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Massendemos & Korruptionsaffären: Warum im politischen Zentrum Brasílias gerade Mauern gebaut werden


Seit ca. einem Monat ist die politische Lage in Brasilien so instabil wie nie. Nachdem das Land im letzten Jahr in eine ernsthafte wirtschaftliche Krise gefallen ist, ist nun die Regierung zerbrochen. Präsidentin Dilma Rousseff wird vorgeworfen, in ihrem Wahlkampf zur Wiederwahl 2014 das Haushaltsdefizit verschleiert zu haben. Am Wochenende wird nun im Kongress über eine mögliche Amtsenthebung Dilmas abgestimmt.

Die aktuelle Situation ändert sich fast täglich und es ist sehr schwer, einen Überblick über die tatsächlichen Fakten zu behalten. Trotzdem möchte ich versuchen, die vergangenen Ereignisse einmal zusammenzufassen.

Wer ist korrupt? Wer nicht?

Mitte März wurde zu ersten Massendemonstrationen aufgerufen, als Präsidentin Dilma ihren engen Vertrauten und Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in die Regierung berief und zum Kabinettschef ernannte. Das Problem dabei war, dass Lulas Haus einige Tage zuvor durchsucht worden war und er daraufhin wegen Korruptionsverdacht angeklagt wurde. Viele Brasilianer verurteilten die Entscheidung der Präsidentin, Lula zum Kabinettschef zu machen, da sie glaubten, Dilma wolle Lula vor einem bevorstehenden Prozess schützen, da er als Regierungsmitglied weitestgehend Immunität erhielte. Der leitende Richter im Prozess gegen Lula veröffentlichte ein Telefongespräch zwischen der Präsidentin und dem Ex-Präsidenten, das diese These bestätigen sollte. Die Veröffentlichung dieses Gespräches wurde jedoch scharf kritisiert, da dies die Kompetenzen der Justiz überschreite und in die Privatsphäre eingreife. Zudem können nach den Aussagen des Gespräches keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Intention Dilmas gezogen werden. Keine zwei Tage später wurde die Ernennung Lulas zum Kabinettschef von einem Bundesrichter widerrufen, dem auf der anderen Seite allerdings auch fehlende Neutralität vorgeworfen wird.

Wird Präsidentin Dilma aus dem Amt geworfen?

Nach diesen Tagen in reger Aufruhr wurde am 17. März eine Sonderkommission aus 65 Parlamentsmitgliedern einberufen, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin prüfen soll. Problematisch dabei ist aber, dass viele Parlamentarier selbst tief verstrickt sind in eine riesige Korruptionsaffäre um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Die Arbeiterpartei (PT) der Präsidentin Dilma Rousseff wirft den anderen Parteien sogar einen Staatsputsch vor: Ende März trat die Partei PMDB, der keine klare politische Richtung zuzuordnen ist, aus der Regierungskoalition aus, was Präsidentin Dilma handlungsunfähig machte. Dilma beschuldigt Vize-Präsidenten und Vorsitzenden der PMDB, Michel Temer, das Amtsenthebungsverfahren anzutreiben, um selbst an die Macht zu kommen. Würde Dilma ihr Amt nämlich nicht weiter ausüben dürfen, wäre Temer automatisch der nächste Präsident bis zu den Neuwahlen in 2018. Erst gestern schickte Temer – angeblich versehentlich – eine Aufnahme in eine WhatsApp-Gruppe, in der er schonmal seine mögliche Antrittsrede als Übergangspräsident probte.

Ich erlebe Brasilien zur Zeit als ein tief gespaltenes Land, das jegliches Vertrauen in die eigene Politik verloren hat.

Die politische Elite ist verstrickt in Korruptionsaffären, obwohl Präsidentin Dilma eigentlich als nicht bestechlich und sauber galt. Sie war zwar von 2003 bis 2010 im Aufsichtsrat von Petrobras, allerdings sind die Beweise im aktuellen Fall gegen sie spärlich und umstritten. Es ist nun wichtiger denn je, dass die Justiz unabbhängig handelt, Fakten aufgedeckt werden, und dass das Land sich – auf lange Sicht – neu strukturiert.

Die Sonderkommission hat gestern Abend die Empfehlung ausgesprochen, Präsidentin Dilma Rousseff aus dem Amt zu entheben. Am kommenden Sonntag steht dann die wichtige Entscheidung der Abgeordnetenkammer über das Amtsenthebungsverfahren an und in einem letzten Schritt wird der Senat entscheiden. Am Donnerstag sollen in Brasilien dann die Mauern stehen, die den Kongress komplett abschotten und Pro- und Kontra-Regierungsdemonstrationen voneinander trennen sollen. Die Demonstranten dürfen sich nur in bestimmten Bereichen aufhalten und zwischen den beiden Lagern wird eine Pufferzone von 80 Metern eingerichtet. Wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, es wird lange dauern bis die Menschen wieder Vertrauen in ihre Politiker aufbauen können und Brasilien sich wieder dem Tagesgeschäft widmen kann, um aus der Krise herauszufinden.

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