16. Februar 2020
Warum es sich im Leben lohnt, den inneren Schweinehund zu überwinden? Ich erzähle von meinen Erfahrungen des ersten Unitages im Hospital Clínic der Universitat de Barcelona, als auch meines ersten Praktikumstages des Psychiatriepraktikums. Schnell wird deutlich werden, wieso sich Selbstdisziplin im Leben auszahlt.
Mein erster Unitag
Labyrinth der Fakultät
Es ist 8 Uhr morgens und ich habe mich gefühlt wie am ersten Schultag, mit dem Unterschied, dass ich keine Schultüte in der Hand hatte. Ich war aus diesem Grund auch sehr rechtzeitig unterwegs und letztendlich 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn am Eingang der Fakultät, da ich den Weg zur Aula 7 erfragen und finden musste. Dennoch war ich dann überraschenderweise viel zu früh dran und die Tür des Hörsaals war sogar noch verschlossen. Irgendwann wurde diese jedoch aufgesperrt und ich hatte freie Platzwahl im doch sehr kleinen Raum. Links hinten ist ein guter Ort für den ersten Tag, dachte ich mir.
Vor dem Unterricht
Langsam füllte sich der Hörsaal mit den anderen Studierenden. Ich befinde mich inmitten Spaniern in einer sehr ausgelassenen Atmosphäre. Zudem bin ich nicht direkt als Erasmusstudent aufgefallen, was eigentlich sogar sehr angenehm war. Kurz vor der Vorlesung vergewisserte ich mich erneut, ob der Dozent auch spanisch sprechen und die Vorlesung nicht auf katalanisch halten würde. Er versicherte mir, dass er weit entfernt von Katalonien geboren wurde und dies auf keinen Fall passiert, auch wenn er die Sprache mittlerweile fließend kann. Außerdem war er sehr erfreut einen Erasmusstudenten in der Vorlesung zu sehen und auch noch auf spanisch angesprochen zu werden.
Die Vorlesung
Letztendlich war es doch schwerer als gedacht, aufmerksam zuzuhören, da die Stimme des Profs gegen das Hintergrundgeräusch der Laptoptastaturen ankämpfen musste. Das verwunderte mich tatsächlich, dass 95 % der Studierenden mit Laptop in der Vorlesung saßen und man deshalb von einem Meer aus Köpfen und Bildschirmen umgeben war. In Deutschland ist die Verwendung von Block und Stift noch verbreiteter. Oftmals wird auch einfach zugehört und nicht so „verschult“ Wort für Wort, wohlgemerkt freiwillig, mitgeschrieben. Ich sehe dies keineswegs als Vorteil oder Fleißpunkt, sondern es ist einfach dem System geschuldet, dass die spanischen Studierenden für Prüfungen anders lernen und anders strukturiert sind.
Die Vorlesung dauerte zwei Stunden. Was ich persönlich zu lang finde. Die Konzentration lässt mit der Zeit einfach nach, vor allem bei ständigem „klack klack klack“. Letztlich wollte ich der Vorlesungsreihe eine zweite Chance geben und setzte mich im zweiten Anlauf nach vorne und auf die rechte Seite, auf der auch das Pult des Dozierenden auf einer Anhöhe stand. Dort kam der Lärm jedoch dann vom Garten, der Aufenthaltsraum für die Studierenden. Die Fenster wollten wir aufgrund der Hitze nicht schließen.
Mein erster Praktikumstag
Die Vorgeschichte
Zuerst war ich fälschlicherweise in der psychiatrischen Notaufnahme und bin mit dem Assistenzarzt im Anschluss in die Besprechung gelaufen. Erwartungsvoll ging ich zu meinem ersten Praktikumstag. Escalera 9, Stock 6, zu genau dem Zimmer, bei dem ich auch 4 Wochen früher schon einmal gewesen bin. Damals hatte ich noch keinen Zugang zum Virtual Campus und wusste nicht, welcher Gruppe ich zugeordnet war. Deshalb ging ich vorsichtshalber mal zu Gruppe A um dies abzuklären oder vielleicht Glück zu haben. Nach einer anfänglichen, mehr oder weniger kurzen Patientenbesprechung, wurde jeder Studierende einem Arzt zugeteilt. Als ich am Ende noch nicht aufgerufen wurde, habe ich kurz nachgefragt. Da ich nicht auf der Liste stand, musste ich ins Sekretariat im ersten Stock und habe herausgefunden, dass ich in Gruppe C bin und erst in 2 Wochen wieder erscheinen muss. Für mich war das Thema erledigt und ich habe im Internet nicht weiter nachgeschaut und stand in 2 Wochen wieder auf der Matte, jedoch wurde ich dieses Mal in den siebten Stock geschickt. Dort waren erst mal nur Pfleger anzutreffen und jeder war verdutzt, weil ich schon um 7 Uhr hier war, da Ärzte erst um 9 Uhr erscheinen würden. Dann war ich doch etwas verwirrt und habe im Internet nachgeschaut. Im Virtual Campus habe ich das Wort Terrassa in der Spalte des Ortes entdeckt. Also ist auch die Hoffnung verflogen, dass dies der Name eines Arztes sei. Dann wurde mir jedoch mitgeteilt, dass dies ein etwa eine Stunde nördlich gelegener Vorort von Barcelona sei, deren Krankenhaus ebenfalls zu den Lehrpraxen der UB gehört.
