13. April 2024
Lehramtsstudierende gehen laut Studien seltener für ein Studium oder Praktikum ins Ausland – insbesondere Studierende im Primar- und Sekundarschulbereich 1 sowie Studierende, die keine Fremdsprache unterrichten (werden). Dabei sprechen meiner Meinung nach, nur wenige Gründe dagegen.
Ich bin Studentin an der Universität Mannheim und habe bereits meinen Master of Education für Spanisch und Deutsch in der Tasche, der mich zur Bewerbung auf das Referendariat zulässt. Dennoch habe ich mich mit Beginn meines Masters dazu entschieden, ein weiteres Fach zu studieren, um dieses (potenziell) unterrichten zu können: das sogenannte „Erweiterungsfach“, in meinem Fall Politikwissenschaft. Mit diesem bin ich ins Auslandssemester gegangen.
Meine Gründe für ein Auslandssemester mit Lehramtsstudium werde ich im Folgenden beschreiben. Dabei werde ich auf verschiedene ‚Mythen‘ eingehen und diese – zum Großteil – widerlegen. Am Schluss beschreibe ich Alternativen zu einem Auslandssemester, die dich speziell als Lehramtsstudent:in (oder Absolvent:in) interessieren könnten.
Die Mythen – was ist dran?
1. Ein Auslandssemester verlängert die Studiendauer!
Nicht wirklich – zumindest gilt dies nicht für die Universität Bergen. Was meine Studiendauer definitiv verlängert hat, ist das Erweiterungsfach an sich. Schließlich studiere ich parallel zu meinem Masterstudiengang einen weiteren Master. Für mich war von Vorteil, das Erweiterungsfach zu studieren, da ich mich so noch während bzw. nach erstem Masterabschluss (spät) für ein Auslandssemester entscheiden konnte. Ganz ehrlich: Zu Beginn meines Masterstudiums war ich mir noch nicht darüber bewusst, ein Auslandssemester absolvieren zu wollen. Der Gedanke kam mir dann erst im 4. Mastersemester, als mein Freund für ein Semester ins Ausland gegangen ist – also schon zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt meines Masterstudiums.
Zudem verstehe ich, dass aufgrund des Vielfächerstudiums – neben Pädagogik das Studium von mindestens zwei Fächern – manchen Lehramtsstudent:innen die „Motivation“ fehlt, ein Auslandssemester anzutreten. Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich bereits an der Heimatuni deshalb überfordert fühlst. Aber gute Nachrichten: Kurse werden dir angerechnet. Zumindest habe ich von noch keinem:r Lehramtsstudierenden hier gehört, dass er oder sie Probleme mit der Anrechnung der Kurse hatte. Und hier in Bergen bekommst du für vergleichsweise weniger Aufwand als an (zumindest meiner) Heimatuni mehr ECTS! In Politikwissenschaft liegen diese pro Kurs bei meistens 10 oder 15 ECTS. In der Heimat bekomme ich dafür „gerade mal“ die Hälfte an ECTS. Deshalb ist es für einen 15-ETCS-Kurs (zumindest an meiner Heimatuni) sogar möglich, sich zwei Kurse anrechnen zu lassen. Allerdings ist das natürlich von den Kursangeboten der Unis abhängig und wird individuell mit deiner Fakultät vereinbart. Es handelt sich also hierbei nur wie in dem gesamten Blog, um meine persönliche Erfahrung. Schau doch hierfür mal in die Erfahrungsberichte deiner Uni. Kurzum: Der Mythos stimmt also nicht.
Im Rahmen eines Auslandsaufenthalts, der über Erasmus+ gefördert wird, soll am Ende ein Erfahrungsbericht von der/ dem jeweiligen Studierenden verfasst werden. Diese werden auf der Webseite der jeweiligen Uni veröffentlicht. Das hat den Vorteil, dass Interessierte sich online über eine Eignung eines Auslandsaufenthalts für ihren Studiengang informieren können – unter anderem die Finanzierung, das Kursangebot, das Leben vor Ort usw.
