24. Dezember 2020
Meine Wahlheimat Seoul ist eine der größten Metropolregionen der Welt. Ich bin in einer kleineren Stadt aufgewachsen und studiere in München, aber der Wunsch nach dem „richtigen“ Großstadtleben war schon immer da.
Ich weiß die Vorteile von einer familiäreren, überschaubareren Umgebung zu schätzen. Zum Studium bin ich nach München gezogen, was zwar die drittgrößte Stadt Deutschlands ist, aber nach vier Jahren dort habe ich mich auch an diese Größe gewöhnt. Viele fragen mich auch, ob es einem in so einer Megastadt wie Seoul manchmal nicht „zu viel“ wird. Warum ich gerade Seoul liebe:
1. Die Convenience
Eines der Wörter, das Seoul am besten beschreibt ist „convenient“ (deutsch: Bequemlichkeit). In München müssen Supermärkte nach 8 Uhr schließen und am Sonntag dürfen sie erst gar nicht öffnen, was ich oft als sehr unpraktisch und nervig empfunden habe. Das wäre hier undenkbar. Der Inbegriff von dieser „Convenience“ sind die koreanischen „Convenience-Stores“ , die 24 Stunden am Tag geöffnet sind, und bei denen es buchstäblich alles gibt, was man spontan benötigen könnte (von Fertigmahlzeiten bis hin zu Zahnbürsten und Unterhosen).
Wenn man nicht einmal das Haus verlassen möchte, kann man auf die ausgeprägte Lieferdienst-Kultur zurückgreifen. Fast alles, was man in Geschäften und Restaurants kaufen möchte, kann man online bestellen. Meist ist es ab einem Mindestbestellwert kostenlos und wie alles in Korea geht es sehr schnell. Essensbestellungen dauern in der Regel 10 bis 30 Minuten, bis sie bei einem daheim sind.
Der öffentliche Nahverkehr in Seoul ist ebenfalls der Inbegriff von „convenient“. Seoul ist sehr groß und Wege können dementsprechend weit sein, aber der ÖPNV ist effizient und praktisch, und noch dazu höchst modern und sauber. Länger als fünf Minuten wartet man in der Regel nicht auf die nächste U-Bahn. Falls man zu spät unterwegs ist abends, kann man sich auch jederzeit ein Taxi rufen (hier besonders empfehlenswert: Kakao Taxi), was ebenfalls wesentlich günstiger ist als in Deutschland.
2. Es wird einem nicht langweilig
Seoul ist riesig, und es gibt so viele Dinge hier die man tun kann, sodass man schwer das Gefühl bekommt, schon alles gemacht zu haben. Meine persönliche „Seoul To-Do Liste“ ist unendlich lang, und es kommen ständig neue Dinge dazu. Langweilig wird es einem hier nicht so schnell.
Es ist aufregend, jeden Tag an jeder Ecke etwas Neues entdecken zu können; auch Dinge von denen man nicht wusste, dass es sie gibt. Sei es, ein neues Museum zu besichtigen, ein neues thematisches Café zu probieren, einen neuen Stadtteil zu erkunden oder einen traditionellen Tempel zu besuchen.
3: Ruhe und Rückzug mal anders
Viele verbinden mit Millionenstädten eine permanente Unruhe, Lärm und Menschenmassen. Das „Nie-zur-Ruhe-kommen“ macht vielen Bedenken. Aber auch, wenn das Leben hier deutlich hektischer und bewegter ist, finde ich, dass es hier genug Gelegenheiten gibt, sich zurückzuziehen. Eines der schönen Dinge an Seoul ist, dass die Stadt von vielen Bergen umgeben ist und es auch in der Stadt viele kleine Grünflächen gibt. So kann man sich schnell in der Natur eine Auszeit gönnen (meist noch mit schönem Blick auf die Stadt dazu!). Wenn man etwas mehr Abstand möchte, gibt es auch genug Möglichkeiten, von Seoul aus einen Tagestrip in die Umgebung zu machen. Da Korea flächenmäßig eher kleiner ist, kann man bereits innerhalb von ein bis zwei Stunden in eine ganz andere Ecke des Landes kommen. Anders als in einer kleinen Stadt habe ich selbst beim Rückzug nie das Gefühl, komplett allein und einsam zu sein; und das gefällt mir.
4: Die Vorteile der Anonymität
Spontan beim 7-Uhr-Einkauf oder beim Spaziergang auf Bekannte stoßen, das passiert mir oft in München. Und wenn man jemand Neues kennenlernt, hat man höchstwahrscheinlich schon gemeinsame Freunde. In Seoul ist das nicht ganz der Fall.
Ich genieße es auf eine gewisse Art und Weise, manchmal in der Masse untergehen zu können. Man ist nicht von Leuten umgeben, die man seit seiner Kindheit kennt und die man jeden Tag sieht. Man kann einen Neustart wagen, sich selbst neu erfinden, man kann jemand ganz anderes sein.
Werde ich bleiben?
Ich kann mir vorstellen, dass es mich eines Tages wieder in eine etwas überschaubarere Stadt zieht. Aber in den nächsten fünf, zehn Jahren möchte ich erstmal in den Metropolen dieser Welt leben, die Rastlosigkeit zu meinem Alltag machen, den Puls von Millionenstädten fühlen und in ihm aufgehen. Die Sehnsucht nach dem Abenteuer ist noch groß.
Wenn nicht jetzt, wann dann?