4. Januar 2021
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Dieser Grundsatz ist in meiner deutschen Mentalität fest verankert. In meiner Heimatstadt Berlin gehörten Anonymität und leider auch Kriminalität zum Großstadtleben dazu – zwei Dinge, die Rovaniemi von der Großstadt unterscheiden.Dass Vertrauen hier in Finnland groß geschrieben wird, haben mir die folgenden drei Erlebnisse gezeigt.
Im November habe ich dank einer Facebook-Gruppe ein kostenloses Paar Ski erhalten. In der Gruppe „Roskalava Rovaniemi“ (Müllcontainer Rovaniemi) kann man Dinge inserieren, die man nicht mehr braucht und verschenken möchte. Dort hat ein älterer Herr angegeben, dass er drei Paar Ski zu verschenken hat. Als ich mit ihm eine Zeit absprechen wollte, zu der ich die Ski abholen kann, antwortete er: „Kommen Sie einfach, wann es Ihnen passt. Die Ski stehen beschriftet im Hintergarten, gehen Sie einfach durch und nehmen Sie sich die Ski und passende Stöcker.“ Theoretisch hätte ich also ein ganz anderes Paar Ski mitnehmen können. Oder gleich alle drei. Aber hier lautet der Grundsatz wohl eher: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.“ Letztendlich hat der Herr mir die Ski sogar zur Uni gefahren. „Ich habe eh einen Termin in der Stadt.“ So was wäre mir in Berlin sicher nicht passiert…
Öffentliche Garderoben in der Uni
In Finnland ist es üblich, seine Jacken (und ggf. Regenhosen, Handschuhe, Schal und Mütze) an eine öffentliche Garderobe am Uni-Eingang zu hängen. Obwohl es für mich in Deutschland ganz normal war, diese Sachen von einem Vorlesungsraum zum nächsten zu schleppen, möchte ich die Garderoben nicht mehr missen. Man kann sich so viel freier durch die Uni bewegen und vergessliche Menschen (wie ich) müssen nicht ständig daran denken, bloß nichts liegen zu lassen. Ich habe auch keine Angst, dass meine Sachen geklaut werden, denn die Finnen sind sehr ehrlich. Bereits zwei Mal habe ich mein Portemonnaie liegen lassen – und zwei Mal kam es unberührt zurück.
Vertrauensvoll durch die Pandemie
Finnland hat zur Zeit coronabedingt sehr strenge Einreisebeschränkungen. Meine Mutter konnte zu Weihnachten nur deshalb einreisen, weil sie mit mir verwandt ist. Zudem muss bei der Einreise ein negativer Coronatest vorgelegt oder ein Test am Flughafen gemacht werden. Meine Mutter brachte das negative Testergebnis, das nicht älter als 72 Stunden sein durfte, aus Deutschland mit. Neben dem Testzertifikat hatte sie auch meine Geburtsurkunde sowie eine Kopie meiner Anmeldung beim Einwohnermeldeamt hier in Rovaniemi dabei. Sie war also vorbereitet, alle möglichen Nachweise vorzulegen, … doch keiner wollte sie sehen. Als man meiner Mutter beim Zwischenstopp in Helsinki erklärte, wo man den Corona-Test machen kann, sagte meine Mutter, dass sie ein Testzertifikat dabei hat. „Okay, dann ist ja gut“, lautete die Antwort. Obwohl meine Mutter aus Berlin kam, wo die Fallzahlen um einiges höher sind als in Finnland, hat niemand nach dem schriftlichen Testergebnis gefragt. Als ich meinen finnischen Freunden erzählt habe, wie überrascht meine Mutter und ich darüber waren, lachten sie und sagten: „Hier vertraut man den Leuten halt.“