24. März 2020
Nach Ende meines Praktikums in Kathmandu wollte ich zwei Monate durch Asien reisen und möglichst viele verschiedene Länder entdecken. Die Corona-Krise hat mir leider einen Strich durch die Rechnung gemacht: Wie das Virus meine Reisepläne durchkreuzte und warum ich mich entschieden habe eher nach Deutschland zurückzukehren, erfahrt ihr hier:
Am 07. Februar bin ich von Kathmandu nach Kuala Lumpur geflogen, voller Vorfreude auf die bevorstehende Reise. Damals war die Corona-Situation in meinem Leben kaum präsent. Natürlich habe ich die Nachrichten aus China und anderen früh betroffenen Gebieten verfolgt, aber mit den jetzigen Ausmaßen hätte ich nie gerechnet. Ich erkundete Kuala Lumpur und machte mich dann auf den Weg nach Myanmar, wo ich mich in der Hauptstadt mit einer Freundin aus Deutschland traf. Unsere erste Reisewoche verlief sorgenfrei. Das Virus war nicht viel mehr als ein Thema am Rande, dass wir misstrauisch beäugten, aber schwer einschätzen konnten.
Zurück in die Realität
Ein klarer Bruch folgte nach unserem Aufenthalt in einem Vipassana Center. Die 10 Tage im Meditationscamp verbrachten wir schweigend und ohne irgendwelchen Kontakt zur Außenwelt. Kein Handy, kein Internet, kein Fernsehen, kein Radio – und eben auch keine Nachrichten. Am Abend des 25. Februars bekam ich mein Handy zurück und damit einen heftigen Wiedereinstieg in die Realität: In meiner Abwesenheit hatte Corona Europa erreicht; mehrere Städte in Italien waren bereits abgeriegelt und die Lage schien plötzlich sehr ernst. Wir waren geschockt und bekamen die Verschärfung der Situation bald selber mit.
Während wir weiter durch Myanmar zogen, begegneten uns überall Sicherheitsvorkehrungen. Am Eingang von Tempeln, Supermärkten oder Schwimmbäder erwarteten uns Beamte mit Fieberthermometern. An vielen öffentlichen Orten standen Hinweisschilder mit Informationen über das Virus und Tipps zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung. Neben diesen Schildern fand man Desinfektionsmittel, das in Deutschland schon zur Mangelware geworden war. Wir hörten von der wachsenden Zahl an Todesopfern und von weiteren Grenzschließungen. Corona-Updates begleiteten uns auf der Reise. Mir fiel es immer schwerer, weiterzumachen. Ich hatte mich auf die vielen neuen Orte, Menschen und Erfahrungen gefreut, aber mit den ganzen schlechten Nachrichten im Rücken konnte ich die Tage nicht mehr komplett genießen.
Routenänderungen und Einreiseprobleme
Als wir Anfang März die Landesgrenze nach Thailand überquerten, hatte der besorgniserregende Anstieg der Fälle in Deutschland begonnen. Zu allem Unglück wurde meine Freundin in der Nacht der Grenzüberquerung so krank, dass sie am nächsten Morgen ins Krankenhaus musste. Ganze fünf Tage dauerte es, bis sie ihre heftige Lebensmittelvergiftung überwunden hatte. Obwohl sie kein Corona hatte und ihre Symptome anders waren, machten sich die Ärzte und Schwestern sichtlich Sorgen und haben zum Beispiel ihre Lunge geröntgt, um eine Infektion mit dem Virus auszuschließen. Der Krankenhausaufenthalt hat uns Zeit und Nerven gekostet und uns in Kombination mit der unsicheren Corona Lage dazu bewogen, unsere Reiseroute zu ändern. Anstatt wie geplant nach Laos, Vietnam, und Kambodscha zu reisen entschieden wir in Thailand zu bleiben und die Inseln im Süden zu besuchen. Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, denn für diese Länder noch ein Visum zu bekommen oder einreisen zu können wurde für Deutsche immer schwerer.
