24. November 2016
Ich sage nur: ein Hoch auf GoogleMaps! Wie lebt es sich in einer Millionenmetropole mit 16 Millionen Einwohnern, was macht man, wenn es keine richtigen Adressen gibt und woher kommt der ganze Smog?
Am meisten vermisse ich mein Fahrrad
Auch wenn ich das Leben in Berlin gewöhnt bin… Teheran spielt unter den Großstädten in einer anderen Liga. Und vor allem der Kontrast zwischen der kleinen Studentenstadt Marburg und der Hauptstadt der Islamischen Republik Iran kann zur Herausforderung werden. Was ich am meisten vermisse? Mein Fahrrad. Während ich in Marburg fast nur zu Fuß und mit dem Rad meine Wege hinter mich gebracht habe, müssen hier direkt ganze Stunden eingeplant werden, um mit Bus und Auto etc. ans Ziel zu kommen.
Jeder, der selbst einmal in einer sehr großen Stadt gelebt hat, weiß, dass man sich letztendlich sowieso innerhalb eines eher kleinen Radius bewegt und seine Fühler nur gelegentlich in weit entfernte Stadtteile ausstreckt. Allein die langen Wegzeiten schrecken einen manchmal schon davon ab, nach einem anstrengenden Tag noch alle Energie zusammenzuraufen, in die Metro zu steigen und zu dem einen tollen Café am anderen Ende der Stadt zu fahren. Zumal das hier schnell mal mehrere Stunden dauern könnte.
Aber wie bewegt man sich in Teheran überhaupt von A nach B?
Kurz: Metro, Bus, Minibus, Taxi, Snapp, Auto und zu Fuß.
Morgens bringt mich ein sogenannter Minibus (ein minikleiner Bus halt) in die Sprachschule für umgerechnet 0,13 Cent und das konnte am Anfang schon ein kleines Abenteuer an sich sein.
In Teheran gibt es fünf Metro Linien, die seit 1999 langsam in der Stadt etabliert wurden und bis jetzt stetig ausgebaut werden. Man kommt also ganz gut von Nord nach Süd oder von Ost nach West, alle weiteren Wege müssen allerdings anderweitig hinter sich gebracht werden.
Meine beliebtesten Transportmittel sind bis jetzt Bus und „Snapp“, was sehr mit „Uber“ zu vergleichen ist. So richtig populär wurde die App erst in den letzten Monaten und ich weiß nicht, was die Teheraner vor Snapp gemacht haben! Taxis sind vergleichsweise teuer, deshalb versuche ich immer ein „Esnapp“, wie der Iraner sagt, zu erwischen. Ein eigenes Auto hat man hier ja nicht, also bleibt noch…
… zu Fuß unterwegs sein
Wie immer an neuen Orten, sieht hier für mich manchmal einfach alles gleich aus. Die Tatsache, dass Teheran keine „konzipierte“ Großstadt ist, wie man sie aus Nordamerika oder Asien kennt, macht das ganze nicht einfacher. Die Straßen schlängeln sich teilweise erst minutenlang in die falsche Richtung, bis man endlich auf die Straße kommt, die man braucht. Teheran war bis vor ein paar Jahrzehnten eine Kleinstadt am Fuße der Berge, bevor sie mit einem enormen demographischen Wandel zu der Millionenstadt wurde, die sie heute ist. Natürlich gibt es zahlreiche Autobahnen und große Hauptstraßen, aber so schnell wie der Bevölkerungswachstum hat sich nunmal nicht jegliche Infrastruktur angepasst. Die teilweise engen, einspurigen Straßen sind wirklich charakteristisch für Teheran und ein echter Hingucker, aber auch schlecht für die Orientierung.
GoogleMaps ist mein bester Freund
Für mich bedeutet das: GoogleMaps ist mein bester Freund. Ich muss teilweise schon fast wie eine Pokémon-Go-Spielerin auf der Suche nach dem neuesten dieser Dinger aussehen, wenn ich mit meiner Powerbank in der Tasche und dem Handy in der Hand durch die Straßen laufe. Ein leerer Akku würde für mich sicherlich das Aus bedeuten! Lost in Tehran, oder so.
