Tel Aviv gilt als die „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens“ da Homosexuellen und anderen Minderheiten anders als in den meisten Staaten des Nahen Ostens und in vielen Gegenden Israels hier Akzeptanz und Toleranz widerfährt. Kürzlich fand in der Stadt die alljährliche Pride Parade statt. Auch ich als Heterosexueller habe mich dieses Jahr der Parade angeschlossen, um Seite an Seite mit der LGBT+-Community für ihre Rechte einzutreten.
Am Freitagmittag startete die Parade. Bereits zuvor haben sich die Menschen auf der geschäftigen King-George-Street zusammengefunden, haben LGBT+-Utensilien für den Marsch gekauft oder haben bei einem Bier oder etwas zu Essen der Musik gelauscht.
Dabei gab es sehr interessante Personen und vor allem Persönlichkeiten zu sehen. Ich bin mit der gegenwärtigen Rechtsreferendarin der Deutschen Botschaft in Tel Aviv und ab der Hälfte mit einer weiteren Freundin die Parade mitgelaufen. Da erstgenannte Freundin zuvor am gleichen Tage Spitzennoten für ihr zweites Staatsexamen erhalten hatte, war die Stimmung dementsprechend feierlich. Wir sind von der King-George-Street mit den anderen Marschierenden Richtung Strand gelaufen. Insgesamt haben rund 250.000 Leute die Pride Parade besucht.
Schön war auch, dass die Anwohner der umstehenden Häuser ebenfalls Teil der Parade sein wollten, laut die Musik aufgedreht haben, die Marschierenden mit Wasser aus Wasserpistolen abgeschossen haben und einfach mitgefeiert haben. Insbesondere das Wasser war eine Wohltat, weil es wirklich sommerliche Temperaturen gab und wir in der großen Menschenmenge unter den Bedingungen geächzt haben.
Hilfreich war auch der Fächer in Regenbogenfarben, der mir dankenswerterweise als kleines Wahlkampfgeschenk einer israelischen Partei übergeben worden war.
Dass die Parade politisch ist, ist infolge der nach wie vor mangelnden Gleichberechtigung von sexuellen Minderheiten wie Homo-, Bi- und Transsexuellen ohnehin gegeben. Auf dem Weg zum Strand haben einerseits Leute trotz der gesellschaftlichen Akzeptanz der LGBT+-Community in der Tel Aviver Gesellschaft gegen die gesetzliche Benachteiligung derer in Israel demonstriert. Ihre Kritikpunkte richteten sich u.a. gegen das fehlende Recht der Heirat homosexueller Paare. Doch auch in Bezug auf das Adoptionsrecht scheinen homosexuelle Paare benachteiligt zu sein.
Andererseits haben auch israelische Parteien bzw. deren Wähler und Mitglieder versucht, hierbei Präsenz zu zeigen und die Pride Parade für sich politisch zu nutzen. Ebenso gab es wiederum Demonstranten, die die Pride Parade als Versuch des „Pinkwashings“ von Israel erachteten. Trotz aller Existenzberechtigung der Parade sollte ihrer Meinung nach nicht der Umgang Israels mit der „Besatzung“ und mit den Palästinenserinnen und Palästinensern vergessen werden: „You can’t pink wash the occupation“ und „Love is love. And racism racism“ waren ihre Mottos.
Am Strand angekommen stießen auch die Umzugswagen dazu. Als Botschafter der diesjährigen Pride Parade in Tel Aviv gesellte sich auch Schauspieler Neil Patrick Harris, den meisten wohl als Barney Stinson in der Erfolgssitcom „How I met your mother“ ein Begriff, zu den Feiernden.
Auch auf der strandnahen Straße bin ich mit der Parade mitgelaufen. Allerdings wurde es irgendwann derart heiß, dass wir uns eine kurze Abkühlung im Meer gegönnt haben. Nach einer kurzen Stärkung haben wir uns im Charles-Clore-Park eingefunden, in dem die Parade geendet hat und in dem die Feierlichkeiten weitergingen. Dieser Park befindet sich bereits in der Nähe von Jaffa und hier wurde in der Eurovision-Woche auch das EuroVillage aufgeschlagen. Vom Marschieren und den sommerlichen Temperaturen allmählich erschöpft, haben wir nach kurzem Feiern im Park die Veranstaltung verlassen und uns eher gemütlich ein Eis gegönnt.
Mein Fazit der Pride Parade
Die Parade war eine wirklich tolle Erfahrung und ich bin sehr stolz darauf, dass ich dabei sein durfte. Der weltweite Umgang mit Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten zeigt auf, dass auch im Jahr 2019 ein langer Weg gegangen werden muss, bis diesen Menschen sowohl gesellschaftlich als auch de jure nicht nur Akzeptanz und Toleranz, sondern auch Gleichberechtigung widerfahren. Das Beispiel Brunei zeigt allerdings auf, dass es sich sehr wohl lohnt, gegen diese Ungerechtigkeit seine Stimme zu erheben. Nachdem das Parlament dieses Sultanats angekündigt hatte, die Todesstrafe gegen Homosexuelle zu vollstrecken, wurde insbesondere aufgrund internationaler Proteste hierauf im Anschluss verzichtet.
Deshalb bin ich auch als Heterosexueller bei der Parade mitgelaufen. Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen und sich für Minderheiten bzw. gesetzlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen einzusetzen. Genauso wie ich es mir wünsche, dass Männer sich für die Rechte der Frauen einsetzen, Anhänger einer Mehrheitsreligion für religiöse Minderheiten und allgemein Menschen für die Rechte von Menschen einer anderen Ethnie, Hautfarbe, etc., genauso sollten sich auch Heterosexuelle für die Rechte ihrer benachteiligten Mitmenschen einsetzen. Ideale sollten weit über egoistische Interessen hinausgehen. Altruismus und Menschenliebe sind definitiv zu befürworten und diesbezüglich gilt es sich hierfür möglichst stets einzusetzen, wenn Menschen unverschuldet Ungerechtigkeiten widerfahren.