27. März 2016
Bei meinem Praktikum bei der Budapester Zeitung schreibe ich eher selten meine Artikel in der Redaktion. Damit ich nicht immer in der Wohnung hocke, habe ich mich auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gemacht und bin dabei auf mehre Cafés und Bistros gestoßen, die Raum zum Arbeiten bieten.
Mein liebstes Café zum Arbeiten ist inzwischen das Kelet in Buda geworden, wenn ich mal keine Lust habe in die Tram zu steigen und auf der Pest-Seite bleibe, gehe ich ins Konyha. Ich habe mit den Besitzern gesprochen und mir ihr Konzept vorstellen lassen.
„Als ich mit Henrik Vörös vor zwei Jahren meinen Traum verwirklichte, ein Kaffee in Budapest zu eröffnen, war es mir sehr wichtig, das wir unserer Kundschaft nicht nur einen Platz anbieten, um guten Kaffee zu trinken, sondern einen Ort zum Wohlfühlen und Arbeiten – einen Ort mit Wohnzimmeratmosphäre.“, berichtet Tibor Tímár über das Kelet-Cafè. Cafés wie das Kelet und Bistros wie das Konyha ziehen Kaffeetrinker an, die sich nach einem Tapetenwechsel ihres Arbeitsplatzes sehnen. Sie sind gemütlich mit Retro-Möbeln, Sesseln und Regalen voller Bücher eingerichtet. „Wir sind eine Mischung aus Cafè und Restaurant mit innovativer Küche. Als ich mit meinen Partnern Gergő Fábián, Levente Trellay, Balázs Glódi und Zoltán Sáfár vor anderthalb Jahren das Konyha eröffnete, wollten auch wir nicht nur das reguläre Konzept verfolgen, sondern eine Atmosphäre kreieren, die zum Verweilen einlädt. Wir haben einen Kundenkreis der zum Arbeiten zu uns kommt. Dadurch, dass diese Gäste zu einer Zeit kommen, in der wir kaum Essen servieren, funktioniert das Prinzip bisher gut.“, meint Sándor Kenkekes.
An langen Tafeln, kleinen Tischen oder Sofas mit Steckdosen sitzen sie mit ihren Laptops oder dicken Wälzern und können in einer Atmosphäre wie im Wohnzimmer zu Hause ihre Arbeit erledigen. Auch kostenloses Wifi steht inzwischen fast überall zur Verfügung. Aber keine Sorge – hier wird noch genügend Raum geboten, um zu Entspannen, mit der besten Freundin zu schnacken oder in einem neuen Buch zu versinken. Apropos Buch: Im Kelet, dessen Wände mit Büchern wortwörtlich gepflastert sind, darf man das eigene, ausgelesene Buch in das Regal legen und sich ein anderes mit nach Hause nehmen.
Neuer Arbeitsplatz heißt neue Regeln
Diese andere Art von Langzeit-Café-Besuchen setzt neue Maßstäbe an die Verhaltensregeln. Ganz automatisch scheint sich die arbeitende Kundschaft, von der, die zum Kaffeeklatsch oder Essen kommt, in verschiedene Bereiche zu teilen. „Normalerweise haben wir keine Probleme mit Kunden, die zum Arbeiten zu uns kommen. Manche essen etwas und fangen mit dem Kaffee danach an zu arbeiten.“, berichtet Kenkekes seine Erfahrung im Konyha. „Wenn es Zeit für Mittag oder das Abendessen wird, ziehen sie automatisch an kleinere Tische oder gehen nach Hause.“ Auch wenn ein Lokal einlädt, für mehrere Stunden zu bleiben, sollte die Gastfreundlichkeit nicht überstrapaziert werden.
„Einmal hatten wir einen Kunden, der lediglich einen kleinen Saft bestellte, den halben Tag im Sessel saß und las. Irgendwann kam eine Angestellte zu mir und meinte, das sie ziemlich sicher ist, das unser Saft eine andere Farbe hat. Scheinbar hatte der Kunde das Glas mit einem mitgebrachten Getränk wieder aufgefüllt. „Solche Erlebnisse sind für uns, die wir sehr viel Arbeit und Liebe in das Restaurant stecken, sehr ernüchternd. Ein Glück kommt so etwas eher selten vor.“, sagt Sándor Kenkekes.
Im Kelet-Café, sind bewusst zahlreiche kleine Tische auf zwei Stockwerken verteilt, damit Besucher, die zum Arbeiten kommen, sich Zeit nehmen können. Tiber Tímár hat in seinem Cafè ähnliche Erfahrungen gemacht. „Natürlich ist es klar, dass jemand, der für Stunden hier sitzt nach einer Weile Hunger bekommt; auch deshalb bieten wir Kleinigkeiten zum Essen. Eine Stammkundin von uns fing eines Tages an von zu Hause ihr Mittag mitzubringen und oben drein noch die Reste bei uns zu hinterlassen. Das geht natürlich nicht.“
Die zwei unausgesprochene Gesetze für uns Langzeitbesucher sind also zum einen, wenn es sich füllt, Platz für neue Gäste zu machen, und zum anderen, keine mitgebrachten Speisen und Getränke zu verzehren. Gerade das sollte für jeden Kunden selbstverständlich sein, besonders wenn das Bistro selbst dieses Angebot deckt.
Auch klassische Café-Besucher müssen Rücksicht nehmen
Auch für die klassischeren Cafè-Besucher gibt es ein paar neue Verhaltensregeln. Tibor Tímár berichtet über sein Cafè: „Da wir primär eher besonderen und hochqualitativen Kaffee servieren, und eben kein Restaurant sind, haben wir kaum Stoßzeiten, zu denen die Tische überfüllt sind. Natürlich kommen nicht nur Leute zum Arbeiten ins Kelet-Café, doch es wird gerade als ein Ort dafür, immer bekannter. Dadurch, dass wir kostenfreies Wifi anbieten, lädt es Gäste wohl zum Skypen ein. Ab und zu müssen wir darauf hinweisen, dass wir Kunden haben, die hier arbeiten und bitten darum, dass etwas leiser gesprochen wird.“
Ohne Frage werden solche Einrichtungen immer beliebter. Sie funktionieren aber nur so lange, wie das Café oder Bistro nicht überlaufen ist und es sich leisten kann, Langzeitkunden zu haben, die gegebenenfalls innerhalb von Stunden lediglich zwei bis drei Getränke bestellen. Das Konzept besteht aus einem ausgewogenen Verständnis von Dienstleistung, es kann nur solange bestehen, sowie das Angebot nicht schamlos ausgenutzt wird.
Den ganzen Artikel über Do’s und Dont’s in Cafès mit kostenfreiem Arbeitsplatz findet man in der Budapester Zeitung.