10. Februar 2023
Ich muss zugeben, einen unbeschwerten Start in mein Erasmus-Auslandssemester hatte ich nicht. Pub-Abende, Gruppenausflüge und Städtetrips, ein lockeres Ankommen an der neuen Uni – das hat am Anfang noch nicht so funktioniert wie erhofft. Durch meine übrigen Prüfungen, die ich noch für meine Heimatuni absolvieren muss, konnte ich nicht so unbeschwert in Belfast ankommen. Rückblickend hätte ich das anders geplant. Damit es euch in eurem Auslandsaufenthalt nicht so geht wie mir, will ich euch meinen Ratschlag mitgeben.
Seit Anfang Januar bin ich in Belfast und studiere an der Queen’s University. Hier beginnt das Semester Mitte Januar und endet Anfang Juni. Der Rhythmus von Sommer- und Wintersemester an meiner Münchner Universität ist dadurch überhaupt nicht kompatibel mit dem Rhythmus meiner Gastuniversität. Ich bin mitten im Wintersemester aus München abgereist und starte in Belfast in das „Sommer“semester. Während sich in München das Wintersemester jetzt langsam dem Ende neigt, bedeutet das vor allem eins: Die Prüfungszeit erreicht ihre Hochphase. Hier in Belfast will ich voller Neugier und Unternehmungslust die Stadt und das Land entdecken – müsste aber gleichzeitig für die Prüfungen in München büffeln. Würde ich jede Prüfung aus München durchziehen, so hätte ich jetzt drei Online-Klausuren und zwei Hausarbeiten. Das ist eigentlich ein durchschnittliches Pensum für ein Soziologie-Semester in Vollzeit an meiner Uni. Aber ihr könnt euch vorstellen, dass das mit einem sich überschneidenden Auslandssemester einfach nicht funktioniert. Ich war sehr optimistisch am Anfang meines Wintersemesters. „Ich arbeite für die Hausarbeiten einfach vor, bevor es nach Belfast geht“, habe ich ernsthaft zu mir selbst gesagt. Was mich aber am meisten beschäftigt hat, bevor ich abgereist bin: der Auszug aus meiner Wohnung.
Nach dem Umzugsstress ist vor dem Prüfungsstress
Viele vermieten ihr Zimmer unter, für die Zeit im Ausland. Das ist sicherlich auch nicht komplett stressfrei. Da meine Mitbewohnerin aber auch ausziehen wollte, war es sinnvoller die Wohnung komplett aufzugeben. So war es nicht nur ein Auszug, sondern eine komplette WG-Auflösung: Ausmisten, Sachen sortieren, Möbel loswerden, bis die Wohnung leer genug ist, um sie zu streichen und zu putzen. Den ganzen Stress musste ich erstmal hinter mir lassen, bevor ich mit meinen übrig gebliebenen Taschen aufgebrochen bin.
Und plötzlich sitze ich in Belfast und war erstmal ganz auf mich allein gestellt. Auf einmal ist alles neu und vieles noch ungewohnt und unbekannt. Wo und was kaufe ich ein, wo bekomme ich Hilfe, wie finde ich den Weg zu meinen Vorlesungen, welche Events besuche ich, wo sind gute Lernplätze, wo wasche ich meine Wäsche – all das muss erstmal wieder ein No-Brainer werden. Gleichzeitig habe ich mich selbst dazu gedrängt, mich mit dem Ankommen im neuen Land zu beeilen. Ich wollte möglichst schnell den Kopf frei haben für die Klausurvorbereitung. Ich wollte mich schnell orientieren können. Und ich wollte von Anfang an sicher entscheiden, wann ich was und wo mache. Diese Anforderungen an mich haben mich ganz schön zerrissen. Das Resultat davon war, dass ich dauerhaft enttäuscht von mir selbst war. Noch dazu kommt eine Prise Heimweh, denn „Zuhause war (vermeintlich) alles einfacher“.
