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Gerade nochmal gut gegangen

In diesem Beitrag erzähle ich euch von einem Nachmittagsausflug in die südchinesische Metropole Shenzhen. Eine Reise, gekennzeichnet durch ungeheure Naivität, die mich beinahe für eine Nacht obdachlos im bevölkerungsreichsten Land der Welt gemacht hätte – und das alles nur für ein Fußballspiel.

Back again

Im Spätsommer 2019 bin ich bereits einmal für drei Wochen mit einem meiner besten Freunde in das Reich der Mitte gereist. Damals hatten wir eine kleine Asienreise geplant, in der wir Aufenthalte in China, Taiwan und Südkorea miteinander verbunden haben. Wir besuchten Metropolen wie Shanghai oder Nanjing, wanderten auf der Chinesischen Mauer und bestaunten die Verbotene Stadt von Peking.

Man könnte also meinen ich hätte genug in China gesehen, aber eine Sache fehlte mir da noch: Ein Fußballspiel. Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, bin ich ein ziemlich großer Fußballfan. Ich kenne jede noch so absurde Statistik, weiß im Grunde immer, wo gerade der Ball rollt und wer beispielsweise in der zweiten Liga Papua-Neuguineas um den Abstieg kämpft. Ich liebe es zu reisen und mir dabei Fußballspiele auf der ganzen Welt anzuschauen und bin demnach natürlich stets daran interessiert, meine Anzahl an sogenannten Länderpunkten auszubauen. Dementsprechend hatte ich mit China noch eine Rechnung offen.

China beschließt Einreiseerleichterungen

Bis zum Dezember 2023 musste jeder Einreisende noch ein kompliziertes und kostspieliges Visaverfahren durchführen. Ich fuhr damals zur Botschaft nach Berlin, fertigte im Vorfeld spezielle Passbilder an und taktete meine Reise komplett durch, jede Unterkunft musste bestätigt und gesichert sein. Ich habe mich ziemlich eingeengt gefühlt, da man nicht mal eben eine spontane Reise tätigen konnte. Glücklicherweise wurden diese Einreisebestimmungen im letzten Jahr gelockert, wie ich euch im folgenden Infokästchen dargestellt habe.

Neue Einreisebestimmungen Chinas bis 2025

  • Aufenthalt bis zu 15 Tagen ohne Visum
  • Keine Corona-Testpflicht
  • Bei längerem Aufenthalt: Visum ohne Terminvereinbarung möglich

Während ich ein Wochenende in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong verbrachte, entschloss ich mich also zu einem erneuten Abstecher nach China. Auch oder gerade wegen der auf den ersten Blick vermeintlich problemlosen Einreise.

Rucksack auf und los

Reisepass an der Grenze
Mit dem Reisepass und der ausgefüllten Ankuftskarte gings über die Grenze.

Natürlich hab ich mir das alles viel einfacher vorgestellt, als es letztlich war. Drei Stunden vor Anpfiff des Erstligaspiel von Shenzhen Peng City FC fuhr ich aus dem Stadtzentrum Hongkongs mit der MTR East Rail Line zur End- und Grenzstation Lok Ma Chau. Dem chinesischen Grenzbeamten gegenüberstehend, wurde es dann zum ersten Mal etwas komplizierter. Er tat sich nicht so ganz einfach mit der Tatsache, dass ein deutscher Student, wohnhaft in Japan, über den Landweg nach China einreisen möchte. Außerdem konnte ich weder eine Unterkunft, noch irgendwelche Kontakte im Land vorweisen. Ich wollte einfach nur für ein Fußballspiel und bisschen Sightseeing passieren , was für ihn völlig unverständlich erschien. Zudem wollte ich direkt nach dem Spiel zurück nach Hongkong in mein Airbnb.


