19. Januar 2021
Viel habe ich von Groningen wegen Corona noch nicht von innen sehen dürfen: Die Bibliothek ist mittlerweile zu, die Läden auch, das Unigebäude war noch nie geöffnet. Wo man vor der Verschärfung der Maßnahmen die Studierenden angetroffen hat, erfahrt ihr hier.
Ich denke, viele kennen das: dieses Gefühl der Frustration, wenn das Internet zu Hause nur nach dessen Lust und Laune funktioniert; die Decke einem nach einer Weile auf den Kopf zu fallen scheint. Viel Abwechslung gab es nicht in den letzten Monaten. Und weil ich manchmal aus meinem Studentenwohnheim raus musste, habe ich mich an manchen Tagen auf mein Fahrrad geschwungen und bin ins Forum Groningen geradelt. Das ist ein großer öffentlicher Gebäudekomplex, der gleichzeitig ein Kultur- und Wissenszentrum darstellt. Dort habe ich mich dann an einen der vielen Tische gesetzt, den Laptop aufgeklappt und gelernt. Mit Abstand. Versteht sich. Im Herbst ging das auch noch. Mittlerweile hat das Forum aber leider geschlossen.
Dabei bin ich mittlerweile fast täglich dort gewesen. Denn das Internet in meinem Wohnheim wurde parallel verlaufend mit meiner Konzentrationsfähigkeit exponentiell schlechter. Das Forum wurde ein bisschen zu meinem zweiten Zuhause. Deswegen möchte ich ihm hier heute eine Bühne geben. Es ist einen Besuch wert, wenn man Groningen besucht. Deshalb dachte ich, ich lasse den Gebäudekomplex mal aus seiner eigenen Sicht erzählen:
Das Forum? Was ist das eigentlich?
Na ja, wenn man mich von außen betrachtet, bin ich vor allen eins: Ein hohes, hochmodernes Gebilde, das mitten in einer gemütlichen Altstadt in den Himmel ragt. Ein großer Klotz irgendwie, mag vielleicht der eine oder andere liebevoll denken. Der Klotz, also ich, ist im Dezember ein Jahr alt geworden. Ein trauriger Geburtstag, wenn man bedenkt, dass ich die längste Zeit meines kurzen Lebens in einer von einer Pandemie geprägten Welt verbringen musste. Viel kann ich schon erzählen, musste meine Türen schon öfter schließen, als mir lieb gewesen wäre. Aber obwohl ich mich nicht so präsentieren konnte, wie ich das eigentlich gerne wöllte, habe ich trotzdem alles gegeben, um meinen Besuchern eine schöne Zeit zu bereiten.
Okay, und was möchte es dann sein?
Ohne Corona wäre ich ein Alleskönner. Vielleicht denkt der ein oder andere, dass mein moderner Anblick gar nicht so sehr in das Stadtbild Groningens passt. Ich bin groß, ich bin kompakt, aber das muss ich auch sein. Denn ich biete viel Platz für viele unterschiedliche Dinge.
Kultur
In meinem Eingangsbereich sind riesige Stufen, die aber jetzt schon einige Zeit von Flatterband umgeben sind. Das Flatterband dient leider nicht als Absperrung für das Set eines spannenden Films, der hier gedreht wird. Es ist eine Corona-Vorsichtsmaßnahme. Normalerweise können die Menschen, wenn sie auf den Stufen sitzen, Filme anschauen, die auf die riesige weiße Wand gebeamt werden, auf die man von den Stufen aus blickt. Auf den Stufen wird auch Musik gemacht oder es werden Workshops gegeben. Menschen veranstalten hier auch Ausstellungen. Für die muss man dann aber teilweise Geld zahlen. Im Herbst zum Beispiel konnte man „Shaun das Schaf“ bewundern. Sogar Sprachen werden hier bei mir gelehrt. Ihr seht also, ich habe ganz schön viel im Köpfchen.
