25. Mai 2016
Seit gestern liegen vier meiner insgesamt sechs Prüfungen an der University of Warwick hinter mir. Elfeinhalb Stunden habe ich in der letzten Woche in einem stickigen Prüfungsaal verbracht, vier weitere werden es sein. Nachdem ich vor einigen Wochen bereits über die vielen Stressfaktoren berichtet habe, die in Term 3 (einem eigens für Prüfungen eingerichteten Term) auf einen lauern, möchte ich hier mit den größten Ängsten und Befürchtungen aufräumen und euch erzählen, wie es wirklich ist.
Zitate in Klausuren – Sonderregel für Erasmusstudenten
Die Klausuren sind entgegen meiner Befürchtungen soweit ganz gut zu schaffen, wenn man sich darauf vorbereitet hat. Allerdings ist es hier so, dass man im Gegensatz zu einem Jurastudium in Deutschland deutlich mehr auswendig lernen muss. Geht es Zuhause darum, Gesetzestexte richtig auf den Fall anzuwenden, so muss man hier Fälle über Fälle auswendig lernen und geschickt in seine Aufsätze einbauen, die man zu den jeweiligen Themen schreiben muss. Das gleiche scheint in anderen Fächern für Autorenmeinungen zu gelten, die am besten unter Angabe des jeweiligen Werkes zitiert werden sollten. Eine Dozentin von uns berichtete sogar von einem Studenten, der inklusive Seitenzahl diverse Autoren korrekt in seiner Klausur zitieren konnte! Bei der Stoffmenge beachtlich!
Erasmusstudenten dürfen übrigens ein zweisprachiges Wörterbuch mit in die Klausur nehmen, was sich bei dem ganzen Fachvokabular als hilfreich erwiesen hat, aber leider durch das Nachschlagen auch viel Zeit kostet.
Nicht in die Breite, sondern in die Tiefe lernen
Ein Vorteil hier ist die Auswahl an Fragen, die man in einer Prüfung hat. Man muss nicht, wie in Deutschland, alle Fragen beantworten, sondern kann sich seine „Lieblingsfragen“ aussuchen. In den meisten meiner Fächer sind nur zwei von sechs Fragen zu beantworten, was ein wahrer Luxus ist. So kann man einige Themen sehr vertieft lernen und dann auch entsprechend gute Argumente einbauen. Ein tiefes Wissen wird dann natürlich auch erwartet, um eine richtig gute Note zu bekommen.
Tischnummern und kuriose Prüfungsorte
Um Streitereien um Plätze zu vermeiden und Ordnung zu bewahren, bekommt jeder Student eine Tischnummer zugewiesen. An (meist wackligen) Einzeltischen schreibt man dann in riesigen Sälen seine Klausur. In meiner Uni wurden zum Beispiel die Sporthallen und die Mensa zu Prüfungshallen umfunktioniert. Spannend allemal. Oder habt ihr schonmal in einer Prüfung neben dem Basketballkorb gesessen ;)?
In der Warteliste zur Toilette
Zwar nicht typisch, mir aber gestern in der Prüfung passiert. Ich musste dringend zur Toilette und habe brav aufgezeigt und auf eine der Supervisor gewartet, die mir freundlich mitteilte, ich sei nun die vierte auf der Warteliste und man würde sich zurückmelden. So geschah es dann auch. Obwohl im Minutentakt Studenten aufzeigten (in dem Saal schrieben an die 300 Personen), hatte sie genau im Blick, in welcher Reihenfolge man drankam. Damit keiner seine kostbaren Prüfungsminuten verlor, durfte man sitzenbleiben und weiterschreiben.
Und die Antwort auf meine damals wichtigste Frage: Wohin mit meinen Sachen?
Was während der Prüfungen mit meinen Sachen passieren sollte, war mir anfangs nicht klar. Jede Art von Tasche ist strengstens verboten und es gibt weit und breit keine Schließfächer. Aber: Viele Unis, darunter auch meine, bieten eine kostenlose überwachte Garderobe an, an der man seine Taschen für die Zeit der Prüfung abgeben kann. So müssen Pausenbrot, Handy und Co zumindest nicht Zuhause bleiben.
Nachdem die ersten Klausuren nun hinter mir liegen, kann ich wesentlich entspannter nach vorne blicken. Denn letztlich wurde es wieder einmal von anderen viel schlimmer dargestellt, als es eigentlich ist!