28. April 2018
Diese Frage interessiert mich. Immer wieder lese und höre ich, dass ein Auslandssemester notwendig sei, um seinen Lebenslauf aufzubessern: „Heute musst du ein Auslandssemester vorweisen können, wenn du später einen tollen Job willst!“ Und weißt du was? Dem stimme ich zu. Aber nur zum Teil. Warum Arbeitgeber sich über deine Auslandserfahrung freuen und was du in deinem Auslandssemester beachten solltest, um später tatsächlich bessere Berufsaussichten zu haben, das verrate ich dir jetzt.
Erlebe Es: Immer mehr Studierende suchen das Weite
Galt ein Studiensemester im Ausland in den 90ern noch als eine Seltenheit, ist es mittlerweile für viele selbstverständlich. So ist die Anzahl deutscher Studierender, die mindestens ein Semester in der Ferne verbringen, in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD): Während im Jahr 2005 „nur“ 75.000 Deutsche im Ausland studiert haben, waren es 2015 bereits 137.700. Rund 75% der Studierenden gelten heute als „auslandsmobil“, haben also mindestens ein Semester an einer ausländischen Universität absolviert. Diese Information liefert eine Umfrage des DAAD, die auf Angaben rund 7.000 Studierenden basiert, die im Rahmen eines Studienaufenthaltes im Zeitraum von 2015 bis 2017 im Ausland waren. Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist ein Auslandssemester besonders beliebt, danach kommen die Sprach-, Geistes-, und Kulturwissenschaftler. In einigen Studiengängen ist ein Auslandssemester längst im Curriculum vorgeschrieben. Insbesondere, weil mit dem Förderprogramm Erasmus+ ein Studium an einer Hochschule im europäischen Ausland unkomplizierter geworden ist. Daher ist klar: War ein Semester am anderen Ende der Welt vor einigen Jahren noch etwas Außergewöhnliches, ist es das heute nicht mehr. Das wirft im Hinblick auf die Vorbereitung auf die spätere Berufswelt vor allem eine Frage auf: Ist ein Auslandssemester überhaupt noch sinnvoll?
Alles für den Lebenslauf?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mit ein paar Führungskräften und Personalern gesprochen. Und ich kann dich beruhigen, denn im Grunde waren sich alle einig: Ein Auslandssemester ist nach wie vor ein besonderes Merkmal im Lebenslauf. Absolventen, die während ihres Studiums eine Zeit im Ausland gewesen sind, zeige vor allem eines: Dass sie fähig sind, ihre Komfortzone zu verlassen.
Die spannende Frage lautet also weniger: Ist ein Auslandssemester ein Pluspunkt im Lebenslauf. Viel mehr interessiert: Warum genau schätzen Arbeitgeber Auslandserfahrung bei Bewerbern? Das Zauberwort lautet Soft Skills. Denn, bevor du deine Koffer packst, solltest du dir einer Sache bewusst sein: Erfahrungsgemäß verläuft der Wissenstransfer im Auslandssemester immer etwas anders als gewohnt. Sei es der Lehrstil, die Inhalte oder der Schwierigkeitsgrad. Und Managementtheorien und physikalische Grundgesetze sind auch am anderen Ende der Welt die gleichen.
Soft Skills: Der weiche Faktor zählt
Was aber versteht man unter Soft Skills? Sie umfassen persönliche und soziale Fähigkeiten, die man sich neben dem Studium aneignet. Die im September 2017 veröffentlichte Studie von LinkedIn verdeutlicht: Soft Skills dominieren die Berufswelt der Zukunft und gewinnen gegenüber Hard Skills mehr und mehr an Bedeutung. Die Kompetenz, gut und effektiv kommunizieren zu können – mit Kollegen und Akteuren innerhalb und außerhalb des Unternehmens, über Sprachgrenzen hinweg – gehört zu den Schlüsselqualifikationen, die deutsche Arbeitgeber in den nächsten zehn Jahren verstärkt nachfragen werden. Kulturelles Feingefühl wird immer wichtiger. In puncto Vorbereitung auf die Berufswelt ist ein Auslandsstudium daher eine exzellente Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu stärken oder weiterzuentwickeln. Besonders am Anfang wirst du dich als Austauschstudierender an die Gegebenheiten in einem fremden Land oder einer anderen Kultur anpassen müssen. Du musst lernen, Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen verschiedener kultureller Hintergründe zu entwickeln. Diese unbekannten Schwierigkeiten und ungewohnten Situationen können ganz schön aufregend sein, fordern aber vor allem eines: Raus aus der Komfortzone!
Raus aus der Komfortzone!
Doch der Erwerb von interkulturellen Kompetenzen klingt leichter gesagt, als getan. Deine Auslandserfahrung wird deine Persönlichkeit nur dann bereichern, wenn du die Möglichkeiten während deines Auslandsstudiums auch tatsächlich wahrnimmst. Worauf solltest du also achten, wenn du möglichst viel von deinem Auslandssemester mitnehmen möchtest?
Um die Kultur des Landes kennenzulernen, empfehle ich dir Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen. Sei offen gegenüber Menschen fremder Herkunft. So kannst du viele Eindrücke und neue Erkenntnisse sammeln. Mir ist bewusst, dass es teilweise schwierig werden kann, nicht auf Leute aus der Heimat zu treffen, weil es relativ viele deutschen Studierende ins Ausland zieht. Dennoch würde ich versuchen, nicht nur deutschsprachige Freundschaften zu pflegen. Klar, die Verlockung in bekannten Gefilden zu bleiben, ist groß und in einigen Situationen mag es einfacher und bequemer sein, da man dieselbe Sprache spricht und einen ähnlichen kulturellen Hintergrund hat. Gleichermaßen ist es aber auch langweilig und meiner Meinung nach wenig ergiebig. Und findest du nicht auch, dass es sich lohnt die Komfortzone zu verlassen, um später im Bewerbungsgespräch auf die Frage: „Wo sehen Sie ihre Stärken?“ mit bestem Gewissen antworten zu können: „interkulturelle Kompetenz“!