28. April 2019
Die typischen mexikanischen Stereotypen, die ich kannte, bevor ich hierher gekommen bin, waren, dass hier alle immer Tacos essen und dass alles sehr entspannt ist. Was ich allerdings nie gehört habe, dass Mexikaner*innen so gastfreundlich sind, wie ich es am vergangenen Wochenende erlebt habe.
Hier in Mexiko (und auch in anderen spanischsprachigen Ländern, wie zum Beispiel Spanien) war letzte Woche Semana Santa, die letzte Trauerwoche vor dem Osterfest. Das heißt für Schüler und Studenten, dass sie Ferien haben. Ich allerdings hatte nur die offiziellen Feiertage am Donnerstag und Freitag frei. Trotzdem genug Zeit, um der Einladung meines Arbeitskollegen zu folgen und mit ihm und seiner Familie das verlängerte Wochenende in Puebla, einer 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt circa zwei Stunden von Mexiko-Stadt entfernt, zu feiern. Zuerst hat mich diese Einladung überrascht und ein bisschen verwirrt, da ich mit diesem Arbeitskollegen noch nicht so viel zu tun hatte. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob diese Einladung ernst gemeint war oder es hier in Mexiko vielleicht eher üblich ist, aus Höflichkeit Leute einzuladen, weil diese die Einladung eh nicht annehmen. Ich dachte mir aber, dass ich sowieso mal eine Auszeit aus diesem riesigen Moloch namens Mexiko-Stadt brauche und bin deshalb am Freitag der Einladung gefolgt und nach Puebla gefahren.
Semana Santa – Zeit für Familie
Aus dem Bus ausgestiegen, wurde ich dann von meinem Arbeitskollegen in einem viel zu kleinen Auto abgeholt. Der Rest der Familie hatte sich nämlich bereits zu viert (Mama, Papa, Bruder, Schwester) auf die Rückbank gequetscht, um dem Gast (mir) auf dem Beifahrersitz Platz zu machen. Dann sind wir direkt frühstücken gefahren, um dort die weitere Familie, also Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins kennenzulernen. Die Familie hat gekocht und ich durfte/sollte viele verschiedene typisch mexikanische Gerichte probieren. Mole Poblano zum Beispiel, eine Art Soße aus vielen verschieden Chili-Sorten mit Schokolade, die dann einfach über Tortillas gekippt wird. Auch Tamales durfte ich probieren, eine in Pflanzenblättern gedampfte Masse aus Chilis, Käse, Fleisch, oder auch Früchten, das alles kann dann noch in ein Brötchen gestopft werden. Schmeckt auf jeden Fall besser als es klingt! Auch darauf, dass ich Vegetarier bin und keine Tiere (nein, auch kein Hühnchen und keinen Fisch) esse, haben die Familienangehörigen total nett und interessiert reagiert.
Wie man Teil einer Familie wird, die nicht die „eigene“ ist
Das ganze Wochenende über wurde ich als Teil der Familie behandelt. Das war für mich eine außergewöhnliche Erfahrung, weil sie mich direkt aufgenommen haben. Die Gastfreundschaft und die Selbstverständlichkeit, mit der mir diese entgegengebracht wurde, war unglaublich toll. Apropos Gastfreundschaft: Bis auf ein Mal, als ich sehr lange darauf bestanden habe, das Bier zu bezahlen, hat mir die Familie alles ausgegeben und zwar ohne mit der Wimper zu zucken.
Natürlich kann ich nicht für ganz Mexiko sprechen, aber ich wurde in einer Zeit, die man hier traditionell mit der Familie verbringt, direkt aufgenommen und habe mich integriert gefühlt. Vor allem, weil ich keines der Familienmitglieder länger als eine Woche kannte. Genau diese Gastfreundschaft habe ich noch nirgendwo anders erlebt und deshalb ist das für mich etwas Besonderes, das einen eigenen Beitrag verdient.