Eine Millionenstadt ohne richtige Adressen
„Wie kann das eigentlich funktionieren?“, ist mein erster Gedanke, als ich nach meiner Ankunft und Registrierung die Adresse des Wohnheims bekam und auf dem Zettel nichts weiter stand als „Gebäude links am Ende des Boulevards“. Selbst wenn es Adressen gibt, dann sind Straßennamen oft verwirrend, viele Straßen wurden nach der Revolution 1979/80 umbenannt und es werden die alten UND neuen Namen benutzt. Hausnummern sind irgendwie nicht flächendeckend verteilt oder die Leute benutzen sie einfach nicht immer- ich weiß es nicht. Standorte auf GoogleMaps sind für mich jedenfalls ein Geschenk!
Irgendwie findet doch stets jeder Iraner sein Ziel, also übe ich einfach weiter und frage mich notfalls durch.
Smog, mein liebstes Thema
Achja, die Leute lieben es nicht nur in Deutschland über das Wetter zu reden… das scheint eine internationale Sache zu sein.
Zusätzlich zu den 16 Millionen Einwohnern fahren noch einmal geschätzt vier Millionen aus den angrenzenden Städten und Regionen zum Arbeiten in die Stadt, das sind ganz schön viele Autos! Der Verkehr wird von Jahr zu Jahr schlimmer, es ist inzwischen sogar schwer eine genaue Rushhour auszumachen – es ist einfach immer voll.
Dazu wird es kalt im Norden Irans und die Leute schmeißen die Heizungen an…
All diese Dinge zusammen bedeuten für die Teheraner einen immer schlimmer werdenden Smog.
Mein Studentenwohnheim liegt ganz im Norden der Stadt und ist recht hoch an den Bergen des Albolzgebirges gelegen, bis jetzt waren wir eigentlich immer „über“ dem Smog. Doch wenn er selbst bei uns ankommt, will ich nicht wissen, wie es Downtown und ganz im Süden aussieht. Je weiter südlich in der Stadt man sich befindet, desto schlechter die Luft. Manchmal gibt es wochenlang Warnungen in den Zeitungen, die herz- und lungenkranken Menschen raten, nicht das Haus zu verlassen und die Schulen blieben letztens eine Woche lang geschlossen.
Ich habe das Gefühl mich schon ein bisschen an die Luft gewöhnt zu haben, so gut das eben geht. Jedenfalls habe ich nicht mehr andauernd nach drei Schritten Atemnot. Ich habe trotzdem viel öfter Kopfschmerzen, als ich das aus Deutschland gewöhnt bin und meine Lippen, meine Nase und mein Hals sind sehr trocken. Manche der Studenten im Sprachinstitut haben von regelmäßigem Nasenbluten erzählt, das ist zum Glück noch an mir vorbeigegangen.
Der erste Schnee seit zwei Jahren
Diese Woche ist in Teherans der absolute Winter ausgebrochen. Sogar weiter südlich fiel das erste mal seit zwei Jahren Schnee und während ich diese Zeilen schreibe, bin ich quasi eingeschneit.
Temperaturen zwischen -3 und -12 Grad sind seit ein paar Tagen Alltag und die Stadt war wirklich nicht darauf vorbereitet. Von Winterreifen haben die wenigsten Städter jemals Gebrauch gemacht und als der erste Schnee fiel mussten wir an endlosen Schlangen steckengebliebener Autos vorbei den Berg hoch zum Wohnheim stapfen. Richtig gestreut wurde erst am nächsten Tag, wir sind also eher geschlittert und gerutscht. Ich genieße den Schnee und die wunderschöne Sicht aus meinem Fenster genauso wie die kurze Pause, die der Schnee uns allen vom Smog gibt.
Es ist schon seltsam hier eine weiße, vorweihnachtliche Kulisse vor der Tür zu haben, während in Deutschland noch lange kein solches Wetter in Sicht ist. Die Preise für Wintermäntel haben sich auf dem Bazar übrigens über Nacht verdoppelt …
Das Leben in einer Millionenmetropole ist oft voll und laut und chaotisch. Im Stau stehen und zwei Kilometer in zwei Stunden hinter sich zu bringen, daran gewöhnt man sich hier.
Doch durch Smog und Chaos kann ich mir schon gut vorstellen, dass der Umzug nach Schiras in vier Monaten eine willkommene Abwechslung sein wird.
Patentonkel
2. Januar 2017
Happy new year