30. Mai 2022
Praktikumsplatz an einer Grundschule in Florida sicher, das Stipendium Lehramt.International vom DAAD bekommen, Unterkunft gefunden, almost ready for take off – und dann kommt plötzlich alles anders. Warum mein Traum vom Schulpraktikum in den USA geplatzt ist und wieso eine ungewollte Planänderung auch etwas Gutes haben kann.
Im Herbst letzten Jahres habe ich mir endlich einen Ruck gegeben und den ersten Schritt Richtung Auslandsaufenthalt gewagt. Nach unzähligen Initiativbewerbungen an verschiedene Grundschulen in den USA war es eine meiner favorisierten christlichen Schulen in Florida, die mir direkt eine Zusage gegeben hat. Mit der Bestätigung der Schule konnte ich mich anschließend auf das DAAD-Lehramt.International-Stipendium bewerben. Etwa einen Monat nach Ende der Bewerbungsfrist erhielt ich die Nachricht, dass ich tatsächlich für ein Stipendium ausgewählt worden bin. An dem Abend habe ich meine Amerika-Playlist auf volle Lautstärke gedreht und bin vor Freude durch meine Wohnung getanzt. Als eine Mitarbeiterin der Schule mir dann noch für kleines Geld ein Zimmer in ihrem Haus angeboten hat, war damit schließlich alles perfekt und ich konnte es kaum noch abwarten, mir ein Flugticket zu buchen.
Florida in 90 Tagen? Mission Impossible!
Mit der Schule hatte ich ursprünglich darüber geschrieben, dass ich mit der verhältnismäßig einfach auszufüllenden ESTA-Genehmigung einreisen könnte, solange das Praktikum nicht länger als drei Monate dauert. „Florida in 90 Tagen“, lautete meine Mission, der ich während meines Auslandssemesters in den USA folgen wollte. Aber: Es sollte alles anders kommen.
Visums-Wirr-Warr
Mit der neuen Hürde des benötigten Visums sah ich plötzlich alle meine Pläne wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Damit dein Kopf nicht so raucht, wie meiner damals: Hier eine sehr gekürzte Zusammenfassung, warum ein Schulpraktikum in den USA deutlich komplizierter ist, als du dir das anfangs wahrscheinlich vorstellst. Für das Praktikum benötigst du das J1-Visum. Für die Ausstellung des J1-Visums durch das US-amerikanische Konsulat brauchst du wiederum spezielle Formulare, die du trotz selbstorganisiertem Praktikumsplatz erst durch einen sogenannten „Sponsor“ erhältst. Ein Sponsor ist in diesem Fall eine von dem US-Außenministerium anerkannte Organisation, die gegen viel Geld (ab 1.000 Dollar aufwärts!) die „Richtigkeit“ des geplanten Vorhabens sicherstellt. Für den Bereich Bildung gibt es generell nur wenige Sponsoren-Organisationen, bei denen du dich bewerben kannst. Diese nehmen unter anderem Kontakt zur Schule auf und prüfen den von der Schule auszufüllenden Trainingsplan. Der Trainingsplan legt detailliert fest, welche Aktivitäten wann, durch welche Mitarbeiter:innen und zu welchem Zweck für dich als Praktikant:in vorgesehen sind. Gerade für den Bereich Grundschule gibt es dabei strenge Regularien. Denn eigenständiges Unterrichten ist als Praktikant:in nicht erlaubt und der Kontakt zu kleinen Kindern nur eingeschränkt möglich. Hinzu kommen Auflagen zu speziellen Versicherungen, die viele Schulen für unbezahlte Praktikant:innen gar nicht leisten können.
24/7 unter Dauerstress
Die nächsten Wochen habe ich kaum geschlafen, sondern jeden morgen nach näheren Informationen zu den komplexen Bestimmungen für das Visum recherchiert und abends (Zeitverschiebung!) mit den unterschiedlichen Sponsoren in den USA telefoniert. Ein ständiges Auf und Ab, nach jedem kleinen Hoffnungsschimmer folgte ein dämpfender Rückschlag. Obwohl der DAAD nicht für Visa-Angelegenheiten zuständig ist, wurde ich dankenswerterweise unter anderem durch Gespräche mit einem DAAD-Kollegen aus den USA unterstützt. Die Zeit drängte, denn der Prozess von der Bewerbung beim Sponsor bis zum postalischen Zuschicken der benötigten Dokumente dauert mindestens sechs bis acht Wochen. Hier sind noch keine Wartezeiten für den danach erforderlichen Besuch beim US-amerikanischen Konsulat berücksichtigt, die durch coronabedingte Verzögerungen zum damaligen Zeitpunkt teils zwei Monate betragen haben. Nach unzähligen E-Mails, Telefonaten und nervenzehrenden Interviews musste ich mich geschlagen geben: Mein geplantes Praktikum würde in der angedachten Form nicht stattfinden können. Am Ende sagte mir meine Schule dann auch endgültig ab, da sie den komplexen und zeitintensiven Visa-Prozess nicht leisten konnte. Hier bin ich übrigens kein Einzelschicksal; mittlerweile sind wir mehrere Studierende, deren Praktikum nicht realisiert werden konnte. Das DAAD-Stipendium habe ich nicht mehr in Anspruch genommen.
Mittelmeer statt Golf von Mexiko
Für jemand wie mich, der sonst nach dem Motto „Spontanität will wohl überlegt sein“ verfährt, war die folgende Zeit eine große Herausforderung. Auf einmal sah ich mich gezwungen, abzuwägen: Sollte ich den Auslandsaufenthalt, vor dem ich sowieso lange gezögert hatte, einfach sein lassen und lieber in der vertrauten Heimat bleiben? Oder doch an einem Auslandsabenteuer festhalten und mir schnellstmöglich einen Plan B überlegen? Ich bin in mich gegangen und habe mich gefragt: Geht es mir nur um die USA, um diese eine Schule? Oder geht es nicht vielmehr um die generelle Erfahrung, das Über-Mich-Hinauswachsen?
Viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht. Ich musste handeln. Also habe ich die Voraussetzungen und Möglichkeiten in anderen englisch-sprachigen Ländern für mich geprüft und konnte mich dann für eine kleine Insel im Mittelmeer begeistern: Malta. Hier gibt es keine Hürden für ein studienbezogenes Praktikum – der EU sei Dank. Nachdem ich dort nach Schulen gesucht und wieder einige Bewerbungen losgeschickt hatte, erhielt ich die Zusage meiner jetzigen Mädchenschule in Paola.
Am Ende wird alles gut
„Du kannst den Wind nicht ändern, aber deine Segel anders setzen“ – selten hat ein Sprichwort so gut gepasst, wie hier. Nun absolviere ich mein Praktikum eben nicht in Florida am Golf von Mexiko, sondern auf Malta, umgeben vom Mittelmeer. Hier genieße ich es nun, im Zwergstaat jede noch so verborgene Ecke erkunden zu können, ein bisschen in die maltesische Kultur einzutauchen, die Abende mit neuen Freundinnen und Freunden auf der Dachterrasse ausklingen zu lassen und an meiner Schule die Schülerinnen im Schulalltag zu begleiten. Mittlerweile könnte ich mir keinen schöneren Auslandsaufenthalt mehr vorstellen. Manchmal kann so eine Planänderung also auch etwas Gutes haben!