Klein und Groß mögen mich gerne
Auch die Kinder kommen bei mir nicht zu kurz. Ich habe eine große Kinderbibliothek und eine riesige Spielecke. Manch ein Student mag bei diesem Anblick wohl ein bisschen neidisch werden. Aber jeder muss mal erwachsen werden, richtig? Außerdem könnt ihr hier ganz schön viel ausprobieren. Hier wird gehandwerkelt, experimentiert (ja, dafür habe ich auch extra Räume) und ihr bekommt alles Mögliche über Technik erklärt. Sogar Filme könnt ihr hier drehen. Oder es zumindest ausprobieren, denn ich habe einen Greenscreen. Übrigens: Für den Erwachsenen gibt es natürlich auch eine große Auswahl an Büchern in der Bibliothek.
Und was macht der Studierende?
Kommen wir zu der wohl am häufigsten vertretene Gruppe, die ich hier zu sehen bekomme. Sie sind diejenigen, die als erstes kommen und oft als letztes gehen. Sie kommen mit ihren Laptops und Büchern und in der Klausurenphase auch mal mit Augenringen. Vielleicht wisst ihr ja, wen ich damit meine? Klar, meine lieben Studierenden. Auf meinem Laufband rollen sie dann mit ihren Fahrrädern in meine bewachte Fahrradtiefgarage, schließen ihre Drahtesel ab und stehen dann um zehn vor neun vor meinen Toren. Es sind einige, klar, in der Bibliothek sind die Plätze schließlich begrenzt und man muss sie reservieren.
Zwischen meinen Wänden darf man sich auch mal unterhalten, was wahrscheinlich auch einen Anteil an ihrem Andrang hat. Nachdem ich meine Tür um neun Uhr öffne, strömen sie herein und fahren die zahlreichen Rolltreppen hinauf, immer auf der Suche nach dem besten Sitzplatz. Davon habe ich einige zu bieten, denn meine Wände sind oft Fensterfronten und ich erlaube einen schönen Blick auf Groningen. Dann sitzen sie dort natürlich immer anderthalb Meter voneinander entfernt, denn darauf achte ich penibel. Sie verzweifeln über Vorlesungen, trinken eine ganze Menge Kaffee und sind vor allen eins – froh, mal wieder rauszukommen.
Mein i-Tüpfelchen
Und wenn ihr dann die vielen, vielen Stockwerke (ich denke, manch ein Studierender hat mittlerweile aufgegeben zu zählen. Ich bin manchmal auch ganz verwirrt.) nach oben gefahren seid, kommt ihr zu meinem Herzstück: der Dachterrasse. Hier habt ihr einen wunderschönen Blick auf meine schöne Heimatstadt und der oder die Lernende schnuppert mal ein bisschen Frischluft in der Lernpause.
Und zum Abschluss kommt dann doch nochmal der Correspondent zu Wort
Gut, ich denke, das Gebäude hat sich ganz gut versucht, in Szene zu setzen. Vielleicht sage ich zum Abschluss dann noch mal ein paar Worte: Ich mag das Forum. Es ist offen und groß, hell und einladend. Es bietet den Menschen in Groningen von Kultur über Wissenschaft zur Literatur sehr viel an. Das meiste seines Angebots bleibt dabei kostenlos. Das finde ich bemerkenswert, bildet es doch ein Stimulus für das öffentliche Leben Groningens. Ich habe sein Internet, seine Sitzplätze und seine heiße Schokolade sehr zu schätzen gelernt. Momentan aber hat es geschlossen und das ist angesichts der momentanen Coronazahlen auch gut so. Ich hoffe trotzdem, in den nächsten Monaten mal wieder seinen Blick von der Dachterrasse genießen zu können.
Tomtom
2. Juni 2024
Moin aus Oldenburg,
ich war gestern das erste mal im Forum und ganz angetan von der Location. Leider haben wir einen Bürgermeister und einen Stadtrat der lieber 100 Millionen für die Renovierung einer Tiefgarage und für ein Fußballstadion für den 4. Klassigen Profiverein über die Köpfe der Bürger hinweg verschleudert.
Wie viele Besucher kommen denn aktuell monatlich ins Forum?
Viele Grüße