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Recht unterschiedlich: Wie funktioniert das Jura-Studium in Schweden?

Genau so wie das Gesetz wird auch das Jura-Studium in anderen Ländern komplett anders gestaltet. Angefangen bei den Lehr- und Prüfungsmethoden bis hin zur Form des Studienabschlusses gibt es eigentlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Schweden. Ich erkläre dir, worauf du dich einstellen solltest, wenn du Rechtswissenschaften in Schweden studieren möchtest.

Als Jura-Studierende:r in Deutschland kennst du den Stress ganz bestimmt auch bis zu 10 Vorlesungen – wenn nicht sogar mehr – in einem Semester parallel vor- und nachbereiten zu müssen. Meistens schreiben wir sogar nur in einem Rechtsbereich eine Übung (an der Uni Heidelberg bestehend aus einer bestandenen Klausur und Hausarbeit), sodass das Verfolgen der Inhalte anderer Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften hinten runterfällt. Die verpassten Vorlesungen können wir dann schön im nächsten oder übernächsten Semester nachholen.

Das sieht hier in Schweden komplett anders aus. Jura-Studierende in Schweden müssen sich lediglich auf einen einzigen Kurs fokussieren, der in der Regel fünf Stunden in der Woche stattfindet und sich je nach Kurs über vier bis dreizehn Wochen zieht. Beispielsweise wird im zweiten Studienjahr für die ersten zehn Wochen nur der Kurs „Familien- und Erbrecht“ belegt und danach wird für die nächsten zehn Wochen mit dem Kurs „Bürgerliches Vermögensrecht“ fortgefahren. Diese Art von Didaktik ist zwar sehr verschult, erlaubt es dem Studierenden aber, meiner Meinung nach, sich tiefgreifender mit einem Fach zu beschäftigen.

Interessant ist dabei, dass der Jura-Unterricht in Schweden im Gegensatz zum deutschen größtenteils aus sogenannten „Lektionen“ besteht. In den „Lektionen“ wird die Kursliteratur, geleitet vom Dozenten, der meistens ein Doktorand oder ein jüngerer Richter ist, durchgegangen. In diesen „Lektionen“ befinden sich in der Regel nur 25 bis 30 Studierende, die eng mit dem Dozenten, der oft geduzt wird, lernen und arbeiten. Diese Form des Unterrichts wird überwiegend in den ersten zwei Studienjahren angewendet. Bei uns in Heidelberg erinnern die sogenannten Arbeitsgemeinschaften, kurz AGs, an diese „Lektionen“. Hier vertiefen ungefähr 30 Studierende gemeinsam mit einem Dozenten den Stoff aus der Vorlesung an Fällen. Jedoch werden pro Semester in der Regel nur zwei AGs in den drei großen Rechtsgebieten Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht angeboten.

So sieht einer unserer „Lektionen“-Räume aus.

In Deutschland liegt der Fokus viel deutlicher auf den Vorlesungen, die in Heidelberg zumindest im ersten Jahr von über 400 Studierenden besucht werden. Vorlesungen gibt es in Schweden natürlich auch, sind aber nicht allzu häufig und beschäftigen sich meist von einem Professor vorgetragen mit sehr wichtigen Teilen der Literatur. Schließlich gibt es noch Seminarübungen, die von ungefähr 30 Studierenden besucht und von einem Dozenten geführt werden. In diesen werden vor allem bekannte juristische Entscheidungen diskutiert.

Wie unterscheiden sich die Jura-Prüfungen in Schweden von den deutschen?

Wie bereits angeschnitten, musst du in Deutschland – zumindest laut Regelstudienplan an der Uni Heidelberg – pro Semester nur eine Übung, bestehend aus einer bestandenen Klausur und einer Hausarbeit, bestehen. Die Ausnahme stellt hierbei das dritte Semester dar, in der wir zwei Übungen bestehen mussten. Die anderen Kurse werden dabei ohne jegliche Prüfungsleistung am Ende des Semesters beendet. In Schweden unvorstellbar! Hier ist es so, dass am Ende jedes Kurses eine Klausur geschrieben wird, sodass sich die Studierenden auch tatsächlich mit dem Inhalt auseinandersetzen müssen und nicht so wie in Deutschland den Kurs und dessen Inhalt verpassen oder überspringen können. Die Klausur kann dabei ein Essay über eine bestimmte juristische Problematik, ein Gutachten eines Falles wie in Deutschland, eine mündliche Prüfung oder auch ein simpler wissensabfragender Test sein. Das juristische Notensystem in Schweden kennt nur vier Noten: „AB“ steht für „mit Auszeichnung bestanden“, „BA“ steht für „mit gutem Erfolg bestanden“, „B“ steht für „bestanden“ und „U“ steht für „durchgefallen“. Bei uns in Deutschland sind es 0 bis 18 Punkte, wobei die 18 Punkte extrem schwierig zu erreichen sind.

