23. April 2021
Vor meinem Erasmus-Aufenthalt war ich voller Vorfreude auf die neuen Abenteuer, die mir bevorstehen würden. Ich habe mir ausgemalt, dass ich jeden Tag spannende Leute kennenlerne, ganz viel reise und über mich selbst hinauswachse, aber gleichzeitig zu mir finde. Und natürlich wollte ich neben tollen Sprachkursen noch coole Erasmus-Veranstaltungen besuchen. Klingt utopisch? Ist es auch!
Natürlich hat mir zum einen Corona einen fetten Strich durch meine Pläne gemacht, aber zum anderen sind diese Erwartungen wohl auch grundsätzlich etwas überspitzt. Außerdem wird man während eines Auslandsaufenthalts (vor allem am Anfang) mit vielen kleinen Herausforderungen oder unerwarteten Momenten konfrontiert oder auch dem einen oder anderen Motivationstief. Ich habe euch all das hier mal dargestellt und erklärt, wie ich damit umgehe.
Die lange Suche nach dänischen Freunden
Natürlich ist es relativ einfach, andere Erasmus-Studierende kennenzulernen, auch während der Pandemie. Jedoch wollte ich auch Freundschaften mit Dänen und Däninnen schließen. Mir wurde schnell klar, dass das nicht so einfach ist. Während der Willkommensveranstaltung für die neuen internationalen Studierenden wurden wir auch genau darüber aufgeklärt. Es hieß, dass es schwer wäre, Freundschaften mit dänischen Studierenden zu schließen. Viele von ihnen hätten schon ihr Leben lang einen gefestigten Freundeskreis. Man müsse sich sehr anstrengen, sie kennenzulernen.
Das konnte ich fast nicht glauben. Es kam mir etwas merkwürdig vor, dass wir regelrecht davor gewarnt wurden. Anschließend habe ich die Aussage zu der Schwierigkeit, dänische Freunde zu finden, noch einige Male gehört. Das hat mir einen kleinen Dämpfer verpasst und meine Motivation, unbedingt Leute aus Dänemark kennenzulernen, wurde etwas gemindert. Ich habe bisher auch tatsächlich noch keine Freunde gefunden, die aus Dänemark kommen. Mit viel Mühe habe ich versucht, Freundschaft mit meinen dänischen Nachbarn zu schließen, die ungefähr in meinem Alter sind. Mehr als ein Treffen auf einen Kaffee kam bisher noch nicht zustande, aber ich bleibe optimistisch und hartnäckig. Vielleicht braucht es auch einfach etwas Zeit und bis dahin genieße ich es, so viele internationale Studierende kennengelernt zu haben.
Plastik, überall Plastik
Mit dieser Herausforderung hätte ich am wenigsten gerechnet, wo Dänemark doch so für Nachhaltigkeit bekannt ist. Tatsächlich findet man in dänischen Supermärkten aber eine sehr große Menge Plastik. Vor allem das Gemüse und Obst ist eingeschweißt. Ingwer bekommt man zum Beispiel nur in Plastik eingepackt. Avocados sind auch von einer durchsichtigen Folie umhüllt. Natürlich sollte man sowieso eher regionale Produkte kaufen und Avocado ist daher auch eh nicht die beste Wahl. Aber auch nach einzelnen Äpfeln, die nicht im Plastiksack eingepackt sind, musste ich lange suchen. Das führt dazu, dass ich oft bereits verdorbene Lebensmittel gekauft habe, da man das Obst und Gemüse nicht in die Hand nehmen und anschauen kann und es ist so viel unnötiger Müll, der produziert wird.
Von Wurst, Schweinebraten und Hot Dogs
In Dänemark wird sehr, sehr viel Fleisch gegessen, vor allem Schweinefleisch. Ich würde mich nicht als Vegetarierin bezeichnen, aber ich versuche möglichst auf Fleisch zu verzichten und das ist mir in Berlin bisher gut gelungen. In Kopenhagen ist das, wenn auch etwas eingeschränkter, schon auch möglich. Schwierig wird es aber, wenn man sich durch die typischen Nationalgerichte probieren möchte. Das berühmte Smørrebrød (belegtes Vollkornbrot) wird individuell belegt. In Restaurants bekommt ihr es aber meistens mit Wurst serviert. Man findet überall Hotdog-Stände in Kopenhagen, auch Pølsevogn (Wurstwagen) genannt. Der Name ist Programm. Nach dänischer Art werden die Hotdogs mit røde pølser (roten Würstchen) serviert. Der Flæskesteg (Schweinebraten mit Schwarte) ist ebenfalls nicht wegzudenken aus der dänischen Küche. Viele bezeichnen den Braten auch als das dänische Nationalgericht. Und schließlich gibt es noch den Skipperlabskovs (Labskaus), der oft mit Schweinefleisch serviert wird. Es ist als Vegetarier*in dennoch nicht unmöglich in Kopenhagen zu (über)leben, da ihr sehr viele internationale Küchen findet und im Zweifel einfach selbst kochen könnt.
