6. März 2021
In diesem Text soll sich alles ums Thema (Landes-)sprachen der Schweiz und meinen mehrsprachigen Alltag drehen. Dazu lerne ich in der Uni noch eine komplett andere Sprache. Wieso, weshalb, warum? Das erfahrt ihr jetzt.
Aus eins mach vier
Typisch für die meisten Länder ist wohl eine, maximal zwei Landessprachen. In meinem Gastland, der Schweiz, gibt es dagegen sagenhafte vier: deutsch, italienisch, französisch und rätoromanisch. Diese Sprachen grenzen zugleich auch die vier Sprachregionen der Schweiz ab. Diese Mehrsprachigkeit stellt einen wesentlichen Punkt bezüglich der Identität der Schweiz dar.
Also beginnen wir unsere kleine Sprachreise in der Deutschschweiz. Sie umschließt Teile der Zentral-, Ost- und Nordwestschweiz und stellt den größten Sprachraum dar. Deutsch ist für rund 60% der Schweizer die Landessprache. Für mich als Deutsche ist das äußerst vorteilhaft. Im gesprochenen Alltag begegnet einem dann aber vorrangig das Schweizerdeutsch, oder eben Schwiizerdütsch, was genau genommen ein Gemisch von alemannischen Dialekten ist. Die Schriftsprache ist im Gegensatz dazu, vor allem an der Uni, Hochdeutsch. Übrigens: Der alemannische Dialekt wird – wenn auch Richtung Norden immer weniger ausgeprägt – auch in Baden-Württemberg gesprochen.
Die Romandie ist der französischsprachige Teil der Westschweiz. Für knapp 23% der Schweizer ist Französisch die Muttersprache. Im Schweizerdeutschen finden sich aber auch immer wieder Wörter, die dem Französischen entlehnt wurden und deshalb auch in der Deutschschweiz verwendet werden, wie zum Beispiel „Trottoir“ für „Fußweg“ oder „Velo“ für „Fahrrad“.
Setzen wir unsere geografische Sprachreise durch die Schweiz fort, landen wir im Kanton Tessin und Graubünden im Süden beziehungsweise Südosten der Schweiz. Hier wird Italienisch gesprochen. Der Anteil der Sprecher liegt schweizweit bei knapp 8%.
Rätoromanisch, eine Sprache mit lateinischen Wurzeln wird noch seltener, nur in Graubünden in der Ostschweiz gesprochen. Der Anteil der Sprecher liegt bei 0,5%, weshalb sie im Alltag kaum Bedeutung hat.
Graubünden, Freiburg, Bern und das Wallis sind die einzigen Kantone, welche offiziell mehrsprachig sind.
Mehrsprachigkeit im Alltag
Wie schon erwähnt, hat Rätoromanisch praktisch kaum mehr Bedeutung im Alltag eines Durchschnittsschweizers. Die anderen drei Sprachen hingegen umso mehr. Wer einen Einkaufsbummel durch Coop und Migros (beides schweizerische Lebensmittelgeschäfte) macht, dem fällt schnell auf, dass Zutaten und Co. in allen drei Sprachen abgedruckt sind.
Grundsätzlich wird sichergestellt, dass alle offiziellen Dokumente und Websites in allen Landessprachen zur Verfügung stehen.
Fernsehwerbung in der Deutschschweiz stellt dann häufig ein Gemisch aus Hochdeutsch und Schweizerdeutsch dar. Auch sonst ist es hilfreich, Schweizerdeutsch wenigstens in den Grundzügen verstehen zu können, wenn die Kassiererin mal wieder nach der „Quittig“ fragt und der Busfahrer ein fröhliches „Grüezi miteinand“ in den Bus ruft.
Auffällig ist aber auch: Sobald man vom Gegenüber als Deutsche*r enttarnt wurde, wird häufig unverzüglich zum Hochdeutschen gewechselt. Wohlwissend, dass eher wenige Deutsche auf Anhieb das Schweizerdeutsch und seine Eigenheiten verstehen. Für mich macht es das aber leider umso schwerer, es wirklich zu lernen.
Mein persönlicher Sprachfortschritt
Ich bin nun schon einige Wochen in der Schweiz und habe wohl noch nie so viele Sprachen gebraucht im Alltag. Aktuell sieht es bei mir so aus:
Mein „deutsches Hochdeutsch“ habe ich langsam durch „schweizer Hochdeutsch“ ersetzt. Das bedeutet beispielsweise, das „ß“ hier nicht verwendet und damit fast auch gänzlich aus meinem Sprachgebrauch gestrichen wurde. Auch sind Begriffe wie „Trotti“, „Velo“ und „schaffen gehen“ mittlerweile fest in den Grundwortschatz eingepflegt. Mit dem Verstehen des schweizerdeutschen Dialekts klappt es mittlerweile erstaunlich gut, mit dem sprechen hapert es dagegen noch ein wenig. Ein bisschen stolz bin ich allerdings schon, dass ich das Wort „Chuchichäschtli“ (Küchenschrank) aussprechen kann. Auch wenn mir von meinen Schweizer Freunden stets versichert wird, dass wirklich absolut niemand dieses Wort benutzt. Es wurde wohl – wie Toblerone – lediglich erfunden, um sich über Touristen lustig zu machen.
Durch die immer häufigere Begegnung mit dem Französischen, krame ich dieses seit kurzem auch ab und zu mal hervor und versuche meinem Level B2 zumindest beim Lesen gerecht zu werden. Zuletzt habe ich Französisch in der Oberstufe des Gymnasiums angewendet. Herrje.
Mehr als die Hälfte meiner Vorlesungen findet auf Englisch statt. Mein Abitur bescheinigt mir für diese Sprache Niveau B2+. Als besonders anspruchsvoll stellen sich zwar definitiv die juristischen Fachbegriffe heraus, es macht aber viel Spaß, sich persönlich der Herausforderung zu stellen und teils schon bekannten Stoff aus dem Europa- und Völkerrecht in einer anderen Sprache gelehrt zu bekommen und sich mit Studenten aus der ganzen Welt darüber auszutauschen.
Last but not least wird mein persönliches Sprachenquartett mit einer ganz anderen Sprache vervollständigt: Ich wurde für einen Spanisch A1-Kurs vom Sprachenzentrum der UZH angenommen und habe bereits 2 Wochen Online-Unterricht geschafft. Eigentlich lag es auf der Hand, Italienisch als verbliebene Landessprache zu lernen, allerdings hat mich Spanisch schon immer mehr gereizt. Zudem ist der weltweite Anteil an Sprechern höher. Das Sprachenzentrum bietet die zahlreichen Kurse zu bezahlbaren Preisen an (ich zahle 80 Franken für meinen Spanischkurs, das sind rund 72 Euro). Die Herausforderung lohnt sich also bisher!
Ich bin gespannt, wohin mich meine persönliche Sprachreise noch führt und wie sie mich später eventuell auch im Berufsleben begleitet. Denn die letzten Wochen habe ich gemerkt, wie wichtig verschiedene Sprachen im Alltag (vor allem auch in der Schweiz) sein können.