4. Januar 2024
Ein Studium garantiert nicht automatisch ein besonders hohes Einkommen. Dennoch zeigt die Praxis, dass Kinder aus Akademikerhaushalten weniger das Ende des Monats fürchten müssen als Kinder aus Nichtakademikerhaushalten.
BAföG ist die Abkürzung für „Bundesausbildungsförderungsgesetzt„, das die staatliche Unterstützung der Ausbildung von Schüler*innen und Student*innen regelt. „Ich bekomme BAföG“ heißt in der Umgangssprache also, dass „ich“ eine monatliche finanzielle Unterstützung vom Staat bekomme, die ich am Ende meiner Ausbildung zinslos zurückzahlen muss.
Da liegt er: Mein BAföG-Bescheid. Am Ende des Studiums listet er mir auf, wie viel Geld ich ab 2027 zurückzahlen muss. Es sind knapp 14.500 Euro die mein Konto im Minus ist, noch bevor ich einen einzigen Tag im Berufsleben angekommen bin. Um den Schuldenberg begrenzt zu halten, sieht das BAföG einen Rückzahlungshöchstbertrag von 10.010 Euro vor. Dies bedeutet, dass niemand, der BAföG bezieht, mehr zurückzahlen muss als diesen Betrag, auch wenn die eigentliche Förderung höher war. Dennoch: bei Freunden von mir beträgt diese Zahl genau 0 Euro, denn sie konnten sich mit dem Unterhalt der Eltern und einem kleinen Nebenjob gut über Wasser halten.
Die Eltern dieser Freunde haben meist studiert. Meine Eltern sind ein Konditormeister und eine gelernte Konditoreifachverkäuferin. Es ist bereits eine beinahe unmögliche Aufgabe, ihr eigenes Konto im Plus zu behalten. Für ihre Kinder bleibt nicht mehr viel übrig. Das Ende jeden Monats ist mit Bangen verbunden: Reicht das Geld noch bis zum Ende? Kann ich genug Geld zur Seite legen, um mir nächstes Semester die Studiengebühren und das Semesterticket leisten zu können? Dass ich drei Hausarbeiten in den Semesterferien schreiben muss, kommt mir gelegen, denn für Urlaub ist kein Geld da. Hoffentlich reicht es jedoch für ein Zugticket nach Hause, um meine Familie zu besuchen.
Informationen zum Einkommen von Akademiker*innen sind vielzählig und oft ungeordnet. Einen kleinen Einblick in die Debatte erlaubt ein Artikel der Süddeutschen Zeitung aus 2022.
Ein ungleicher Start
Mein Studium ist nun seit zwei Jahren beendet und ich befinde mich in meinem zweiten Jahr als Doktorand. In drei Jahren werde ich anfangen müssen, meine BAföG-Schulden monatlich und angepasst an mein Monatseinkommen zu begleichen. Würde ich nun schon Vollzeit arbeiten oder in einer Naturwissenschaft promovieren (denn hier werden Promovierende oftmals zu 100 Prozent in Projekten angestellt, während es in den Geisteswissenschaften meist noch 50-Prozent-Stellen, wie bei mir, oder mit Glück 65-Prozent-Stellen sind), könnte ich schon anfangen, Geld zur Seite zu legen. Das hätte folgenden Vorteil: Ein paar Jahre nach dem Beenden des Studiums wird sich das BAföG-Amt bei mir melden und ein Angebot unterbreiten: Bin ich in der finanziellen Lage, meine Schulden auf einmal und nicht in Raten zu bezahlen, erlässt man mir etwa einen gewissen Teil der Schulden. Es bleiben also noch um die 8.000 Euro, die anzusparen mit einem halben Gehalt in einer Universitäts- oder Großstadtstadt jedoch nicht immer so leicht ist, will man nicht auf das Leben verzichten. Denkt man allein an die Mieten in München, Frankfurt oder Hamburg, weiß man, dass große Sparbeträge nur schwer möglich sind.
Schlimmer geht immer
Dies bedeutet nun zweierlei: Zum einen bin ich aus einem Nichtakademikerhaushalt finanziell benachteiligt, weil die Bedingungen für einen Studienabschluss das Machen von Schulden und eine gewisse Existenzangst sind – ein ständiger psychischer Druck. Zum anderen werde ich mehr Geld zurückzahlen müssen als jene, die nach ihrem Studium teils doppelt so viel verdienen wie ich.
Doch muss ich auch betonen, dass es manche Studierende noch schlimmer trifft, besonders dann, wenn sie keinen Anspruch auf BAföG haben. Dies kann daran liegen, dass die Eltern zu viel verdienen, um einen BAföG-Anspruch des Kindes zu rechtfertigen. Das Problem bei dieser Argumentation ist jedoch häufig, dass die Eltern in der Theorie genug Geld verdienen, sie jedoch darauf angewiesen sind, das Geld anderweitig zu investieren. Auf der anderen Seite gibt es Eltern, die ihren Kindern die Unterstützung schlichtweg verweigern. Die einzige Möglichkeit in dieser Situation besteht dann darin, die eigenen Eltern zu verklagen. Wer diese Option nicht wählen will, muss entweder einen Studienkredit mit hohen Zinsen aufnehmen oder neben dem Studium jobben, wodurch sich Studienleistungen verschlechtern und sich das Studium verlängert.
Noch nicht das Ende…
In meinem ersten Beitrag zu diesem Thema habe ich kritisiert, dass der Fokus in der Debatte oft auf Unsicherheiten von Nichtakademikern im Unialltag (besonders bei Studienanfängern) gelegt wird. Viel gravierender sind meines Erachtens jedoch finanzielle Unterschiede, die das Studium beeinflussen oder ein Studium nicht einmal zulassen. Immer wieder fällt an dieser Stelle in der Diskussion die Frage: „Aber muss denn jeder studieren?“ Meine Antwort darauf lautet dann: Nein, es muss nicht jeder an die Uni gehen. Aber jeder sollte die Möglichkeit dazu haben, ganz unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Neben der finanziellen Ungleichheit kommen natürlich auch noch Faktoren wie das Netzwerk von Kindern aus Akademikerhaushalten hinzu. Wer kann eher einen Kontakt zum Verlag für ein Praktikum herstellen: Der Vater, der Berufspolitiker der Stadt ist oder der Konditormeister? Aber dazu vielleicht mehr an anderer Stelle…
Weitere Perspektiven
Wer nicht nur von meiner Erfahrung hören möchte, dem empfehle ich den Beitrag von Tobi, der mit seinem Medizinstudium als erster einen akademischen Weg in der Familie eingeschlagen hat. Oder lest Leroys Blog, in dem ihr viele hilfreiche weiterführende Links findet, die euch über das Thema „Erstakademiker*innen“ informieren. Darunter einige Infos direkt vom DAAD.