2. Du musst die Sprache des Landes können, um dort zu studieren!
Du möchtest Norwegisch an der Universität Bergen lernen?
Das ist für internationale Studierende möglich! Analog zur Kursanmeldung zu Beginn des Semesters kannst du dich auf einen Platz in einem Norwegisch-Kurs bewerben. Allerdings ist die Anzahl an Plätzen begrenzt. Mehr Informationen zu dem Bewerbungsprozess und den Kursinhalten bzw. -niveaus findest du hier.
Auch das kann ich widerlegen. Das Studium in Bergen ist auf Englisch und das bin ich auch von meiner Heimatuni gewohnt. Insofern war es keine Umstellung. Die Uni Bergen hat zudem ein sehr großes Angebot an Vorlesungen und Seminaren auf Englisch, die teilweise speziell für internationale Studierende angeboten werden. Der Nachteil daran ist allerdings, dass du weniger mit einheimischen Studierenden in Kontakt kommst.
Trotzdem finde ich es spannend, mit einer anderen – mir „unbekannten“, aber zum Deutschen ähnlichen – Sprache in Kontakt zu kommen. Ich lebe nach dem Motto: Eine weitere Fremdsprache kann niemals schaden! Aber das sage ich auch als leidenschaftliche Linguistin. 😉
Und schon gar nicht ist es so, dass du nur Vorteile aus einem Auslandssemester ziehst, wenn du Lehramtsstudent:in mit einer Fremdsprache als Fach bist:
3. Ein Auslandssemester mit Lehramtsstudium lohnt sich nur, wenn du eine Fremdsprache unterrichtest!
Okay, ich habe es bereits vorweggenommen, aber: Ein Auslandssemester bringt dich meiner Meinung nach immer weiter, auch wenn du keine Fremdsprache unterrichtest. Wenn du – wie mittlerweile in vielen Bundesländern eingeführt – den Bachelor und Master of Education studierst, stehen dir neben dem Lehramtsberuf noch viele weitere (Berufs-)Möglichkeiten offen. Wenn du dann nachweisen kannst, dass du für eine längere Zeit im Ausland warst, ist das sicherlich kein Nachteil – im Gegenteil. Das zeigt, dass du mutig handelst, eigenständig bist und dich in einer fremden Umgebung zurechtfinden kannst. Außerdem verbessern sich dadurch auch deine Englischkenntnisse, die in vielen Berufen gefragt sind. Kurze Randnotiz: An der Universität Bergen konnte ich mit meiner Heimatuniversität nur mit B2-Niveau in Englisch oder höher angenommen werden. Ich weiß aber auch von anderen Studierenden aus Deutschland (und anderen Ländern) in Bergen, dass diese den Sprachnachweis nicht vorlegen mussten.
Speziell mit Blick auf Lehramtsstudierende gilt auch: Du eignest dir durch einen Auslandsaufenthalt interkulturelle Kompetenz und den „Umgang“ mit (zunehmender) Heterogenität an. Denn im Auslandssemester triffst du auf verschiedene Kulturen.
Nicht nur beruflich, sondern auch für dich leistest du eine Persönlichkeitsentwicklung: Du lernst dich selbst neu kennen und kommst aus deiner Komfortzone. Das bedarf also nicht nur beruflicher Gründe. 🙂
4. Du bist einem „Kulturschock“ ausgeliefert!
Essgewohnheiten in Norwegen
Wie im Deutschen gibt es zu Beginn des Tages ein Frühstück. Das Mittagsessen (lunsj) besteht hingegen aus einem Imbiss und ist üblicherweise kalt. Die warme (Haupt-)Mahlzeit – witzigerweise middag genannt – erfolgt dann erst zwischen 17 und 18 Uhr. In der deutschen Küche wahrscheinlich weniger bekannt: das aftensmat oder kveldsmat. Hierbei handelt es sich um einen Imbiss, der gegen 21 Uhr eingenommen wird.
