22. Oktober 2019
Meine letzte Woche in Kampala bricht an – Zeit für eine kurze Reflexion. Was habe ich eigentlich in den letzten drei Monaten gelernt?
1. Geduld haben
Das wird meine Mutter freuen: Ich bin nicht gerade bekannt dafür, ein besonders geduldiger Mensch zu sein. Das ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung für einen Aufenthalt in einem Land, wo das Konzept der „African time“ gang und gebe ist. Das Essen kommt 90 Minuten später als bestellt? African time. Der Journal Club startet 45 Minuten nach der angegebenen Uhrzeit? African time. Die ugandischen Freunde treffen eine halbe Stunde nach der verabredeten Uhrzeit ein? African time.
Was ich für ein Klischee gehalten habe, hat sich in dem Fall doch bewahrheitet: Der Umgang mit festen Zeiten ist deutlich lockerer als bei uns. Das hat mich am Anfang regelmäßig an den Rand des Wahnsinns gebracht, aber nun lockt es mir nur noch ein müdes Schulterzucken hervor. Mittlerweile habe ich immer ein Buch zur Hand, um die Wartezeit zu überbrücken, und träume von der altbewährten deutschen Pünktlichkeit.
2. Freundlich sein kostet nichts …
… verbessert aber die Laune. Es hat mich am Anfang ein bisschen verwirrt, aber mittlerweile habe ich diese Eigenheit sehr lieb gewonnen: Man nimmt sich vor Ort gerne viel Zeit für Höflichkeiten. So wird grundsätzlich jeder vom Taxifahrer bis hin zur Verkäuferin gegrüßt und gefragt, wie es ihm geht. Auch bei der Arbeit wird sich regelmäßig, nach seinem Gegenüber erkundigt und viel Rücksicht aufeinander genommen. Das hat mich am Anfang ein bisschen ins Schwitzen gebracht, weil ich mir viele der Höflichkeitsformulierungen erst einmal angewöhnen musste. Aber mit viel Schmunzeln haben mir meine Kolleginnen zum Glück erfolgreich Nachhilfe geben können.
3. Von meinen Erwartungen lösen
Als ich mein Praktikum begonnen habe, hatte ich bestimmte Erwartungen daran, wie es verlaufen wird und was die Inhalte sein werden. Wie so häufig kam es am Ende ganz anders. Das lag daran, dass in Uganda nicht unbedingt dasselbe unter einem Praxisaufenthalt verstanden wird wie in Deutschland. Ein Gespräch mit einer ugandischen Studentin hat mir dabei geholfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Dadurch konnte ich besser nachvollziehen, aus welchem Blickwinkel meine Betreuerin das Praktikum betrachtet und meine eigenen Ansprüche ad acta legen.
4. Auf mein Bauchgefühl hören
Ich bin eigentlich ein eher kopflastiger Mensch, was die Denkweise angeht. In den letzten drei Monaten habe ich trotzdem mehr und mehr gelernt, mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Gerade im Hinblick auf die Sicherheitslage war es mir ein guter Ratgeber. Wenn ich in Situationen ein ungutes Gefühl gehabt hatte, habe ich sie verlassen, ohne aus rationaler Sicht für einen Grund für mein Empfinden zu suchen. Im Nachhinein hatte sich dieser Impuls meistens als richtig herausgestellt. Auch im Kontakt mit Patienten war es dieser Wegweiser, auf den ich mich über kulturelle Differenzen hinweg verlassen konnte.
5. Ein Leben ohne Chapati ist möglich, aber sinnlos!
Chapati, das sind dünne Teigfladen aus Weizenmehl, Salz und Wasser, die in Öl ausgebacken werden. Sie waren die letzten drei Monate quasi mein Lebenselixier. Morgens zum Obstsalat begleiten sie mein Frühstück, mittags wickelt man sie um ein Omelette und zaubert damit Rolex, und abends schneidet man sie in kleine Stücke und serviert sie mit Bohnen und Avocado als Kikomando. Meinen hiesigen Chapati-Verkäufer habe ich teilweise dreimal täglich gesehen, weil die kleinen Teigfladen wirklich unglaublich lecker sind. Ob ich das in Deutschland selber backen kann? Ich werde es probieren und dann berichten!