3. März 2020
Der Karneval in Torres Vedras gilt als der portugiesischste Karneval Portugals. Hier kann man über Pflastersteine stöckelnde Männer in Frauenkleidern bewundern, Elfen auf der Straße tanzen sehen und Donald Trump unter den zu kurzen Rock gucken.
Das erste Mal vom Karneval in Torres Vedras gehört, habe ich auf der Fahrt vom Cabo da Roca nach Sintra. Rike, die ich vom Surfen kenne, und ich wollten den Weg trampen und wurde von einer netten Portugiesin mitgenommen. Es war das Wochenende vor dem Karneval, der auch hier in Portugal groß gefeiert wird. Die Frau gab uns den Tipp, zum Karneval nach Torres Vedras zu fahren, einer sehr kleinen Stadt ungefähr 50 Minuten von Lissabon. Jeder würde am Rosenmontag in diese kleine Stadt strömen, meinte sie und es wäre die reinste Party in den Straßen die ganze Nacht. Gesagt, getan.
Am Montagnachmittag sitzen wir im Bus nach Torres Vedras. Der Karneval in Torres Vedras gilt als der ‚portugiesischste‘ Karneval in Portugal. Zum traditionellen Karneval gehören u. a. ein großer Festzug, Narrengruppen, Cabeçudos (verkleidete Personen mit riesigen Köpfen) und Zé Pereira-Figuren mit Trommeln und Dudelsäcken. Highlight des Karnevals sind die Matrafonas oder Maria Cachuchas – Männer die als Frauen verkleidet sind, mit Perücken, High-Heels und kurzen Röcken. Von Samstag bis Montag verwandelt sich die Altstadt in eine große Karnevalsparty, alle sind verkleidet und in Feierlaune. Der Karneval hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert und kombiniert jeher satirische Traditionen mit christlichen Kostümen. Matrafonas begleiten den Festzug seit 1928 und seit 1985 legt ein Veranstaltungskomitee jedes Jahr ein Motto für den Karneval fest.
Magie und Fantasie
Das Motto des diesjährigen Karnevals ist ‚Magie und Fantasie‘ und ich habe mir auf dem Flohmarkt ein selbstgenähtes Kleid gekauft, das, wie ich finde, elfenmäßig aussieht. Nach ca. 50 Minuten sind wir am Ziel angekommen. Wir laufen in die Stadt rein und die kleinen Gassen sind wie ausgestorben. Kein Anzeichen davon, dass in ein paar Stunden die Straßen voll feiernder Menschen sein sollen. Aus einer weit entfernten Gasse hören wir Trommelmusik. Wir folgen der Musik und stoßen auf eine kleine Marschkapelle. Sie zieht an uns vorbei, dann wieder Ruhe. Wir beschließen, uns einen schönen Platz zu suchen, unseren Proviant zu essen und darauf zu warten, dass sich die Stadt füllt. Wir laufen hoch zur Stadtburg und setzen uns auf eine hohe weiße Mauer an einer kleinen Grünfläche mit Zitronenbaum. Es ist ruhig hier und die kleine Stadt scheint wie in der Vergangenheit steckengeblieben. Wir essen Brot mit Käse und Erdbeeren, trinken selbst gemachten Smoothie-Sangria und machen Fotos auf der Mauer.
Als die Sonne fast untergegangen ist, machen wir uns wieder auf den Weg in die Stadt. Und plötzlich sind alle Wege in die Altstadt abgesperrt, rein kommt man nur noch mit Ticket für den Karneval. Das haben wir zum Glück und stehen bald am Hauptplatz, an dem mottogetreue, satirische Figuren aufgestellt sind. Da gibt es einen Regenbogen mit Goldtopf, ein aus dem Hut kommendes Kaninchen, einen Riesenpilz und Aladin auf seinem fliegenden Teppich. Aber es findet sich dort auch António Costa, der Premierminister Portugals, der versucht, mit seinem Zauberstab eine unbändige Krake zu kontrollieren, die mit ihren Tentakeln die Gerechtigkeit und Gesundheit erwürgt. An anderer Stelle jongliert Costa mit den Politikern der Opposition: Rui Rio, Francisco Rodrigues dos Santos, Jerónimo de Sousa und Catarina Martins. Auch Donald Trump darf hier nicht fehlen, mit Jair Bolsonaro auf einem Drachen reitend, der in einem Krieg gegen den Planeten Erde Rauch aus seinem Maul bläst, während Kim Jong-un Atomtests auf seinem Rücken durchführt.
In der Menge jonglieren
Nachdem wir die Figuren studiert und noch einen Kaffee getrunken haben, werden die Straßen so langsam richtig voll. Wir beschließen, etwas durch die Straßen zu laufen und finden uns auf einmal mitten im Karnevalszug wieder. Hinter uns ein paar Trommler und vor uns ein Wagen voll Matrafonas, die den Feiernden einheizen. So bewegt sich der Zug langsam und laut durch die Straßen und stoppt immer wieder, um den Mitlaufenden genug Zeit zum Tanzen zu lassen. Die Stimmung ist ausgelassen und alle in Feierlaune. So folgen wir dem Zug in der Menge tanzend und manchmal jonglierend einmal durch die ganze Innenstadt. Gegen 11 wird uns so langsam kalt in unseren Elfenkleidern und wir beschließen, dass wir den letzten Bus zurück nach Lissabon lieber nicht verpassen wollen – bis um 5 Uhr morgens wollen wir dann doch nicht mehr bleiben. Als wir aus der Stadt Richtung Bus laufen, kommen uns verkleidete Menschenmassen entgegen. Auch wenn die Feier offiziell um 5 Uhr nachmittags angefangen hat, scheint sie jetzt gegen halb 12 Uhr nachts erst richtig anzufangen – das hätten wir uns eigentlich denken können hier in Portugal, wo die Nacht gerne zum Tag gemacht wird. Ein portugiesischer Kommilitone meinte im Nachhinein sogar zu mir, dass die Karnevalsparty in Torres Vedras die ganze Nacht und sogar bis in den Nachmittag des nächsten Tages reicht. Auch wenn wir nicht die ganze Nacht durchgemacht haben – durch die Straßen zu tanzen war ein Erlebnis, das mich sehr leicht gestimmt hat.