Jein. Ich würde sagen, für Norwegen gilt das nicht. Hier ist die Kultur recht ähnlich, zu der in Deutschland: die Sprache, die Universität, die Essgewohnheiten (zumindest gilt das für mich 😉 ), das Gesundheitssystem und vieles mehr. Als Deutsche:r wirst du dich wundern, wie viel du ohne Norwegisch-Kenntnisse verstehen kannst. Auch wenn sich die Sprachen hinsichtlich der Grammatik unterscheiden, sind dir bestimmt einige Wörter aus der deutschen Sprache bekannt: velkommen (Willkommen), brød (Brot), stol (Stuhl) – um nur einige wenige zu nennen.
Für andere Länder kann ich die Frage nach dem „Kulturschock“ nicht beantworten. An meiner Heimatuni wurde aber früher mal ein Kurs angeboten, der dich auf einen „Kulturschock“ vorbereiten soll. Es scheint also auf jeden Fall ein bekanntes „Problem“ zu sein. Deshalb ist dieser Mythos nicht ganz auszuschließen.
5. Ein Auslandssemester ist teuer!
Für Norwegen stimmt das definitiv. Mein Auslandssemester finanziere ich einerseits über Erasmus+ – für Norwegen liegt der Betrag bei 600 Euro pro Monat bzw. 20 Euro pro Tag – und den Top-Up-Betrag für „Studierende mit geringeren Chancen“ – dieser beträgt grundsätzlich für alle Ländergruppen 250 Euro pro Monat. Im Fall meiner Uni können allerdings nur 127 Tage (ein bisschen mehr als 4 Monate) bei einem einsemestrigen Aufenthalt gefördert und damit nicht das gesamte Semester (finanziell) gedeckt werden. Das solltest du auf jeden Fall bei deiner Entscheidung und Vorbereitung mitbedenken. Es kann nämlich sein, dass du – wie im Falle von dem Studentenwohnheim in Bergen – eine Mindestmietdauer von 6 Monaten für dein Zimmer hast, auch wenn du vorher schon ausziehst bzw. ausziehen möchtest.
Wie habe ich diese hohen Kosten im Voraus mit einkalkuliert und wie gehe ich mit Mehrkosten um?
Vor dem Auslandssemester:
- Ich habe lange Zeit vor meinem Auslandsaufenthalt Geld durch mehrere Werkstudentenjobs angespart und in dem letzten halben Jahr vor meinem Auslandsaufenthalt meine Stundenanzahl erhöht. Dafür musste ich natürlich ein bisschen beim Studium zurückstecken – entweder du machst weniger Kurse dafür oder hast einen höheren Workload (in meinem Fall letzteres).
- Ein halbes Jahr vor Antritt meines Auslandssemesters habe ich mein WG-Zimmer untervermietet, um mir die Kosten zu sparen und für meinen Auslandsaufenthalt zu nutzen. Dafür bin ich für diesen Zeitraum zu meinen Eltern zurückgezogen. Das geht aber natürlich nur, wenn du die Möglichkeit hast, zu deiner Uni zu pendeln.
- Offensichtlich, aber: Beantrage Erasmus+. Das steht jedem zu. Und informiere dich, ob du auch das Top-Up beantragen kannst. Außerdem kannst du AuslandsBAföG beantragen, auch wenn du kein BAföG in Deutschland beziehst. Aber Achtung: In meinem Fall ging das nicht, da ich schon ein abgeschlossenes Masterstudium habe.
Während des Auslandssemesters:
- Nicht auswärts essen gehen! Zumindest nicht in Norwegen. Für einen Döner zahlst du hier bspw. mal schnell 15 Euro. Und für ein Essen im Restaurant das Doppelte.
- Es lohnt sich, Lebensmittel mit Kommilton:innen zu teilen. Oft sind Produkte im Angebot günstiger oder, wenn du mehr davon kaufst: bspw. ein ganzer Bananenbund, Kaffee oder Tee „3 für 2“. Es kann dir auch dabei helfen, nicht unnötig Lebensmittel wegzuschmeißen und sich zum Beispiel ein Brot zu teilen, das ansonsten nach ein paar Tagen schon ausgetrocknet wäre oder schimmelt.
- Vermiete dein Wohnheimzimmer im Ausland unter, wenn du schon vorzeitig ausziehst.