Alles braucht seine Zeit – Neue Entscheidungen auch
Doch ich fühle mich an meinem neuen Wohnort im Studentenwohnheim, dem Elms Village, inzwischen sehr wohl. Mit Fotos an den Wänden, den Kleidern im Schrank und ausgeleerten Koffern, ist das neue Zimmer zum neuen Zuhause geworden. Der Weg zur Uni ist vertraut. Die Menschen, die mir im Alltag begegnen sind bekannt oder werden langsam zu Freund:innen.
Sich von meinen Erwartungen loszulösen und es so nehmen wie es kommt, hat Zeit gebraucht. Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die sich in ihren ersten Tagen am neuen Ort abwechselnd etwas hilflos, allein und dann wieder stolz und aktiv fühlt. Es hat etwa drei Wochen gebraucht, um mich zurecht zu finden. Ich musste mir neu bewusst werden was mir für die Zeit in Belfast wichtig ist. Dazu gehört auch herauszufinden mit welchen Menschen ich mich wohlfühle und wo ich meine Zeit gern verbringe.
Ich habe nochmal neu entscheiden müssen an welchen Prüfungen für München ich wirklich teilnehmen sollte. Dazu habe ich erneut überlegen müssen, wie sich zukünftig mein Studienplan an die verpassten Prüfungen anpassen lässt. Als ich erfahren habe, dass ich an meiner Gastuniversität in Belfast im Februar auch schon erste Prüfungsleistungen ablegen muss, fiel es mir leichter zu merken, was ich an Kapazität für Prüfungen habe. Jetzt schreibe ich nur eine Hausarbeit für München und den Rest werde ich anders in meinen Studienverlauf einbinden müssen.
Was ich anders gemacht hätte
Eines hätte ich anders gemacht: Ich hätte einfach von Anfang an kein Semester normal belegen sollen. Stattdessen hätte ich ein Urlaubssemester vor meinem Erasmussemester nehmen und arbeiten sollen. Das hätte mir Prüfungsstress und finanziellen Stress erspart, den ich auch noch in meiner Vorbereitungszeit hatte (zu meinen Finanzen werde ich auch noch einiges thematisieren – versprochen 😉).
Zu meiner Verteidigung, ich hatte diese kluge Planung auf dem Schirm. Aber ich wollte unbedingt diese Prüfungsleistungen abliefern, damit mein Studium endlich mal einen Abschluss findet. Tja, jetzt wird trotzdem ein sehr volles Semester vor mir liegen, wenn ich zurück in München bin. Eventuell wird mein Studium ein Semester länger dauern. Das ist bei Studienverläufen mit Erasmus nichts Ungewöhnliches. Das muss einem Klaren sein, wenn ein Auslandsaufenthalt geplant wird. Für alle, die so eine Entscheidung noch vor sich haben, hier nochmal mein konkreter Tipp dazu:
Prüfe rechtzeitig, ob sich Semesterzeiten von Heim- und Gastuniversität überschneiden. Versuche dich reinzuversetzen, was das für Deinen Studienverlauf bedeutet, kläre was für Optionen und welche realistischen(!) Kapazitäten du dafür hast.
Eventuell macht es bei großen Überschneidungen auch für dich Sinn ein Urlaubssemester vor oder nach dem Auslandsaufenthalt zu planen. Im Nachhinein hätte ich mir gern darüber mehr Gedanken gemacht. Deswegen hoffe ich, dass dir meine Erfahrung hilft, falls du vor ähnlichen Entscheidungen stehst.
Wir lesen uns bald wieder 😊
Cheers,
Lane
Fragen oder eure Gedanken dazu sind hier in den Kommentaren willkommen!
Falls ihr noch einen weiteren Erfahrungsbericht dazu lesen wollt: Nora hatte genau dasselbe Problem in ihrem Erasmussemester in Norwegen. Sie hat nochmal andere Tipps für euch, wie man mit zwei Semestern umgehen kann.