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Mein (WG-)Leben außerhalb der Komfortzone

Vielleicht lebst du gerade auch in einer WG und machst ähnliche Erfahrungen wie ich durch. Oftmals fühle ich mich nämlich im WG-Alltag ziemlich überfordert – fremde Leute, unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Auffassung von Ordnung. In diesem Blogartikel möchte ich meine Erlebnisse und Erkenntnisse zum WG-Leben teilen. Sofern du etwas Ähnliches erlebst: Du bist damit nicht allein.

Vor ein paar Wochen erzählte ich meinen Freundinnen aus der Heimat, dass mir das gemeinschaftliche Wohnen teilweise ziemlich Energie raubt und ich mich in der WG auch manchmal unwohl fühle. Aus irgendeinem Grund dachte ich, ich sei mit diesen Gefühlen und Gedanken alleine. Doch eine meiner Freundinnen, wusste genau wovon ich spreche und verstand mich ziemlich gut – denn sie macht in ihrer WG ähnliche Erfahrungen. 

Das totale Chaos?!

Um meine folgende Situation und meine daraus resultierenden Gefühle etwas zu schildern, denke ich es ist hilfreich meinen Hintergrund etwas näher zu beschreiben. Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, der stets sauber und aufgeräumt war. Die Dinge hatten ihren Platz und sollten auch nach Gebrauch zeitnah wieder aufgeräumt werden. Das war für mich von Vorteil, denn bereits als Kind breitete sich in mir, beim Anblick von unaufgeräumten Szenen, Unruhe aus. Es fühlt sich auch heute noch so an, als würden meine Atome hektisch umherspringen. Schließlich setzte ich den ordentlichen Lebensstil in der gemeinsamen Wohnung mit meinem Freund um. Es gibt mir ein gutes Gefühl und beruhigt mich, wenn ich auf gepflegte Szenen blicke. 

Die Szene zeigt einen Tisch voller Getränke und Snacks auf der Geburtstagsparty von Paulas Mitbewohnerin. An der Wand hängt eine rosa-farbene Ballon-29-Ziffer.
Eine gute Sache am WG-Leben: Geburtstagspartys der Mitbewohner:innen. So ´wie hier der Geburtstag meiner Mitbewohnerin. Glücklicherweise ist der Weg ins Bett in solchen Fällen ganz kurz.

Nun, in meiner jetzigen Wohngemeinschaft, ist es nicht immer ganz so ordentlich, sauber und aufgeräumt. Stapelndes Geschirr, im Haus verteilte Kleidung und Schuhe oder ein chaotisches Wäschezimmer, sind hier keine Seltenheit. Da liegt es jetzt wohl nicht mehr so fern, dass ich bei diesem Anblick die Krise bekomme. Vermutlich ist das Ordnungs-Thema in WGs den meisten von uns sehr gut bekannt. Bis vor kurzem störte mich das extrem. Ehrlich gesagt verstand ich auch nicht, wieso benutztes Geschirr nicht einfach sofort in die Spülmaschine gestellt wird, dafür aber schön neben der Spüle drapiert wird.

Ständig mit dieser Unordnung konfrontiert zu werden, versetzte mich in innerliche Unruhe. Ich hatte das Gefühl in meine Safe-Space würde eingegriffen werden; hatte das Gefühl ich könnte mich nur in mein Zimmer zurückziehen und mied eine Zeit lang die anderen Bereiche der Wohnung. Mir war zu viel los, zu viele Objekte – es war mir schlichtweg zu unruhig. Hinzu kommt, dass im Wohnzimmer auch viel ferngesehen wurde. Kurz: Ich fühlte mich nicht wohl. 

Paula hält einen Cappuccino in einem Glas in die Kamera. Im Hintergrund ist eine der Wohnzimmerpflanzen ihrer WG zu sehen.
An den Wochenenden frühstücke ich meistens ganz gemütlich im Wohnzimmer meiner WG. Zu dieser Uhrzeit schläft der Rest noch. 

In den letzten Monaten lernte ich erstens diese Unordnung nicht mehr so an mich ranzulassen; Abstand davon zu nehmen. Ich versuche keine Energie dafür aufzubringen, mich darüber aufzuregen. Stattdessen bin ich dankbar, dass die Verantwortung nicht bei mir liegt das Chaos zu beseitigen. Zweitens lernte ich, dass Menschen auch hinsichtlich der Ordnungsauffassung unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Das ist voll in Ordnung. Ergänzend ist meine Zeit hier in einer Wohngemeinschaft begrenzt; sobald ich wieder in unserer Wohnung in Deutschland lebe, darf ich so sauber, ordentlich und aufgeräumt sein wie ich nur mag. Und ich bin auch nicht perfekt. Ich lasse ebenso Dinge liegen und nehme, laut meines Mitbewohners, im Kühlschrank zu viel Platz ein. Seit ein paar Tagen blicke ich viel entspannter auf diese ganze Situation: Geschirrstapel und Co. stören mich nicht mehr. Ich glaube auch, dass es ein Lernprozess ist wohin man die eigene Energie lenken aber auch Energie aufbringen möchte. 

Unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Charaktere

Offensichtlich unterscheidet sich das Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft von dem Zusammenleben in einer Partnerschaft. Allen voraus, dass die Tatsache aus welchem Grund sich dafür entschieden wird zusammenzuziehen anders ist. So nehme ich wahr, dass in meiner WG verschiedene Menschen mit diversen Charakterzügen und Lebenseinstellungen aufeinandertreffen. Gespräche enden oftmals in Diskussionen, weshalb ich hier in Amsterdam eine ganz andere Seite von mir kennenlerne. Denn ich lerne gerade sehr meine Meinung zu vertreten und für mich, sowie meine Werte einzustehen. Vor ein paar Monaten kostete es mich eine Menge Überwindung mich selbst verbal zu verteidigen. Ein Rückzug aus hitzigen Diskussionen war keine Seltenheit; ich hielt mich eher im Versteck. Da nun Gesprächsthemen aufkommen, in denen ich mit meinem Gegenüber nicht einer Meinung bin, gehe ich in die Offensive. Ich entwickle eine innere Stärke, die mich ermutigt meine Stimme zu benutzen und auch mal laut zu werden. Glaube mir, sowas kam bei mir bis jetzt nur vereinzelt vor. 

Paula steht im Veluwezoom National Park in den Niederlanden. Es ist Winter und sie hat ein schwarzes endanliegendes Rollkragen-Longsleeve an. Ihre Haare sind gelockt und in ihren Armen hat hinter sich einen großen beige-roten Schal ausgebreitet.
Ich werde hier selbstbewusster und selbstsicherer; lerne Grenzen zu setzten.

Meinungsverschiedenheiten in meiner WG versuche ich als Learning meines Auslandaufenthaltes zu betrachten. Gewisse Diskrepanzen gehören zum Leben dazu. Infolgedessen bin ich dankbar, dass es zu „Wortgefechten“ kommt. Mich selbst auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen bereitet mir Freude. Da Diskussionen dennoch kräftezehrend sein können, finde ich es angemessen gewisse Themen bewusst zu meiden oder nur „normale“ Unterhaltungen zu führen.

WG-Knigge?

Selbst wenn ich mit meinem WG-Leben die ein oder andere Schwierigkeit habe, ich hätte mich wieder dafür entschieden. Es sind die neuen Erkenntnisse über mich selbst und über meine Umwelt, die mich beflügeln und mein Fundament stärken. Ich darf lernen Grenzen zu setzen. Ich darf lernen mich unwohl fühlen zu können und trotzdem bei mir selbst ankommen zu dürfen. Somit verfestigt sich bei mir in solchen Momenten die tiefe Freundschaft und Verbindung zu mir selbst. Diese Freundschaft, Liebe und das Verständnis, die meinen verunsicherten und vielleicht auch mal gekränkten Anteil aus dem Loch ziehen. 

Die schönen Seiten am gemeinsamen Leben in einer Wohngemeinschaft erlebe ich aber auch. Da ich selten alleine bin, fühle ich mich nie ganz einsam. Obgleich ich nicht mit meinen Mitbewohner:innen kommuniziere, reicht es mir oft schon aus, zu wissen jemand ist mit im Haus. Ihre Schritte oder Bewegungen zu hören geben mir das Gefühl von Sicherheit. 

Des Weiteren finde ich es enorm hilfreich, durch das gemeinschaftliche Wohnen, direkt mit Personen in einer fremden Stadt in Kontakt zu kommen. Meistens leben die eigenen Mitbewohner:innen bereits etwas länger dort und stehen einem bei Fragen zur Seite. So half mir mein Mitbewohner mich in Amsterdam zurechtzufinden und zeigte mir in den letzten Monaten coole Bars mit Live-Musik.

Wachstum entsteht außerhalb der Komfortzone – genau das habe ich hier erfahren. Es waren zwar viele kleine Schritte, jedoch ermutigen mich diese Erfahrungen, weitere Herausforderungen in meinem Leben anzunehmen.

Wie erlebst du das Leben in einer Wohngemeinschaft? Hast oder hattest du vor der Entscheidung in eine WG zu ziehen Bedenken? Teile deine Gedanken gerne mit mir und den anderen Leser:innen unter diesem Blogartikel oder auch auf meinen Social-Media-Kanälen, wie auf Instagram @paulakyra oder Twitter @PaulaKyra

Ganz viel Mut,

Paula <3

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