zum Glück nichts passiert.
Auch das Thema des Drehs war für Überraschungen gut. Es ging um das sogenannte „Landgrabbing“ – also die Frage, ob Großfarmer einheimische Kleinfarmer von ihrem Land vertreiben. Natürlich hat man da sofort das Klischee vom habgierigen Investor im Kopf, der rücksichtslos die Einheimischen vertreibt. Aber – wie so oft – war auch hier die Realität viel komplexer. Mein Team und ich hatten den Eindruck, dass der weiße Farmer eigentlich alles richtig machen wollte. Die sambische Regierung hatte ihm das Land verpachtet mit dem Hinweis, dass noch Einheimische dort leben und es nun seine Aufgabe sei für sie eine Lösung zu finden. Die Regierung hatte das Problem also elegant einfach dem Farmer aufgetischt. Der Farmer hat Versammlungen mit den Menschen abgehalten und ihnen Ersatzland angeboten. Natürlich gab es Streit darüber ob das neue Land so gut ist wie das alte. In einigen Fällen vermutlich zurecht, in anderen war mein Eindruck, dass die lokale Bevölkerung versuchte die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen. Und einige Menschen hatten von den Versammlungen nicht erfahren und waren aus Angst vor gewaltsamer Vertreibung geflohen. Es war schwierig bis unmöglich herauszufinden was zwischen Farmer und lokaler Bevölkerung richtig und was falsch gelaufen war. Die üblichen Klischees von „Gut“ und „Böse“ funktionierten jedenfalls nicht. Unsere Recherchen ergaben am Ende, dass der Dorfvorsteher der ansässigen Einheimischen das Land schon vor vielen Jahren an die Regierung verkauft hatte ohne seine Gemeinde darüber zu informieren. Ein fragwürdiger Deal. Und aus meiner Sicht wäre es ganz klar Aufgabe der Regierung gewesen schon vor der Ankunft des Farmers eine Lösung für die lokale Bevölkerung zu finden.
Du bist auch in anderen Ländern Afrikas unterwegs. Wie oft bist du im Monat auf Reisen?
Unser Berichtsgebiet ist das südliche Afrika – Angola, Sambia, Malawi und alle Länder südlich davon. Gefühlt bin ich die Hälfte der Zeit unterwegs, die andere Hälfte meiner Arbeitszeit verbringe ich mit der Vor- und Nachbereitung.
Ich hoffe, euch hat das Interview gefallen und danke Thomas ganz herzlich! Obwohl er immer auf dem Sprung ist (er weiß nie, wann er für den nächsten Einsatz aufbrechen muss), hat er sich die Zeit genommen, um sich mit mir zu treffen!
Nick
5. November 2022
Hey Du, ich bin Nick und aktuell auf der Suche nach einem Praktikum. Habe deinen Blog aufmerksam und sehr interessiert (vor allem Joburg!) verfolgt und würde mich sehr freuen, Dir mal 1-2 Fragen stellen zu dürfen! Kann man dich irgendwo kontaktieren? 🙂
studieren weltweit
7. November 2022
Hallo Nick, du kannst alle Correspondents gerne auch über ihre Social-Media-Kanäle direkt kontaktieren. Du findest die passenden Links jeweils im Profil, hier z. B. das von Stefanie: https://www.studieren-weltweit.de/welt-erleben/stefanie-suedafrika/ Liebe Grüße, dein studieren weltweit Team