17. Oktober 2022
Vielleicht habt ihr es mitbekommen: Ich bin nicht alleine nach Kanada gereist. Lukas, mein Verlobter, begleitet mich. In diesem Beitrag wollen wir euch gemeinsam darüber erzählen, wie es ist, zu zweit ins Ausland zu gehen.
Irgendjemand sagt es immer zuerst: Das gilt für „Ich liebe dich“ ebenso wie für die Idee, ins Ausland zu gehen. Ich hat in der Beziehung recht schnell klar gemacht, dass ich auf jeden Fall nach meinem 2. Staatsexamen noch ein paar Monate außerhalb Europas leben möchte. Für unsere Beziehung gab es damit drei Optionen: Erstens, Fernbeziehung, was wir beide nicht wollten. Zweitens, Beziehung beenden. Das war uns dann doch zu radikal. Die verbliebene Option war gemeinsam ins Ausland zu gehen.
Für mich standen Japan, Neuseeland und Kanada im Raum – wobei bei den ersten beiden eine große Unsicherheit für die Einreise wegen Corona bestand. Das kam Lukas recht gelegen, da er nicht unbedingt weit weg wollte. Kanada ist zwar auch weit von zuhause, aber immerhin hatte er schon in der Schulzeit ein halbes Jahr dort verbracht, und kannte die Kultur etwas. Damit war der Ort festgelegt. Bei der Frage nach dem Zeitraum gab es in meinem Studienplan wenig Flexibilität. Lukas musste also “nur noch schnell” meine Promotion abschließen – ein ziemlicher Stress.
Sollen wir wirklich…?
Zu Beginn war ich mir unsicher, ob ich Lukas überhaupt dabei haben wollte. Zum einen wollte ich nicht, dass er ins Ausland geht und dann gar nicht dort sein will. Zum anderen war mir klar, dass es anders sein würde, als alleine zu gehen. Aber jeder Auslandsaufenthalt ist ein Abenteuer und ich bin froh, Lukas dabei zu haben. Da durch mich aber schon der Ort festgelegt war, musste er noch ein Projekt finden. Lukas hat Geodäsie und Geoinformation an der TU Wien studiert. Über den Betreuer seiner Diplomarbeit in Wien kannte er das Integrated Remote Sensing Studio an der Faculty of Forestry.
Geodäsie & Geoinformation
In dem Fach geht es um Vermessung, Satellitenbilder, GPS, 3D-Modelle, und alles was sonst so mit Koordinaten und der Erdoberfläche zu tun hat. Dazu gibt es auch praktische Anwendungen. In der Forstwirtschaft zum Beispiel: Ein Flugzeug fliegt über einen Wald, und zeichnet mit einem Laserscanner ein 3D-Modell der Bäume. Daraus kann die im Wald vorhandene Biomasse oder das Holzvolumen bestimmt werden.
In einem Meeting mit dem Gruppenleiter hat er auch ein Forschungsthema gefunden. Im seinem Projekt UncertainTree geht es um Unsicherheiten in der Fernerkundung von Bäumen. Lukas musste also nur noch die Finanzierung dieses Forschungsprojekts, die nicht über die Arbeitsgruppe laufen konnte, sichern. Von Oktober 2021 bis Januar 2022 reichte er verschiedene Anträge auf eine Finanzierung über Stipendien ein. Gleichzeitig stellte er seine Dissertation bis Januar 2022 fertig, um eine Verteidigung bis April zu ermöglichen – der erfolgreiche Abschluss der Dissertation war Bedingung die Stipendien. Die tatsächliche Zusage für das Erwin-Schödinger-Auslandsstipendium kam erst im Mai, als wir schon einen Monat in Kanada waren. Ich weiß nicht, ob ich diesen Stress auf mich genommen hätte. In der Vorbereitungphase und dem Umzug hat mich es aber sehr beruhigt, dass ich Lukas dabei hatte. Es ist einfacher, Probleme gemeinsam zu lösen.
Wie zuhause, nur anders
Wäre Lukas alleine in Vancouver, würde sich auch nicht viel ändern. Vielleicht würde er auch in seiner Freizeit mehr mit meinen Kollegen machen, er ist also weniger spontan. Viele Dinge fallen ihm aber leichter. Durch mich macht er viel mehr Aktivitäten. Er wäre wahrscheinlich nur zwischen der Arbeit und der Wohnung unterwegs, aber ich bin extrovertierter. Ich nehme ihn mit zum Segeln und beim Abendessen bin ich an den Unterhaltungen beteiligt, wodurch Lukas auch meist länger dabei ist.
Lukas macht das umgekehrt mit längeren Ausflügen und Reisen. Ich würde mehr Arbeiten, wenn er nicht an Wochenenden darauf bestehen würde, dass wir eine Wanderung machen oder in den Park gehen. In vergangenen Auslandaufenthalten bin ich definitiv weniger gereist. Mit Lukas wurde mir einiges ermöglicht.
Ich merke aber einen großen Unterschied in meinem Freundeskreis. Dadurch, dass ich in der Vergangenheit immer gezwungen war, mir einen Freundeskreis als Unterstützung aufzubauen, fällt das hier weg. Mein Umfeld ist weniger international und besteht vor allem aus Mitbewohnern im Green College.
Ich fand auch die Wohnungssuche zum Beispiel schwerer, da ich eher anspruchslos bin und ein WG-Zimmer ausgereicht hätte. Lukas wollte gerne in einem Apartment wohnen. Da fallen dann die finanziellen Unterschiede sehr auf: Eine Wohnung könnte ich mir einfach nicht leisten. Trotzdem wohnen wir jetzt für sechs Monate auf sehr kleinem Raum. Er wollte auch unbedingt schon mit festen Plänen für eine Wohnung nach Vancouver, und ich habe ihn unterstützt, auch wenn ich es anders gemacht hätte. In einem Auslandsaufenthalt zu zweit gehören Kompromisse vielleicht noch mehr als in einer normalen Beziehung dazu.
Was wir gerne gewusst hätten
In der Vorbereitung auf ein Abenteuer zu zweit gibt es keinen Masterplan. Natürlich ist es gut, wenn ihr davor schon zusammen gewohnt habt und für einige Monate oder sogar ein Jahr auf engstem Raum gewappnet seid. Wichtiger ist aber offene Kommunikation. Die andere Person ist zwar mit euch im Ausland, aber kann eine komplett andere Erfahrung haben. Ich war öfter im Ausland als Lukas und war vielleicht besser auf den Kulturschock eingestellt, aber er geht mit anderen Situationen hier besser um. Schon vor dem Aufenthalt solltet ihr offen mit Sorgen und Zweifeln umgehen, damit es nicht zu weiteren Problemen führt. Auch wenn es um die Aufgabenverteilung in der Beziehung geht kann sich das im Ausland ändern. Während ein Wocheneinkauf in Deutschland bei uns schnell mit dem Fahrrad erledigt war sind die Supermärkte hier eigentlich nur mit dem Auto oder dem Bus gut zu erreichen.
Ich werde im November wieder nach Deutschland reisen, um dort mein Praktisches Jahr zu beenden. Lukas bleibt noch bis März in Vancouver. Eine Fernbeziehung bleibt uns also nicht erspart, aber wir sind beide froh, diese Erfahrung gemeinsam machen zu dürfen und daran zusammen zu wachsen. Geht ihr vielleicht auch gemeinsam ins Ausland? Ich freue mich über eure Kommentare zum Thema.
Cheers, Ronja