Wenn du es also unbedingt möchtest, kannst du es auch schaffen! Und selbst wenn dafür ein Semester „drauf geht“, weil du dieses zum Ansparen nutzt, bekommst du diese einmalige Chance (nach deinem Studium) nicht so schnell wieder – um nicht zu sagen: nie wieder!
Weitere (Förder-)Möglichkeiten, um mit dem Lehramtsstudium ins Ausland zu gehen
Du möchtest dich ausführlich über einen Auslandsaufenthalt im Lehramtsstudium informieren?
Dann wirf doch mal einen Blick in diese Broschüre. Hier findest du neben Informationen zu Studium und Praktikum im Ausland unter anderem auch Gründe dafür, warum ein Auslandsaufenthalt für angehende Lehrer:innen sinnvoll ist und wie das Ankommen vor Ort gelingt.
Hier kann ich leider nicht aus eigener Erfahrung sprechen, da ich ausgenommen meines aktuellen Auslandssemesters nicht im Ausland war. Dennoch habe ich dir hier ein paar Alternativen – neben dem Auslandssemester – zusammengestellt, mit denen du als Lehramtsstudent:in ins Ausland gelangen kannst:
- Lehramt.International: Hier kannst du dich im Rahmen des Programms „Auslandspraktika für Lehramtsstudierende“ auf ein Stipendium bewerben, bei dem 1- bis 6-monatige Praktika an schulischen Einrichtungen im Ausland gefördert werden. Es gibt zwei Förderlinien: für Studierende und für Absolvent:innen. Schau hierzu gerne mal hier vorbei. Achtung: Wenn du über Erasmus+ oder PROMOS gefördert wirst, kannst du kein Stipendium über Lehramt.International beantragen.
- Pädagogischer Austauschdienst der KMK: Fremdsprachenassistenz-Programm: Hier werden insbesondere angehende Fremdsprachen-Lehrkräfte (Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch) gesucht. Die Aufgabe besteht darin, als Fremdsprachenassistenz einzelne Unterrichtsabschnitte zu übernehmen. Je nach Gastland beträgt die Assistenzzeit 5 bis 11 Monate.
- Deutschlehren. International – Lehrassistenz-Stipendien für Deutsch an Hochschulen im Ausland: Der Name ist Programm – hier bist du als Lehrassistenz an einer Gasthochhochschule dafür zuständig, Deutschunterricht zu gestalten, sowie sprachpraktische und deutschlandkundliche Lehrveranstaltungen. Das Ganze passiert unter Anleitung erfahrener Hochschullehrer:innen. Die Dauer der Förderung beträgt 1 Hochschuljahr (max. 12 Monate).
Schau doch auch mal bei Jakob vorbei – er macht nicht nur ein Auslandssemester, sondern zeitgleich ein Praktikum an einer tschechischen Schule. Oder begleite Sophie auf ihrer Mission „Abenteuer irisches Klassenzimmer“.
„Lohnt“ sich also ein Auslandssemester für Lehramtsstudierende?
Wie du gesehen hast, gibt es meiner Meinung nach viele Gründe, die für ein Auslandssemester sprechen. Ein großer Punkt, der dagegen spricht, ist – besonders im Fall von Norwegen – der finanzielle Aspekt. Und das ist auch verständlich, denn der finanzielle Aufwand sollte keinesfalls unterschätzt werden! Hierüber solltest du dir auf jeden Fall bewusst sein. Dennoch gibt es großartige Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung zu bekommen – speziell auch für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung, für Studierende mit Kind(ern), Erstakademiker:innen und durchgängig erwerbstätige Studierende. Schau dir dazu gerne meinen letzten Blogbeitrag an. 🙂
Am Ende ist es eine Erfahrung fürs Leben und da überwiegt klar die Entscheidung für ein Auslandssemester. Das heißt: Auch für (zukünftige) Lehrkräfte hat ein Auslandsaufenthalt – egal in welcher Form – immer einen hohen Mehrwert.
Liebe Grüße und bis bald,
Rukiye 🙂