30. November 2022
Ich denke, das ist eine Frage, die sich fast alle Studierende stellen, bevor sie ins Ausland gehen. Denn eine Auslandszeit bedeutet neben vielen neuen Erlebnissen und Freunden auch ein neuer Studienalltag und das meistens auf einer Fremdsprache. In diesem Beitrag erzähle ich euch daher ein wenig davon, was ich im Studium in Brasilien schwieriger finde und was für mich auch einfacher ist.
Ich habe in einem meiner vorherigen Beiträge bereits ein wenig davon erzählt, wie das Studium an der USP (Universidade de São Paulo) ist. Unter diesem Link findet ihr ein wenig allgemeinere Informationen über das Thema, hier geht es schon ein wenig mehr ins Detail :). Ich fange erst einmal mit den Dingen an, die das Studium in Brasilien schwieriger, oder anstrengender machen und erzähle dann über ein paar Punkte, die es auch einfacher machen und ziehe ein Fazit.
Ich habe dieses Semester sechs Kurse belegt, das ist die selbe Menge an Kursen wie viele der brasilianischen Studierenden belegen und mehr als die meisten anderen Austauschstudierenden. Lasst euch daher also nicht abschrecken, wenn ich von den für mich schwierigeren Dinge rede! Ihr könnt den Arbeitsaufwand verringern, indem ihr zu Anfang des Semesters weniger Kurse wählt. Wie ihr sicher stellt, dass ihr die richtigen Kurse wählt, erfahrt ihr hier.
Längere Seminare und weniger Pausen
Die meisten meiner Seminare an der USP dauern deutlich länger, als ich das aus Deutschland kenne. Meistens dauern sie zwei volle Stunden und es gibt keine Pause. Einige Seminare dauern aber auch länger: Mittwochs habe ich beispielsweise ein Seminar von 8 Uhr bis 11.45 Uhr mit nur einer Pause und donnerstags eines von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr, ebenfalls nur mit einer Pause. Da kann es manchmal sehr anstrengend werden, die Konzentration zu halten vor allem, weil der Unterricht vollständig auf Portugiesisch ist.
Mittlerweile habe ich mich ein besser daran gewöhnt. Und weil die Seminare so lang sind, ist es auch meistens kein Problem, den Raum zwischendurch zu verlassen. Ich sehe immer wieder Studierende, die rausgehen, um sich einen Kaffee zu holen und dann nach zehn Minuten mit Snacks und Kaffee zurückkommen.
Mehr Arbeit während des Semester
In meiner Erfahrung an deutschen Universitäten, verläuft das Semester meistens ein wenig ruhiger. Während der Vorlesungszeit gibt es zwar meist ein paar Referate, Thesenpapiere, Essays und wöchentliche Lektüre, die meiste Arbeit kommt aber erst in der vorlesungsfreien Zeit.
In Brasilien mache ich dagegen eine andere Erfahrung: Hier finden die Abgaben und Prüfungsleistungen schon während des Semesters statt. Das hat den Vorteil, dass die Semesterferien hier tatsächliche Ferien sind. Allerdings bedeutet es auch, dass es weniger Vorbereitungszeit für Klausuren gibt und das Semester sehr voll ist. Denn auch die Menge der Abgaben ist ein wenig höher als ich es aus Deutschland kenne und häufig werden sie mit der Praxis verbunden, weshalb ich auch noch nach dem Seminar für die Uni unterwegs bin.
Hier einmal ein Beispiel:
Eines meiner Lieblingsseminare belege ich am psychologischen Institut (IP), es heißt „Einführung in die indigene Psychologie“ und findet einmal die Woche für zwei Stunden statt. Obwohl ich es sehr spannend finde, bedeutet es auch sehr viel Arbeit, denn neben der Mitarbeit und der Lektüre in den Seminaren, müssen wir in einer festen Gruppe eigenständig sogenannte 30 Stunden „Praktika“ organisieren. Alle paar Wochen sollten wir diese praktische Erfahrung organisieren, wie beispielsweise den Besuch einer indigenen Zeremonie, einer Ausstellung, oder einem Event indigener Stimmen in der Politik. Über diese Erfahrungen sollten wir dann insgesamt drei Berichte (11-17 Seiten) mit unserem Vorgehen, Erkenntnissen, Bezug auf Theorien und persönlicher Reflektion schreiben und die Ergebnisse nach jeder Abgabe vortragen. Außerdem sollte gegen Ende des Semesters ein weiteres separates Refarat vorbereitet werden. Obwohl es sehr spannend war und ich viel gelernt habe, war es manchmal auch schwierig, die praktischen Erfahrungen in einer größeren Gruppe zu organisieren, besonders, weil ich eben auch in anderen Seminaren verschiedene praktische Gruppenarbeiten hatte. Außerdem war auch die Recherche nach passenden Veranstaltungen nicht immer einfach.
Weniger Lektüre
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in den meisten Seminaren weniger Lektüre gibt, als ich das aus deutschen Unis kenne. Manchmal finde ich das ein wenig schade, da mir ab und an das brasilianische „Insiderwissen“ fehlt und ich glaube, dass mir ein extra Text helfen könnte. Meistens bin ich aber erleichtert, da es weniger Arbeit bedeutet und ich die Dinge, die mich interessieren selbst nachschlagen kann.
Die meisten Tage habe ich noch vor dem Mittagessen frei!
Während meine Stundenpläne in Deutschland häufig sehr durcheinander aussahen – mal begann das erste Seminar 8 Uhr, mal auch erst 14 Uhr und häufig gabe es lange Pausen zwischendurch – belege ich hier fast nur Seminare der Matutinas (ich erkläre hier, was das bedeutet). Das führt dazu, dass ich, bis auf einen Tag, immer nur von 8-12 Uhr in der Uni bin und danach frei habe. Meistens gehe ich dann anschließend mit den anderen Studierenden gemeinsam in die Mensa essen und dann nach Hause, das macht es einfacher Zeit zum lernen und für die Gruppenarbeiten einzuplanen.
Ist Studieren in Brasilien also schwerer, oder leichter?
Ich finde das Studieren hier manchmal ein wenig anstrengender, da ich die praktischen Erfahrungen immer planen und umsetzen muss und das meistens mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund muss ich sich auch viel gemeinsam mit anderen organisieren und immer erreichbar sein und versuchen auf dem Laufenden in den Gruppenchats zu bleiben. In Brasilien wird nämlich sehr viel über die Gruppenchats auf Whatsapp orgnissiert! Gleichzeitig würde ich aber nicht sagen, dass die Universität in Brasilien per se schwieriger ist, es ist vor allem ein anderer Rythmus. Für mich hat das brasilianische System auch große Vorteile, denn dieser praktische Anteil macht viel Spaß und ich habe das Gefühl, oft besser zu lernen, da einem die Praxis einem ein neues Gefühl gibt. Als Studierende sind wir so auch autonomer und lernen uns zu koordinieren. Außerdem muss ich mir keine Sorgen bei meiner Reiseplanung machen. In Deutschland stand ich meist zu Semesterende vor einem Berg an Hausarbeiten und konnte die Ferien nicht so richtig genießen. Deswegen nehme ich es gerne in Kauf, hier ein wenig mehr Abgaben während des Semesters zu haben. Daher mein Fazit: Schwerer: Nicht unbedingt, aber manchmal mehr Arbeit!