21. September 2018
Die Friedrich-Ebert-Stiftung bietet als einziges Büro in der Region ihren Praktikant_innen beider Büros in Tel Aviv (Israel) und Ost-Jerusalem (Palästina) die Chance, für ein bis zwei Tage die Büros und Partnerorganisationen der jeweils anderen kennenzulernen. Warum das so unverzichtbar und eine wertvolle Erfahrung für uns alle war, erfahrt ihr hier.
Die Vorbereitung und Organisation waren sehr aufwändig, aber letztendlich waren wir alle um viele Erfahrungen, die unterschiedlicher Natur waren, reicher. Los ging es in Tel Aviv, genauer gesagt Herzlia, wo das Israel Office der Friedrich-Ebert-Stiftung liegt. Schon bei der Struktur der Angestellten fiel uns auf, dass, obwohl das Israel Office mehr Möglichkeiten hat, unser Palästina Office dennoch mehr unterstützende Mitarbeiter_innen beschäftigt, da durch den Nahostkonflikt einfach mehr Bedarf bezüglich der daraus resultierenden Problematiken besteht.
Schon als ich mich vorstellte, wurde ich AUCH DORT nach der Herkunft meines arabisch anklingenden Namens gefragt. Und ja, Sectarianism exists – und zwar auf beiden Seiten.
Perspektivwechsel in Tel Aviv
Einen Vergleich zu ziehen bedeutet immer, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzählen. Ich war persönlich positiv überrascht, wie viele Partnerorganisationen der FES Israel sich so intensiv und kritisch mit dem Nahostkonflikt beschäftigen. Vor allem haben sie in der innerisraelischen Gesellschaft eine ganz andere Reichweite. Allerdings blieb mir auch eine Erinnerung im Gedächtnis, die mir persönlich ein Dorn im Auge gewesen ist: Während wir mit den jeweiligen Vertreter_innen gesprochen haben, fiel kein einziges Mal das Wort Palästina. Immer ging es nur um arabische Israelis (arabischstämmige Menschen mit israelischer Staatsbürgerschaft) oder um arabische Ortschaften wenn es um das Westjordanland bzw. um Palästina(!) ging.
Perspektivwechsel in Ost-Jerusalem/Alquds
In der gleichen Woche besuchten uns die beiden Praktikant_innen in unserem Ost-Jerusalem Büro. Bei unseren Gesprächen mit zwei Partnerorganisationen gingen die Diskussionen heiß her. Mein persönliches Highlight war, einen türkischstämmigen Angestellten von einer unserer palästinensischen Partnerorganisation zu fragen, was er denn von einem kurdischen Staat in der Türkei halte. Wenn es einen nicht direkt betrifft, kann man glaube ich schnell mit einer Seite, beispielsweise Palästina, sympathisieren, aber geht es um das eigene Wohl (bzw. Land), ist das schon schwieriger. Anyway.
Der größte Unterschied war, dass die Palästinenser_innen vom Staat Israel sprachen und ihn anerkannten. Eine der beiden Organisationen hat sogar einen zweiten Co-Editor, der ein Israeli ist, und der selbst sehr kritisch gegenüber der israelischen Gesellschaft steht. Die sogenannte israelische, vor allem junge, Linke sei gar nicht mehr an dem Konflikt interessiert, wurde kommuniziert.
Auf die Frage des Direktors der Partnerorganisation gegenüber der Praktikantin aus der FES Israel, was sie in den drei Monaten gelernt habe, erzählte sie von ihren Erfahrungen sowohl inhaltlich als auch persönlich. Die Praktikant_innen der FES Israel sind im Unterschied zu uns sehr viel freier und können eigenen Forschungsvorhaben nachgehen, während wir in die inhaltliche Arbeit der festen Angestellten total eingebunden sind. Beides kann Vor- und Nachteile haben. Eine Mitarbeiterin der Partnerorganisation sagte dann schließlich, dass die jeweilige Praktikantin nichts gelernt habe bzw. meinte damit, dass man nur etwas von dem Konflikt lernen könne, wenn man mit beiden Seiten gelebt und nicht nur Smalltalk gehalten habe. Ich verstand ihren Ansatz, aber das war schon ein Schlag ins Gesicht…
Warum man beide Perspektiven kennen muss
…ist eigentlich selbstverständlich: Nur so kann ein Kompromiss und ein Versöhnungsprozess in Gang gesetzt werden. Allerdings frage ich mich, wie das gehen soll, wenn die eine Seite, zumindest, was ich von ihr gesehen und gehört habe, das volle Existenzrecht schon nicht beim wording eingesteht. Da fängt das Ganze doch erst einmal an, bevor es ans Eingemachte geht. Über eines waren wir uns aber alle einig: Nur wer zusammen arbeitet, kann einen positiven Fortschritt erzielen. Und das haben beide Seiten dringend nötig. Unterdrückung bedeutet aber auch immer, dass die eine Seite weniger leisten kann, als die andere. Aber das müssen beide verstehen, nicht nur die eine.
Jonas
2. April 2021
Hey, ich habe den Artikel aufmerksam gelesen, weil ich mich auch für ein Praktikum bei der FES interessiere. Mich würde interessieren, ob du die Bewerbung auf Englisch geschrieben hast und auch deine restlichen Dokumente, wie Arbeitsreferenzen, auf Englisch abgegeben hast.
Saliha
13. April 2021
Lieber Jonas,
vielen Dank für deinen Kommentar und das Interesse an einem Praktikum bei der FES in Palästina. Ich habe damals mein Motivationsschreiben und den Lebenslauf auf Englisch verfasst, alle anderen Anlagen reichten als Scan in deutscher Sprache aus. Für genauere Infos kannst du den Bewerbungsprozess auch direkt auf der Homepage der FES Palästina nachlesen: fes-palestine.org/de/ueber-uns/junior-guest-researcher/. Es lohnt sich!