6. Februar 2020
Kurz nach Neujahr – am 4. Januar – ging es für mich in die Region Rhône-Alpes im Südosten Frankreichs, genauer gesagt nach Grenoble. Die Stadt wird die nächsten fünf Monate mein Zuhause sein. Ich wusste, wo sie liegt und welche Sprache gesprochen wird. Was ich nicht wusste war, was mich dort erwarten wird.
Für mich als gebürtiger Ruhr-Pottler ist es mehr als ungewohnt, von so viel grüner Natur umgeben zu sein. Durch meine portugiesischen Wurzeln und meinem jährlichen Urlaub in Portugal bin ich Strände gewohnt. Mit Berg- und Wintersportarten kam ich bisher selten in Berührung. Durch das Leben und Studium in Bochum kenne ich die Farbe Grau in all ihren Facetten. Und niemals zuvor hinderten mich Berge daran, den Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang zu betrachten. Diese neue Erfahrung und mein langjähriger Wunsch, mal in Frankreich zu leben, zogen mich nach Grenoble.
Warum nach Grenoble?
Die größte am Hochgebirge liegende Stadt der Alpen wird gleich von drei alpinen Berggipfeln umschlossen, nämlich von einem Bergmassiv des Vercors, Gebirgszügen der Chartreuse und der Belledonne. Das sorgt für ein unglaubliches Panorama. Im Winter ist Grenoble das Paradies für Ski-Fahrer, im Sommer kann man die Berge wunderbar bei einer Wanderung erkunden. Nun befinde ich mich mitten im Zentrum der sportlichen Aktivitäten und bin bereit, mich mitreißen zu lassen.
Die Angst vor der Einsamkeit
Vor meiner Ankunft fürchtete ich mich sehr davor, mich einsam zu fühlen, weil ich mein Studium erst im Februar beginnen würde. Glücklicherweise war diese Angst völlig unbegründet. In Grenoble gibt es einen studentischen Verein namens IntEGre, der die Austauschstudenten an die Hand nimmt und Kennenlern-Veranstaltungen organisiert. Gleich am Tag meiner Ankunft gab es eine dieser Veranstaltungen im Rahmen einer Stadterkundungstour, die ich nutzte, um die Umgebung und andere Studenten kennenzulernen.
In der ersten Woche gab es auch noch eine Campus-Tour, eine Kneipen-Tour, eine Wanderung und eine Erkundungstour nach Lyon. Diese Veranstaltungen halfen mir, andere Austauschstudenten kennenzulernen, und sie gaben meinen Tagen eine abwechslungsreiche Struktur. Außerdem halfen mir solche Aktivitäten, Kontakt zu französischen Studenten zu bekommen, die meine Fragen beantworten und mir mit Ihrem Know-how helfen konnten.
Verloren im Bürokratiedschungel
An meinen ersten Tagen sorgte die für mich bis dato unbekannte Bürokratie Frankreichs für Chaos. Auch wenn ich bereits aus einem sehr bürokratischen Land komme, in dem nichts ohne Unterschrift mit Stempel oder Urkunde funktioniert, fühlte ich mich von dem Papierkram überwältigt. Sowohl vom Wohnheim als auch von der medizinischen Fakultät hatte ich vor meiner Ankunft die Anweisung bekommen, diverse Unterlagen ausgedruckt und ausgefüllt zum ersten Termin mitzubringen. Deshalb kam ich bereits mit zwei gut gefüllten Schnellheftern in Frankreich an.
Darin enthalten waren mehrere medizinisch relevante Unterlagen, um in den Krankenhäusern meine Praktika machen zu dürfen. Außerdem Dutzende Dokumente, die mit Regelungen und Auflagen zum Wohnen im Wohnheim zu tun hatten sowie mehrere Zeugnisse, Atteste und Urkunden. Schon in der ersten Woche musste ich einen dritten Schnellhefter anlegen, weil ich zur Immatrikulation weitere Papiere erhielt, meine Praktikumsbescheide und –unterlagen ausdrucken und für mein Wohnheim eine zusätzliche Versicherung abschließen musste. Ein monatliches Abonnements für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel kam hinzu. Außerdem musste ich ein französisches Bankkonto eröffnen. Bei dem ganzen Papierkram den Überblick zu behalten, war gar nicht so einfach. Umso zufriedener war ich, als ich zu Beginn der zweiten Woche offiziell immatrikuliert war, mit dem Wohnheim alle Verträge abgeschlossen hatte, usw..
Eine Woche nur auf Achse
In der ersten Woche ging es für mich von einem Ort zum anderen, die Tage waren lang und die Nächte sehr kurz. Zeit zum Durchatmen blieb bei dem Umzugsstress, der Akklimatisierung, dem Kulturschock und dem Spagat zwischen Freizeitaktivitäten und den Wegen von Sekretariat zu Sekretariat kaum. Doch alle Austauschstudenten, die ich zu der Zeit kennenlernte, machten dasselbe durch. Die erste Woche war ein Hürdenlauf, aber auch ein großer Spaß. Am Ende schaffte es jeder, sich durch die Bürokratie zu kämpfen und Freunde zu finden. Da Grenoble eine Studentenstadt ist, sind viele Büros auf Studentenanstürme vorbereitet, das zeigte sich an schneller Hilfe bei fehlenden Papieren, kurzen Wartezeiten für Termine und genügend Kapazitäten in den Anlaufstellen.
Alles auf Französisch
Die Menschen gingen sehr ruhig mit mir um und waren sehr geduldig, wenn ich mal ins Stottern kam. Ich war sehr positiv überrascht, wie bemüht die Leute waren, mir Zeit zum Französischsprechen zu geben. Online-Wörterbücher und Übersetzungs-Apps wurden meine besten Freunde, notfalls kam man mir auch mit ein wenig Englisch entgegen. Das Chaos mit der Bürokratie ebbte nach der ersten Woche langsam ab, die Freizeitveranstaltungen des studentischen Vereins hielten den ganzen Januar an. So lernte ich die Stadt und andere Austauschstudenten besser kennen. Eine sehr aufregende und stressige Zeit liegt hinter mir. Doch was wäre ein Abenteuer ohne einen Sprung ins kalte Wasser?
In den letzten Wochen ging es nicht nur für mich ins Ausland, sondern auch für andere Correspondents von studieren weltweit. Für Thea war es in Kaunas der Sprung ins kalte Wasser. Was genau das bedeutet, erfahrt ihr hier. Und falls ihr noch mehr über die Nachbarländer Deutschlands erfahren wollt, kommt ihr um Mias Blog nicht herum, denn sie berichtet für euch aus der Stadt Gent in Belgien. Interesse geweckt? Dann schau hier vorbei.