Wie lange dauert das schwedische Jura-Studium im Vergleich?

Das Jura-Studium in Schweden wird im Gegensatz zu dem in Deutschland nicht mit dem Bestehen der zwei Staatsexamina abgeschlossen, sondern zunächst mit dem Titel Bachelor of Law und darauffolgend dem des juris kandidat examen, der dem Titel Master of Law gleichgestellt ist. Laut Studienplan erstreckt sich das Studium über insgesamt 4,5 Jahre, wobei sich die Studierenden ein Jahr davon mit ihrem Wahlfach beschäftigen, das ähnlich zum Schwerpunktbereich in Deutschland ist, und dieses mit einer zehn bis 20-wöchigen Hausarbeit abschließen. In der Praxis beenden die schwedischen Studierenden ihr Studium innerhalb von sechs bis sieben Jahren und sammeln in der Zeit insgesamt 180 Punkte (am Ende jedes Semester werden in der Regel 20 Semesterpunkte erzielt, die mit bestandener Prüfung am Ende eines Kurses dem Studierenden zugerechnet werden). Die Abschlussprüfung wird im Rahmen einer Seminarübung geschrieben, die vom Dozenten beaufsichtigt wird und dessen Thema sich die Studierenden in Absprache mit dem Dozenten aussuchen können. Die Arbeit wird am Ende mündlich vor den Kommilitonen verteidigt.

Wird der Beruf des Anwalts angestrebt, so muss zusätzlich eine fünfjährige praktische und theoretische Ausbildung für die Anwaltstätigkeit bestanden werden. Wird der Beruf des Richters oder des Staatsanwalts angepeilt, dann muss an das abgeschlossene Studium ein Referendariat beim Gericht absolviert werden, das in der Regel 2,5 Jahre dauert.

Welche Kurse belege ich und kann ich mir das in Deutschland anrechnen lassen?

Was ist der Unterschied zwischen einem Hochschul- und einem Fachsemester?

Das Hochschulsemester erfasst alle Semester, die du an der Uni verbringst. Somit also auch deine Semester in zuvor belegten Studiengängen und Urlaubssemester. Das Fachsemester zählt nur jene Semester, in denen du in deinem jetzigen Studiengang an deiner Heimatuni aktiv warst.

Zurzeit befinde ich mich generell im fünften Hochschulsemester, aber nur im vierten Fachsemester an der Uni Heidelberg, da ich mich beurlaubt habe. Eine Beurlaubung an deiner Heimatuni erlaubt es dir, eingeschrieben zu bleiben, aber verbietet dir das Erbringen von Leistungen an deiner Uni. Dieses hat den Vorteil, dass dir das Semester im Ausland nicht in deine Regelstudienzeit angerechnet wird.

Das schwedische Semester wird in zwei gleich lange Perioden unterteilt. In der ersten belege ich den Kurs „Einführung in das Schwedische Recht“ und in der zweiten werde ich „Europäisches Wirtschaftsrecht“ belegen. Diese Kurse werden in einer kleinen Gruppe von 30 Austausch-Studierenden als „Lektionen“ unterrichtet und werden jeweils mit 15 Credits, also im Bachelor-System bewertet, die mir aber in Deutschland nichts bringen. Trotz der Credit-Bewertung und der Beurlaubung kann ich mir meinen sogenannten „Grundlagenschein II“ im deutschen Kurs „Rechtsvergleichung“ durch das Bestehen einer in Schweden absolvierten Prüfung anrechnen lassen. Das beutetet, dass ich den Kurs „Rechtsvergleichung“ in Deutschland nicht mehr belegen muss. Ob und welche im Ausland absolvierten Leistungen du dir an deiner deutschen Heimatuni anrechnen lassen kannst, musst du natürlich bei deinem zuständigen Prüfungsamt nachfragen. Mach dies so früh wie möglich, bevor es am Ende Probleme mit der Anrechnung gibt.

Wie du siehst, läuft das Jura-Studium in Schweden ganz anders als bei uns in Deutschland – meiner Meinung nach wesentlich studentenorientierter und nicht so monoton. Wenn du noch weitere Fragen oder Anmerkungen zum Studiensystem hast, dann schreibe mir gerne!

Kommentare
  1. Paul Trabb

    28. September 2023

    Mein Freund will Jura studieren, um Anwalt für Familienrecht zu werden. Er möchte während des Studiums auch gerne eine Zeit im Ausland verbringen. Da seine Familie aus Schweden kommt, fällt die Wahl dort nicht schwer.

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