Diese Art von Tourismus war offensichtlich neu für den armen Mann, er zitierte schließlich einige Kollegen zu sich, um zu analysieren, ob man mir denn Glauben schenken könnte und ich nicht illegal im Land bleiben wollte.
Nach längerer Diskussion wurde ich freundlicherweise hinein gelassen. Ich wechselte etwas Geld und fuhr mit der Bahn in den Stadtbezirk Bao’an, wo das Spiel in einer guten Stunde stattfinden sollte. Selbstverständlich hatte ich kein Ticket für das Spiel im Vorfeld gebucht und ehrlich gesagt, habe ich auch definitiv damit gerechnet, dass meine kleines Himmelfahrtskommando ohnehin ein verfrühtes Ende finden würde.

Kein Google, (k)ein Problem

In China ist Google gesetzlich verboten und funktioniert nicht, ebenso wie Instagram, Whatsapp, Google Maps oder was einem auch sonst im Alltag so weiterhelfen könnte. All diese Funktionen werden über die Internetdienste Baidu oder WeChat geregelt, jedoch teilweise komplett auf Chinesisch. Da die Mehrheit der Bevölkerung kein Englisch spricht, schlug ich mich mit Händen und Füßen durch und schaffte es tatsächlich zum Bao’an Stadium, wo ich bei leichtem Regen 20 Minuten nach Anpfiff der Partie Shenzhen Peng City FC gegen Qingdao Hainiu FC ankam. Ich erfuhr, dass es Tickets nur im Vorverkauf oder auf WeChat gab, worüber ich offensichtlich nicht verfügte. Doch wie es der Zufall wollte, traf ich eine junge Familie, die ein Ticket über hatte und es mir schenkte.

Eintritt zum Fußballspiel
Meine Rettung: Nach langer Überzeugungsarbeit durch die freundliche Frau im Hintergrund ließ sich der Kontrolleur dazu hinreißen, meinen Reisepass zu kontrollieren und mir den Zutritt zu gewähren.

Ich fühlte mich bei den Einlasskontrollen etwas unerwünscht, da man mein Ticket nicht personalisieren wollte ohne chinesischen Ausweis. Zum Glück verhielt sich die Familie sehr hartnäckig und kämpfte dafür, dass ich das Spiel mit ihnen zusammen schauen konnte, obwohl bereits 30 Minuten gespielt waren und sie sicherlich auch nicht länger draußen stehen wollten. Als wir endlich ins Stadion durften, stand es bereits 0:3 für die Gastmannschaft. Für mich war das allerdings mehr als nebensächlich, schließlich hatte ich es trotz aller Strapazen ins Stadion geschafft und mein Ziel somit erreicht.

Während des Spiels wurden die Regenfälle zunehmend stärker. Es gab schließlich drei Unterbrechungen, Ordner schippten Wasser vom Feld und ich machte mir langsam Gedanken wann und wie ich eigentlich zurück nach Hongkong müsste. Einen Fahrplan der Bahn hatte ich nicht und durch die lange Regenpause wurde es immer später.

Starke Regenfälle führten zur Spielunterbrechung.

Nach dem Wiederanpfiff entwickelte sich ein Fußballspiel, das etwas an Strandfußball oder gar die Wasserschlacht von Frankfurt erinnerte. Es gab keine flachen Pässe mehr, der Ball wurde nur noch hoch „gelupft“ oder ganz gekonnt mit der Pike getreten und es gab saftige Grätschen, welche die Spieler 15 Meter durch den Matsch gleiten ließen. Das Spiel plätscherte wie der Regen dahin und endete schließlich mit 1:3.

Ramen und Bier, das erspare dir

Nach dem Abpfiff begab ich mich zügig auf den Heimweg. Da ich noch 80 CN¥ (Renminbi Yuan), also umgerechnet 10 Euro in chinesischer Währung im Portemonnaie hatte, holte ich mir in der Nähe des Bahnhofs noch etwas Proviant für den Heimweg. Ich freute mich auf eine üppige Portion Ramen und ein Bier und lief entspannt und zufrieden zurück zum Bahnhof. Dort angekommen merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte. Die Türen waren mit Ketten abgesperrt und als ich probierte trotzdem hineinzukommen, rannte plötzlich eine Frau auf mich zu, schrie mich auf Chinesisch an und deutete dabei mehrfach auf ihre Uhr und ein unscheinbares Schild am Haupteingang. Es war 22:33 Uhr und der Bahnhof schloss um 22:30 Uhr.
Ich wurde panisch, irrte am Bahnhofsvorplatz umher und versuchte vergebens noch irgendwie hineinzukommen. Ich Trottel hatte also meinen letzten Zug um drei Minuten verpasst, stand wie ein begossener Pudel bei strömendem Regen, ohne Aussicht auf eine Bleibe in der drittgrößten Stadt Chinas, mit Ramen und einer Flasche Bier in der Hand am Bahnhof und überlegte, wie ich aus dieser Situation entkommen konnte.

