13. November 2017
Wer ins Ausland geht, möchte in der Regel auch Freundschaften schließen. Überraschenderweise haben jedoch die meisten Menschen im Ausland bereits Freunde und stehen daher nicht mit Pappschildern „Hi, I want to be your friend“ Schlange, um uns Austauschstudenten kennenzulernen. Freundschaften zu schließen erfordert also Eigeninitiative und den Willen auch mal etwas Neues auszuprobieren.
Geh nach Dänemark, haben sie gesagt. Lerne dänische Freunde kennen, haben sie gesagt. Dass die Dänen im ersten Moment eher reserviert sind, hat mir vor meiner Abreise allerdings niemand gesagt. Jetzt sitzt man also in Dänemark, möchte gerne ein paar dänische Freundschaften schließen und merkt: So einfach ist das gar nicht. Zunächst dachte ich, ich bilde mir das nur ein. Mittlerweile habe ich jedoch von einigen anderen Austauschstudenten Ähnliches vernommen – die Dänen wirken im ersten Moment etwas verschlossen.
Im Bus setzt man sich als Däne grundsätzlich nicht neben andere Leute – egal wie voll der Bus ist. Im Wohnheim grüßt man vorsichtshalber lieber mal nicht. Wenn man Fragen zur Vorlesung gestellt bekommt, antwortet man am besten nur mit einem knappen „Yes“ oder „No“. In Gruppendiskussionen wechselt man nach vier englischen Sätzen ins Dänische, damit die Diskussion flüssiger verläuft (dann eben ohne den Menschen, der kein dänisch spricht).
Dieses Verhalten kann im ersten Moment etwas einschüchternd wirken und es ist erst einmal bequemer, sich an die anderen Austauschstudenten zu halten – und hier kommt die riesen Überraschung: Die anderen Austauschstudenten sind zum Großteil auch aus Deutschland, super! Aber natürlich ist es nicht mein Ziel im Ausland noch mehr Deutsche kennenzulernen. Mittlerweile habe ich Leute aus allen möglichen Ländern kennengelernt und auch mit ein paar Einheimischen Freundschaften geschlossen. Das erfordert zwar etwas mehr Eigeninitiative, hilft aber sich im Ausland wohlzufühlen und ist schließlich auch irgendwie Sinn und Zweck eines Auslandsaufenthalts. Hinzu kommt, wenn man die Dänen erst einmal etwas besser kennenlernt, sind sie die herzlichsten Menschen. Aber wie lernt man denn nun nach der Orientierungswoche noch Leute kennen, wenn man die Sprache nicht spricht und sich allgemein nicht so richtig auskennt? Hier ein paar Ideen.
1. Sportvereine
Wer, wie meine Mitbewohnerin Julia, gerne Sport treibt, sollte gleich in den ersten Wochen die Augen und Ohren bei den Studentenmessen offen halten und über die einzelnen Sportangebote informieren. In der Regel kann man an jeder Sportart ohne Probleme teilnehmen, allerdings wird erwartet, dass man das entsprechende Equipment selbst organisiert (z.B. beim Fußball Stollenschuhe, Schienbeinschoner etc.). Wem das universitäre Angebot nicht gefällt, kann sich auch an den Aushängen rund um Wohnheime, an der Uni und auf Aarhus-Facebookseiten über weitere regionale Sportvereine informieren. Der Vorteil beim Sport; hier kommen viele verschiedene Leute zusammen und man kommt relativ unkompliziert ins Gespräch – teilweise werden auch gemeinsame Wochenendausflüge und Kochabende organisiert. Neben dem klassischen Mannschaftssport gibt es auch die Möglichkeit, einfach einem Fitnessstudio oder Crossfitclub beizutreten, allerdings bleiben die Leute dort eher für sich. Daher ist das nach meiner Einschätzung zwar super für die körperliche Betätigung, jedoch weniger geeignet um Menschen kennenzulernen.