Auf in den Süden
Wir sehnten uns nach ein bisschen Sand und Meer, bevor uns das Chaos komplett einholen würde. Da ich eigentlich von Vietnam aus zurück nach Kathmandu fliegen wollte, buchte ich – noch optimistisch – einen neuen Flug von Bangkok zurück nach Nepal. Mir wurde aber schnell bewusst, dass auch die Einreise nach Nepal ein Problem werden würde. Die sonst so praktischen Visa-on-arrivals wurden für Deutsche nicht mehr ausgestellt und um überhaupt ins Land zu kommen brauchte man plötzlich ein Gesundheitszeugnis mit negativem Corona-Test. Kurz darauf erklärte die nepalesische Regierung, dass sich Einreisende aus Risikogebieten nach ihrer Ankunft für 14 Tage in Eigenquarantäne begeben sollten. Spätestens da war mir klar, dass ich nicht nach Kathmandu zurückkonnte. Schließlich war nur eine Woche Aufenthalt geplant, die ich unter den neuen Bedingungen alleine in einem Hotelzimmer hätte verbringen müssen. So änderte sich der Plan erneut – ich wollte Ende März gemeinsam mit meiner Freundin von Phuket aus ohne Umwege zurück nach Frankfurt fliegen.
Auch dazu ist es nicht mehr gekommen. Nachdem klar war, dass der Flugverkehr in Deutschland stark eingeschränkt werden würde und die großen Airlines immer mehr Flüge strichen, handelten wir schnell: Wir buchten uns einen Rückflug für den 20. März. Während des Buchungsvorgangs stieg der Preis um ein Drittel an und wir wurden wiederholt aus dem System geschmissen. Offensichtlich waren wir nicht die einzigen Deutschen, die plötzlich schnell wieder nach Hause wollten. Es war wohl einer der teuersten Flüge meines Lebens. Ich war trotzdem unheimlich erleichtert, als ich in Frankfurt landete. Nicht, weil das Virus inzwischen auch Thailand erreicht und dort erste Spuren hinterlassen hat und auch nicht, weil wir in Deutschland ein besseres Gesundheitssystem haben als dort, sondern vor allem weil ich in dieser unerwarteten und fremden Situation gerne zuhause bei meinen Liebsten sein möchte.
Rückkehr ins Corona-Deutschland
Ich bin jetzt seit drei Tagen wieder im Lande und wohne bis auf Weiteres bei meiner Familie. So ganz kann ich es noch nicht fassen, wieder in Deutschland zu sein. Ich genieße es natürlich, bei meiner Familie zu sein, aber die Ausnahmesituation in Deutschland in Kombination mit den vielen Unterschieden zu meinem Leben in Asien muss ich wohl erst mal verdauen. Außerdem mache ich mir Sorgen um die Zukunft: Kann ich jetzt meine Bachelorarbeit schreiben? Finde ich einen Job, um meine Wohnung in Münster zu finanzieren? Natürlich sind die Gesundheit und die Eindämmung des Virus aktuell das wichtigste, aber trotzdem kommen diese Gedanken. Da geht es uns wahrscheinlich gerade allen ähnlich.
Was mache ich nun aus der ganzen Situation? Meine Reise empfinde ich trotz des Chaos als einen Erfolg. Auch wenn ich nicht in Vietnam oder Laos war, habe ich einiges von Südostasien gesehen und mehr über Menschen und Kultur gelernt. Und nicht nur das: Gerade weil meine Reise nicht nach Plan verlief, hat sie mich in verschiedenen Arten herausgefordert und geprüft. Außerdem muss ich sagen, dass ich die eingeschränkten Möglichkeiten und die viele Zeit zu Hause aktuell noch genieße. Ich kann meine Eindrücke und Erfahrungen aus dem letzten halben Jahr in Ruhe ordnen, meine ganzen Sachen sortieren und ausmisten, und mich ausführlich mit meinen Freunden auszutauschen – wenn auch nur virtuell. Natürlich bedrücken mich die steigenden Fallzahlen und die Unsicherheit darüber, wie sich die Lage in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln könnte. Ich habe mir aber fest vorgenommen, das beste aus der Situation zu machen und sie für all die Dinge zu nutzen, zu denen ich sonst nicht komme.
Ich hoffe euch und euren Liebsten geht es gut. Bleibt zuhause und bleibt gesund!