4. Januar 2022
Mehr Radwege, weniger Autos: Grenoble ist für mich ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit. In diesem Artikel erzähle ich von meinem Semester in der grünen Alpenstadt.
Vor einem Jahr habe ich mich für das Auslandssemester an der Sciences Po Grenoble beworben. Ein echter Glücksgriff: sei es das Studium an einer französischen Spitzenuniversität (Grande école) oder der Outdoorsport, den ich in Frankreich lieben gelernt habe. Damit nicht genug: Auch die Stadt selbst hat mich überzeugt. Warum ich Grenoble als besonders lebenswert und nachhaltig empfinde, davon möchte ich hier berichten.
Warum ich so gerne in die Pedale trete
Das Fahrrad erscheint mir in Grenoble eines der beliebtesten Fortbewegungsmittel zu sein. Schon zu Beginn meines Auslandsaufenthalts springen mir die zahlreichen Radwege ins Auge. Mit der Zeit entdecke ich immer mehr Wege, zum Teil sogar Fahrradstraßen inmitten der Stadt. Ich lasse mich vom Fahrradfieber anstecken und staune nicht schlecht, als ich mir ein Fahrrad bei Mvélo+ ausleihen will: Da ich jünger als 25 Jahre bin, zahle ich nur 36 Euro für insgesamt drei Monate. In dieser Zeit kann ich das geliehene Fahrrad mitnehmen wohin ich will. Viele Studierende, denen ich begegnet bin, nutzen ebenfalls dieses Angebot. Nicht nur günstig, sondern auch praktisch: Obwohl Grenoble von Bergen umgeben wird, gibt es in der Stadt selbst kaum Hügel.
Mit dem ÖPNV günstig von A nach B
Mit einer Monatskarte in Höhe von 15 Euro für unter 25-Jährige sind auch die Öffis keine teure Angelegenheit. Besonders praktisch finde ich, dass die Tickets auch in einer App gekauft und über einen QR-Code an den Haltestellen entwertet werden können. Das Netz aus fünf Straßenbahnlinien erleichtern die Mobilität in der Stadt ungemein. Ob Rad oder Tram: Gute Alternativen zum Auto verbessern meiner Meinung nach nicht nur die Umweltbilanz, sondern wirken sich auch positiv auf das Stadtbild aus.
Grüne Kommunalpolitik zahlt sich aus
Dass Grenoble seit 2014 vom Grünen-Politiker Éric Piolle regiert wird, könnte mit der nachhaltigen Ausrichtung der Stadt zusammenhängen. Nicht viele Stadtoberhäupter in Frankreich gehörten bislang der Partei „Europe Écologie – Les Verts“ an. Erst mit den Kommunalwahlen 2020 folgten auch andere Großstädte wie Lyon, Marseille, Bordeaux und Straßburg. Im Juni 2021 gab Piolle sogar bekannt, an der französischen Präsidentschaftswahl 2022 als Kandidat der Grünen teilnehmen zu wollen. In den Vorwahlen der Partei setzte sich jedoch der Politiker Yannick Jadot durch. Dafür bleibt Piolle Grenoble weiter erhalten.
Neuer Leuchtturm für Europa?
Jährlich verleiht die Europäische Kommission die Auszeichnung Umwelthauptstadt Europas. Im Jahr 2022 geht dieser Titel an Grenoble! Als erste Stadt Frankreichs hat Grenoble bereits 2005 einen Klimaplan entworfen und seitdem auf Innovation gesetzt. Forschung auf dem Gebiet der Umwelttechnik, die Begrünung der Stadt trotz Platzmangel sowie die Reduktion von Treibhausgasen sprechen für die Alpenstadt. Außerdem wurden energiesparsame Ökoviertel wie das Quartier de Bonne errichtet – mit Grünflächen, Wohnraum, Büroräumen und Geschäften.
Der Auslandsaufenthalt in Frankreich hat mein Interesse für nachhaltige Städteentwicklung allemal geweckt, und auch das Fahrradfahren werde ich in Deutschland beibehalten. Danke, Grenoble!