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Mexiko in den Zeiten von COVID-19


Ja, auch hier in Mexiko ist die Lage angesichts der SARS-CoV-2 Pandemie kritisch. Trotzdem habe ich mich, nach sehr vielen schlaflosen Nächten, dazu entschieden im Land zu bleiben. Nein, es ist nicht das gleiche ob man diese Situation in Deutschland oder in einem Land wie Mexiko erlebt. Aber wie genau sehen diese Unterschiede aus und wie erlebt man so eine Ausnahmesituation im Ausland?

Wie alles begann

Als ich Anfang März in Mexiko ankam, gab es gerade die allerersten importierten Fälle aus Europa und man konnte sich noch kaum vorstellen, dass das Land ebenso getroffen werden sollte. Etwa eine Woche dauerte diese Illusion an, in der ich zum Campus fuhr, meine Betreuerin der Master Arbeit traf, gemütlich im Café recherchierte und mich mit meinen Kommilitonen zu Spieleabenden traf. Während wir am 14. März noch bei Pizza und Bier gemeinsam in einer Bar darüber spekulierten ob man sich über die Verbreitung von Corona in Mexiko Sorgen machen sollten, teilte das Spielecafé, in dem wir vor einer halben Stunde noch gewesen waren, auf seiner Facebook Seite mit, dass es aufgrund der aktuellen Krise bis auf Weiteres schließen würde. Plötzlich war Corona in unserem Alltag angelangt und von diesem Moment an veränderte sich das Leben in Mexiko rasend schnell.

Wie hat sich der Alltag verändert?

Auf einmal sah man Menschen mit Mundschutz herumlaufen und in den Läden war das Desinfektionsmittel ausverkauft. Die Stimmung kippte. Ich selbst war sehr verunsichert wie ich mit der Situation umgehen sollte, schließlich kann niemand mit Sicherheit sagen wie sich die Ausbreitung von Covid-19 im Land auswirken wird. Viele Studierende haben ihren Auslandsaufenthalt abgebrochen und sind nach Deutschland zurückgekehrt und auch ich war tagelang hin und hergerissen, ob ich bleiben sollte oder nicht. In dieser Zeit habe ich viel mit meinen Eltern telefoniert, mit meinem Betreuer in Deutschland geskyped, mich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes (ELEFAND) eingetragen, mich mit meinen Freunden in Mexiko ausgetauscht und war vor allem eins: extrem gestresst. Letztendlich konnte ich nicht sicher wissen, welche nun die richtige Entscheidung sein würde. Natürlich war der Gedanke reizvoll, die ganze Sache zu Hause bei meinen Eltern durchzustehen und sich nicht allein im Ausland durch so eine Ausnahmesituation durchkämpfen zu müssen. Ich stand sogar schon auf der Liste eines Rückholfliegers, der Deutsche aus Mexiko nach Hause bringen sollte. Doch genau in diesem Moment, in dem ich mich spontan für oder gegen den wahrscheinlich vorläufig letzten Flug nach Deutschland entscheiden musste, sagte mir mein Bauchgefühl, dass ich bleiben sollte. Ich hatte hier immerhin schon ein Jahr lang gelebt und hatte dadurch eine Art Zuhause gefunden. Auch wenn mir der Gedanke an die vergleichsweise deutlich zurückliegende Gesundheitsversorgung Angst bereitet, überwiegt das Gefühl dass ich gerade an dem Ort bin, an dem ich sein sollte und sein möchte. Seit ich diese Entscheidung getroffen habe, ist in mir ein Stück weit Ruhe eingekehrt und ich hatte keine nachträglichen Zweifel mehr.

Welche Maßnahmen gelten aktuell?

Momentan hört das ganze Land auf diesen Mann, nein, nicht auf den Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO), sondern auf den Unterstaatssekretären für Prävention und Förderung der Gesundheit, Hugo Lopez-Gatell. Der Unterstaatssekretär ist Chirurg, Facharzt für innere Medizin, hat einen Doktor in Epidemiologie und forscht seit Jahren an Infektionskrankheiten. Er ist derjenige der jetzt im Land die Entscheidungen trifft und kommuniziert. Täglich gibt er eine einstündige Pressekonferenz, in der er die neusten Entwicklungen der SARS-CoV-2 Epidemie in Mexiko bespricht und Fragen der Presse beantwortet.