Do you speak english?
Am Anfang habe ich mich hier vor allem fremd gefühlt, weil ich mit einer mir komplett unbekannten Sprache konfrontiert war. Um mich herum wurde nur Dänisch gesprochen. Ich habe nichts verstanden und musste immer alle bitten, mit mir Englisch zu reden. Das hat dazu geführt, dass ich mich nicht komplett wohlgefühlt habe in der Stadt.
Aus diesem Grund habe ich beschlossen, ein paar Wörter Dänisch zu lernen und einen Sprachkurs zu besuchen. Mittlerweile macht es mir richtig Spaß, meine neu gelernten Sprachkenntnisse auszuprobieren. Und ich fühle mich direkt viel wohler in der Stadt, wenn ich einzelne Wörter verstehe und ein Gefühl von der dänischen Sprache habe.
Wind und Wetter
Ich wohne hier in Kopenhagen am Meer und so sehr ich das liebe, das geht natürlich auch mit wechselhaftem Wetter einher. In einem Moment sitze ich bei strahlendem Sonnenschein mit T-Shirt am Hafen und im nächsten Moment schüttet es aus Eimern und ist kalt. Allerdings kommt die Sonne meistens genauso schnell wieder, wie sie verschwunden ist. An dieses wechselhafte Wetter muss man sich gewöhnen. Außerdem ist es, wie ihr wisst, stets windig in Kopenhagen. Meine Dänisch-Lehrerin meinte letztens zu mir, dass es wohl im Schnitt nur 20 windstille Tage im Jahr gäbe. Ihr habt bereits gelesen, dass Fahrradfahren dadurch manchmal zu einer Herausforderung wird. Allerdings merkt man auch, dass die Kopenhagener*innen die schönen Tage umso mehr schätzen. Wenn die Sonne strahlt, lassen sie alles stehen und liegen und treffen sich am Hafen oder im Park – eigentlich auch ganz schön.
Ich denke, es ist normal, neuen Herausforderungen zu begegnen, wenn man in ein anderes Land zieht (manchmal, reicht dafür auch schon der Umzug in eine andere Stadt). Genau diese Herausforderungen sind es aber vermutlich, die dazu führen, den sprichwörtlichen Horizont zu erweitern. Was vorher immer nur eine Floskel für mich war, kann ich nun besser verstehen und hoffentlich auch in die Tat umsetzen. Im Endeffekt sind die genannten Punkte alle keine gravierenden Herausforderungen oder gar Kulturschocks (wenn es das überhaupt gibt) für mich. Dennoch sorgen sie dafür, kurz innezuhalten. Man sollte dann nur lernen, das Beste aus den kleinen Hindernissen zu machen.
Ich habe niemanden verstanden in der Stadt und mich ausgeschlossen gefühlt, also habe ich angefangen, Dänisch zu lernen. Ich habe viel leichter internationale Studierende kennengelernt als dänische Studierende, also bin ich aktiv auf Studierende aus Kopenhagen zugegangen und habe einfach mehr Initiative gezeigt und ihre Zurückhaltung nicht persönlich genommen. Ich habe über das Wetter und den Wind geflucht, also habe ich nun stets einen Regenschirm dabei. Ich kann den Wind mittlerweile sogar wertschätzen, da ich merke, dass die Luft in Kopenhagen dadurch viel frischer ist als in Berlin. Es ist also auch eine Frage der Einstellung und kein schwarzes oder weißes Bild, das man zeichnet. Manchmal fällt es mir leichter, die Herausforderungen für mich anzunehmen und manchmal nicht so.
Da merke ich gerade: Die Sonne ist rausgekommen. Ich bin dann also mal weg… (Vielleicht sollte ich aber zu Fuß gehen und nicht mit dem Fahrrad fahren, es ist schon sehr windig heute…)