17. Februar 2025
So wie ich meinen Koffer packen werde, habe ich auch die Entscheidung, ein zweites Mal Erasmus zu machen, in der letzten Minute getroffen. Wie ich sechs Wochen nach der Bewerbungsfrist noch einen Erasmus-Platz bekam und warum ich mich dieses Mal für ein Auslandssemester in Wien entschieden habe.
Ich habe verschlafen. Ganze sechs Wochen – und das, obwohl ich die Entscheidung, Erasmus zu machen, bereits im Sommer 2024 getroffen hatte. Ich hätte mich einfach nur früher bewerben müssen. War das Glück? Ich glaube, ja. Gleichzeitig durfte ich in diesem Zuge eine entscheidende Info kennenlernen: Ein Nachrückverfahren bei Erasmus-Bewerbungen ist möglich und gängige Praxis – aber nur, sofern der Erasmus-Platz deiner Heimatuniversität für die Universität im Zielland noch frei ist. In meinem Fall war das so. Die LMU akzeptierte mich, und ich hatte eine Woche Zeit, sämtliche Unterlagen einzureichen. Hier ein Überblick zum Erasmus-Verfahren bei der LMU.
Für alle, die Erasmus machen wollen und die Frist verpasst haben: Lasst euch nicht entmutigen! Fragt einfach bei euren Erasmus-Koordinator*innen nach!
Paris & Perfektionismus
Neben meinem Studium arbeite ich selbstständig, und da überlappen sich Fristen und Deadlines gerne mal so, dass ich entweder nur das eine oder nur das andere schaffe. Mittlerweile schaffe ich doch oft beides – aber nur, weil ich gelernt habe, meinen Perfektionismus aufzugeben. Jetzt liefere ich meistens nach dem Pareto-Prinzip pragmatisch und gut genug ab. Charakterlich ein Riesenschritt, da etwas „extrem gut“ machen zu wollen, an meine Identität gebunden war. Sich davon lösen zu können war ein Stück Freiheit.

Dieser Perfektionismus ist auch das, was mich in meinem ersten Erasmus-Semester in Paris meine Batterien gekostet hat. Die waren danach erstmal leer. Einerseits war das gefühlt die beste Zeit meines Lebens, und ich habe alles erlebt, was ich mir erhofft hatte – und noch viel mehr. Andererseits – und das habe ich erst im Nachhinein gemerkt – hat mich der Anspruch, alles erleben zu müssen, gute Leistungen zu erbringen und dann noch die ganze Zeit gut drauf zu sein, sehr verausgabt. Das Loch, in das ich nach dem Erasmus gefallen bin, nennen manche auch einen umgekehrten Kulturschock.
Back to the Roots
Zu Beginn meines Masterstudiums, vor knapp vier Jahren, hatte ich dann einen Erasmus-Platz am King’s College in London (den letzten nach dem Brexit). Runde „zwei“. Die Reise war geplant, doch dann sind eine Reihe von Schicksalsschlägen passiert, und kurz vor meiner Abreise habe ich dann auch noch COVID bekommen. Last Minute habe ich mich dazu entschieden, abzubrechen.
Danach war klar, ich muss einen Gang herunterschalten. Ich habe mein Studium pausiert, um mich auf meine Selbstständigkeit zu konzentrieren. So konnte ich mich in meiner Heimatstadt München etwas mehr verwurzeln. Nach dem Drang, die Welt zu erkunden, habe ich schätzen gelernt, wie schön es ist, in einer Stadt zu sein, in der man alles und jeden kennt und hat, was man braucht.
Die Ludwigskirche an der LMU kenne ich zum Beispiel im Lichte jeder Tageszeit.
Nach etwa zwei Jahren Selbstständigkeit habe ich dann wieder mein Studium aufgenommen – und auch hier in letzter Minute. Ein Semester später, und ich hätte meine Kurse nicht mehr innerhalb der Maximalstudienzeit abschließen können und somit mein Studium aus dem Fenster geworfen.
Von Wyoming nach Wien
Nach dieser turbulenten Zeit und zurück im Masterstudium hatte ich nun endlich eine Atempause und den Raum, mir Gedanken zu machen, welche Vorteile mir das Leben als Student bietet. Einer davon war für mich die Flexibilität: Mit verhältnismäßig geringem bürokratischem Aufwand und geringen Kosten in ein anderes Land reisen und dort leben zu können. Das war in meinem Berufsleben um einiges schwieriger – Zeit und Geld waren beides Limitierungen. Im Studium gibt es allerdings andere Möglichkeiten: Ich bekomme finanzielle Unterstützung (das Erasmus-Stipendium für Österreich mit 600 Euro im Monat) und einen zeitlichen Puffer, denn das Semester wird mir angerechnet.
Warum also Wien? Zuerst hatte ich überlegt, mich beim frisch gegründeten Bitcoin Research Institute an der Universität in Wyoming als Student oder Gastforscher zu bewerben. Aber die Strukturen dort sind noch so neu, dass nicht klar war, wie die Studien- oder Forschungsleistung für meinen Master anerkannt werden könnte. Außerdem hatte ich kurzfristig keine finanzielle Lösung. Mein Betreuer hat mir dann eine andere Sichtweise gezeigt: Forschungsaufenthalte nach dem Master sind ganz normal und lassen sich durch Stipendien finanzieren. Da ich sowieso schon immer neugierig war, das Lebensgefühl der angeblich lebenswertesten Stadt Europas zu erleben, dachte ich mir, das wäre die perfekte Gelegenheit, mein Bedürfnis nach einer festen Basis mit dem Wunsch nach einer unkomplizierten Auslandserfahrung zu verbinden.
Ich freue mich also auf ein Philosophie-Semester, in dem ich mich mit meinen Fokusthemen Künstliche Intelligenz und Bitcoin beschäftigen kann, aber auch mit Bereichen der Logik, für die Wien bekannt ist. Neben diesem akademischen Wiener Kreis habe ich dort auch einen Freundeskreis, der mich herzlich willkommen heißen wird. Mit diesem Wissen ist es dann irgendwie auch nicht mehr schlimm, dass auf meiner Reise einiges erst in letzter Minute gescheitert oder gelungen ist.