Mit dem Taxi über die Grenze


Die Frau mit der Uhr führte mich zu einem Taxifahrer, der bereit war mich für umgerechnet 5 Euro zur Autobahngrenze zu bringen, mir war nicht ganz wohl bei der Sache, aber ich hatte einfach keine andere Wahl. Am Grenzübergang angekommen wartete ein Großraumtaxi, in dem fünf zwielichtige Männer saßen und mich beobachteten, wie ich mit dem Taxifahrer verhandelte. Mich plagte dabei dieses ungute Gefühl, gleich richtig mies übers Ohr gehauen zu werden.
In meinem Portemonnaie herrschte Ebbe, ich hatte drei Währungen, aber von keiner genug und eine Kreditkarte akzeptierte der Fahrer nicht. Ich fühlte mich extrem unwohl dabei, wohl wissend, dass der Taxifahrer meine Situation kannte und wusste, wie sehr ich auf ihn angewiesen war. Schlussendlich zahlte ich ihm umgerechnet 60 Euro in den Währungen Hongkongs und Japans und setzte mich ins Taxi. Bei den anfänglich zwielichtig wirkenden Männern im Taxi handelte es sich um indische Touristen, die während der einstündigen Fahrt einiges an traditioneller indischer Musik zum Besten gaben. Sie sangen ununterbrochen und gingen mir damit unheimlich auf die Nerven. Ich war mir zudem nicht ganz sicher, wie genau der Fahrer meine Adresse verstanden hatte und hoffte sehr, dass sich das alles noch gut ausgehen würde.

Ein anstrengender Tag, der mit einer kleinen indischen Liveperformance endet. Herz was willst du mehr?

Glücklicherweise funktionierte alles Weitere und ich wurde sicher an der Wohnungstür abgesetzt. Ich habe letztlich für eine Strecke von 45 Kilometern etwas mehr als 60 Euro bezahlt, was im Nachhinein verglichen mit deutschen Taxipreisen wohl absolut vertretbar ist.
Als ich wieder in meinem Airbnb in Hongkong ankam, machte ich drei Kreuze und ließ mir mein chinesisches Lunchpaket schmecken. Die Ramen waren wirklich sehr gut, auch wenn ich sie im Nachhinein lieber nicht gekauft und mir somit den ganzen Stress erspart hätte.

Welche Lehren ziehen wir daraus?

  • Visafreies Einreisen nach China funktioniert
  • Immer genügend Bargeld der jeweiligen Währung im Portmonee haben
  • Abfahrtspläne am Bahnhof checken
  • Notfalls auch mal hungrig ins Bett gehen
  • Sich mit notwendigen chinesischen App auseinanderzusetzen, kann nicht schaden

Trotz aller Probleme bin ich froh, diese Reise angetreten zu sein. Denn so hatte ich wieder eine ziemliche unperfekte aber spannende Geschichte, die ich euch zum Besten geben konnte und mich sicherlich noch lange an diesen Ausflug erinnern werde. In diesem Sinne verabschiede ich mich, bis ich wieder etwas Lustiges aus meinem Leben zu berichten habe.

Philipp

Kommentare
  1. Daveski

    28. Mai 2024

    Geiler Kunde, klingt wahnsinnig spannend, wenn man sich nicht das hätte, wäre, und könnte vor Augen führt.

    Pass weiterhin gut auf dich auf kleiner Bruder😘

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