2. Freiwilliges Engagement und soziale Projekte
In den ersten Wochen wurde auf einer Uni-Messe ebenfalls verschiedene soziale Projekte und kulturelle Vereine vorgestellt. Hier habe ich das Projekt Food Film Festival entdeckt und mich direkt eingeschrieben. Es findet jedes Jahr statt und dreht sich rund um das Thema Essen in Filmen. Dabei wird das gesamte Projekt von einer Person mit Hilfe vieler Freiwilliger organisiert. Das Schöne daran, man lernt schon im Vorfeld die anderen Helfer kennen und kocht zusammen oder sieht sich die Filme an. Während des Festivals lernt man teilweise die Gäste in Diskussionsrunden oder auch die Regisseure der Filme besser kennen. Über das Food Film Festival bin ich auch auf Godsbanen gestoßen. Hier finden alle möglichen sozialen Projekte statt (von Permakultur bis hin zu Rethink Human Being). Jedes dieser Projekte lebt von sozialem Engagement und guten Ideen. Das Engagement dort, ist daher eine sehr interessante und abwechslungsreiche Art, neue und andersdenkende Menschen kennen zu lernen. Wer also in Aarhus ist und sich auf irgendeine Art und Weise einbringen möchte, kann zu Godsbanen gehen, sich nach den verschiedenen Events und Projekten erkundigen und dort mithelfen.
3. Swap Language
Swap Language ist ein Projekt, das von Studenten der Uni Aarhus gegründet wurde. Dabei handelt es sich vorwiegend um eine Event-Reihe, an der man kostenlos teilnehmen kann. Über Facebook werden jeweils die Termine (in Aarhus bisher jeden Montag) bekannt gegeben und man trifft sich in einer Bar. Dort bekommt man ein Namensschild, auf dem man angibt welche Sprachen man spricht und welche Sprachen man gerne lernen oder verbessern möchte. Daraufhin kommt man mit den anderen Gästen ins Gespräch und lernt so nicht nur Menschen kennen, sondern auch mehr über verschiedene Sprachen und Kulturen. Die Idee hinter dem Konzept ist sehr simpel und funktioniert daher auch so gut. Zudem handeln die Organisatoren von Swap Language gute Angebote mit der Bar aus und das Bier ist somit etwas günstiger. Bisher gibt es Swap Language in Aarhus und Kopenhagen, jedoch sollen die Events bald auch in anderen europäischen Städten stattfinden.
4. Aktivitäten im Wohnheim
Neben den Sportvereinen der Universität und den sozialen Projekten von Godsbanen, bieten in der Regel auch die Wohnheime diverse Clubs und Vereine an. So kann man sich in meinem Wohnheim beispielsweise dem Event-Team, dem Gartenbauverein, dem Strickclub oder einem Brauverein anschließen. Ich bin schließlich dem Brauverein beigetreten und habe dort sowohl ein paar nette Menschen kennengelernt aber vor allem auch gelernt, wie man Bier braut. Je nach Wohnheim gibt es die unterschiedlichsten Angebote. Es ist auf jeden Fall lohnend sich dort einmal zu erkundigen und etwas Neues auszuprobieren.
5. Study Groups
Während man in Deutschland meiner Erfahrung nach relativ individuell für Prüfungen lernt und dies vor allem in letzter Minute erledigt, findet die Prüfungsvorbereitung in Dänemark in Gruppen und auch schon während des Semesters statt. Ich persönlich bin es gewohnt nach der Uni einfach heimzugehen oder mich mit Freunden auf einen Kaffee zu treffen. Hier verabredet man sich nach der Vorlesung, um gemeinsam seine Uni-Texte zu lesen. Leider habe ich erst nach ein paar Wochen realisiert, dass man sich nach der Uni mit seiner Study Group trifft. Allen, die zukünftig hier studieren werden, empfehle ich jedoch sich gleich zu Beginn des Semesters bei den Kommilitonen nach Study Groups zu erkundigen und zusammen lesen zu gehen – oftmals wird im Anschluss noch ein Kaffee oder ein Bier gemeinsam getrunken.
6. Bier
Bier ist allgemein ein gutes Stichwort, wenn es darum geht Dänen kennenzulernen. Bisher habe ich tatsächlich noch keine Dänen getroffen, die sich einem Bier verweigert hätten. Daher, eine ganz simple Art Freunde zu finden: Einfach mal nach der Vorlesung auf ein paar Kommilitonen zugehen und nachfragen, ob man später noch zusammen ein „øl“ trinken gehen möchte. (Und sollten wirklich alle Stricke reißen, gibt es immer noch Apps wie Tinder oder Bumble – wobei sich nach eigener Feldstudie maximal 1% der Menschen auf diesen Portalen tatsächlich nur auf ein freundschaftliches Bier treffen möchten.)