Am 30. März wurde in Mexiko der gesundheitspolitische Notstand ausgerufen und damit nationale Maßnahmen zur Eindämmung eingeleitet:

    • Bis zum 30. April (mittlerweile 30. Mai) werden alle nicht essenziellen Aktivitäten des öffentlichen und privaten Sektors niedergelegt
    • Kindergärten, Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen sind geschlossen
    • Orte der Freizeitgestaltung wie Kirchen, Parks, Museen, Kinos, Strände, etc. sind geschlossen
    • Freiwillige Ausgangssperre für alle (es wird an die Vernunft der Bürger appelliert, die klare Botschaft lautet: Quédate en Casa (Bleib zu Hause!)
    • Ausgangssperre für vulnerable Gruppen
    • Essenzielle Aktivitäten sind auf 50 Personen begrenzt, unter Einhaltung des Mindestabstandes und den Geboten der Hygiene

Zu den Hygienemaßnahmen gehören zum Beispiel, dass man nur noch als Einzelperson einkaufen gehen darf. Die Einkaufswagen werden in regelmäßigen Abständen zur Desinfektion eingesprüht und vor jeder Benutzung werden die Griffe desinfiziert. Betreten darf man Supermärkte nur noch mit Mundschutz und vor Einlass wird die Körpertemperatur gemessen. Außerdem ist es Pflicht beim Ein- und Ausgang Desinfektionsgel zu benutzen und im Laden Abstand zu halten. Auch Fahrdienste wie Uber halten ihre Fahrer dazu an, ihr Auto ventiliert zu halten und Desinfektionsgel für Fahrgäste bereitzuhalten.

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Mexiko keine Bußgelder für Zusammenkünfte von Menschen oder für das Aufrechterhalten eines Betriebes der eben nicht essenziell ist. Anfangs hatte ich dafür kein Verständnis, da es natürlich ohne Kontrolle des Staats doch noch viele Menschen gibt die sich nicht an die Regeln halten und man beispiesweise immer noch an gefüllten Restaurants vorbei läuft. Nach einigen Gesprächen mit Mexikaner*innen habe ich aber eingesehen, dass die Situation eben nicht so leicht zu vergleichen ist.

Deutschland vs. Mexiko: Warum ist Mexiko anders getroffen?

Die deutsche Regierung hat für die aktuelle Krise ein finanzielles Rettungspaket beschlossen, für welches das Land sich verschuldet um bestimmte Sektoren zu entlasten. Aussetzungen von Mietzahlungen, zinsfreie Kredite, Kurzarbeitergeld,.. kann man das nicht auch in Mexiko einführen? Puh, ein komplexes Thema.. Ja es gibt auch in Mexiko Sozialleistungen vom Staat, die zum Beispiel der sozialschwachen Bevölkerung eine kostenlose Krankenversicherung bietet. Wenn aktuell ein Betrieb aufgrund der Pandemie schließen muss, hat die Regierung gesetzlich verpflichtend beschlossen, dass Mitarbeitern für den ersten Monat das volle Gehalt ausgezahlt werden soll, auch wenn sie nicht arbeiten können. Danach soll Mindestlohn gezahlt werden. Aber wer kontrolliert ob diese Regelung auch wirklich eingehalten wird? Und wie überlebt eine Familie nach dem ersten Monat wenn der Mindestlohn in Mexiko bei 132.22 mexikanischen Pesos am Tag liegt? Das sind gerade mal 5€ für einen Tag Arbeit! Auf der anderen Seite können kleine und auch manche mittelständische Unternehmen es sich nicht leisten, ihren Mitarbeitern volles Gehalt zu zahlen, ohne Gewinn einzunehmen. Betrachtet man die Bevölkerung dann steht der deutschen Wohlstandsgesellschaft mit Hang zum überversichern und sparen die mexikanische Realität gegenüber, in der ein bedeutender Teil der Bevölkerung in extremer Armut lebt. Viele Menschen leben quasi von der Hand in den Mund, brauchen das Geld das sie verdienen zum überleben und zwar von einem Tag zum anderen. Fällt das Einkommen weg dann kommt die Bedrohung der Existenz. Deswegen ist es eben auch ein Luxus zu Hause zu bleiben und den Betrieb einzustellen. Ein Luxus den sich viele in Mexiko nicht leisten können. Betrachtet man den Staat gibt es auch hier Gefälle. Nicht jedes Land kann es sich wie Deutschland erlauben, Schulden aufzunehmen und damit die nationale Wirtschaft weiter zu belasten. Der kürzlich beobachtete Fall der Benzinpreise zum Beispiel, hat auch die mexikanische Wirtschaft stark belastet, was man unter Anderem am Wertverlust der nationalen Währung beobachten kann.

Wie sich die Lage in Mexiko im Angesicht der Pandemie weiter entwickeln wird bleibt abzuwarten.

Egal ob im Ausland oder zu Hause in Deutschland, passt auf euch auf und bleibt gesund!

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