Die letzte Hoffnung
Dann bin ich wieder zurück in den sechsten Stock und es wurde schnell klar, dass ich hier falsch bin. Das Ganze hat sich letztendlich bis 10 Uhr hingezogen und der erste Praktikumstag wäre eigentlich um 13 Uhr schon vorbei gewesen. Nach Terrassa zu fahren hat sich in meinen Augen also nicht mehr gelohnt. Ich habe gefragt, ob ich den ersten Tag im Hospital Clinic absolviere dürfte und dann ab dem zweiten Tag in Terrassa starten könnte. Der Professor hat mir jedoch erklärt, dass dies nicht ginge, da man am ersten Tag dem zugehörigen Arzt und der Station zugeteilt würde und dieser somit wirklich wichtig sei. Ich habe dann kurz überlegt, ob ich den ersten Tag beziehungsweise vielleicht auch das Praktikum einfach ausfallen lassen sollte. Ich hatte Bedenken wegen der Sprache, da ich mich nun weit im katalanischen Inland befinden würde. Es ging mir weniger um die weite Anreise und die Umstände an sich, als die Tatsache, dass Erasmusstudenten nicht im Haupthaus eingeteilt werden.
Lehre fürs Leben
Letztendlich muss man sich jedoch manchmal einfach durchbeißen und über den eigenen Schatten springen! Und so war ich eine Woche in Terrassa im Krankenhaus. Dort wurde ich auf die Station der „subakuten“ Geschehen eingeteilt, also mit stabilen Patienten, bei denen ein Ereignis, eine Episode bereits etwas zurückliegt. Vorher durfte ich jedoch bei einer TEC, terapia electroconvulsiva, zugucken, einer elektrokonvulsiven Therapie, die bei therapieresistenten psychiatrischen Erkrankungen angewendet werden können. Das hat sich schon angefühlt wie in einem Film der 70er Jahre, wenn durch Elektroden an den Schläfen ein Elektroschock durch den Patienten fließt. Im Anschluss an diese Woche ging ich noch sieben Tage nach Sant Cugat, das sich am Ende von Zone 1 des Verkehrsnetzes befindet. Dort befindet sich ein zugehöriger Nebenstandort zur Betreuung ambulanter Patienten.
Sant Cugat
Als ich reinkam, wurde ich sehr herzlich empfangen, aber dann wurde mir erst mal gesagt, dass wir sehr viele Patienten haben und uns ein langer Tag bevorsteht. Ich hatte erst einmal nur im Kopf rechtzeitig rauszukommen, weil ich pünktlich zum Sprachkurs gehen wollte. Dann war ich jedoch sehr verwundert, dass jeder zweite Patient nicht aufgetaucht ist. In Deutschland würde man sofort angerufen werden, hier überwieget die „Dann habe ich Zeit für etwas Anderes-Mentalität“. Aber die Praxis zählt auch zum Krankenhaus und war nicht in privater Hand, was hier sicherlich auch Punkt ist, der mit berücksichtigt werden muss. Dann waren wir im Arztkittel, nur eine Querstraße entfernt, einen Kaffee trinken. Das war natürlich etwas komisch, so inmitten von anderen Dorfbewohnern. Ein paar Stunden später sind wir mit einer Kollegin der Ambulanz, die das zweite Sprechzimmer betreut, noch mal gegangen. Die Pause sei einem aber nun gegönnt. Ein bisschen hat es mich an meine Praktika in Deutschland beim Hausarzt erinnert. Private Gespräche kamen zustande und man hat sich heimischer und wohler gefühlt in Sant Cugat.
Viele Patienten haben katalanisch gesprochen, was für mich nicht perfekt war, jedoch hat mir der Arzt versichert, dass katalanisch nicht schwer sei. Ich müsste nur drei Regeln beachten. Über die erste Regel sind wir aber dann nicht hinausgekommen, da die Kaffeepausen aufgrund der Patientenanzahl kürzer ausgefallen ist: Bei der Vergangenheitsform nimmt man einfach den Infinitiv des Verbes mit folgendem Unterschied: Man muss zusätzlich das Verb „ir“ (gehen) im Präsens in konjugierter Form vorne dranhängen. Deshalb ist es für Spanier, schwierig zu verstehen, weil diese Kombination so in dieser Kombination nicht existiert.
Letztendlich hat meine Zeit in der Klinik viel dazu beigetragen, meine Spanischkenntnisse zu verbessern. Aber auch um katalanisch Sprache zu verstehen, war es hilfreich. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, diese Erfahrungen ebenfalls zu suchen und erleben. Auch das entfernte Praktikum war im Nachhinein halb so schlimm und ich würde es gerne immer wieder so absolvieren.