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Auf der Suche nach ein bisschen Einigkeit Begegnungen im Libanon


18 religiöse Konfessionen, drei Religionen und eine Landesgrenze fast ausschließlich nach Syrien. Viel Platz für Uneinigkeit im Libanon – Was die Menschen hier daraus machen? Erste Impressionen von einem Wochenende voller Begegnungen.

Steinmauer mit Kreuzen im Libanon

Libanon im Norden: Tripoli und die Akkar-Ebene

Samstag, 19.11.2016: Wir begeben uns in Richtung Norden, um an einem Trip in die Akkar-Ebene teilzunehmen, organisiert von einem interreligiösen feministischen Forum. „In Tripoli?“ Dort sei er noch nie gewesen, erzählt mir ein Beiruter Bekannter vor ein paar Tagen. Tripoli, das ist die Stadt, die der Akkar-Ebene am nächsten ist, ganz im Norden des Libanon und fast so groß wie Beirut. Zu arm, zu traditionell, zu unsicher. Diese Einschätzung scheint das Bild vieler Beirutis von Tripoli zu prägen. Und das wird gleich nach unserer Ankunft dort bestätigt. Eine Archäologie-Professorin schildert, wie schwierig es für die meisten Menschen hier ist, Aufmerksamkeit innerhalb des Libanon zu erlangen. Dabei habe Tripoli doch eine der best erhaltenen Altstädte Libanons. Und in der Akkar-Ebene scheint diese Vergessenheit die Menschen noch mehr zu treffen, zu viel Armut, so viele Flüchtlinge. Nach einem kurzen Frühstück geht es weiter: Wir besuchen zwei Dörfer in der Akkar-Ebene, wo jeweils Gespräche mit religiösen und staatlichen Autoritäten geplant sind. Einer der Stops ist der kleine Ort Behri, wo sich ein maronitischer Mönch, zwei Imame und die Bürgermeister von dem vorrangig muslimischen Behri und dem direkt danebenliegenden christlichen Kibaye zu einem Gespräch eingefunden haben.

Behri, Libanon: Ein maronitischer Mönch, zwei Imame und der Bürgermeister
Ein maronitischer Mönch, zwei Imame und der Bürgermeister treffen sich zum Gespräch

Muslime, Christen, Flüchtlinge – Wie lebt man hier zusammen?

Begleitet werden wir dabei von der Tourismus Police und dem Kameramann eines christlichen Fernsehsenders. Vielleicht ist auch deshalb hier der Tenor: Das Zusammenleben? Alles kein Problem. Man versteht sich, man hilft sich. Bei einem Dorf, das selber 12.000 Einwohner hat und dazu 8.000 Flüchtlinge aufnimmt, fällt uns das schwer zu glauben. Der Eindruck aber, dass man nach außen hin ein Bild der Einigkeit vermitteln möchte, sowohl unter den sozialen Gruppen, als auch unter den Religionen – dieser Eindruck bleibt. Nach einem fulminanten Mittagessen bestehend aus den berühmten libanesischen Mezze und einem weiteren kurzen Besuch in einem Karmeliter Kloster der Gegend, inklusive interreligiösem Gebet, geht es zurück nach Beirut.

Einen Sonntag Griechisch-Orthodox

Karmeliter Kloster, Libanon
Die griechisch-orthodoxe Kirche in Balamand

Um 07:00 am nächsten Morgen klingelt erneut mein Wecker und wir, der Kurs ‚Contemporary Eastern Churches‘ und ich, fahren erneut los in Richtung Norden. Unser Ziel ist dabei ein griechisch-orthodoxes Zentrum, bestehend aus einer Kirche, einem Priesterseminar, einem Kloster und der Balamand-Universität, das einige Kilometer von Batroun entfernt im Landesinneren liegt. Vielleicht, ganz vielleicht, kündigt unsere Professorin Dr. Rima Nasrallah im Vorhinein an, werden wir den Patriarchen von Antiochien treffen. Und nebenbei erinnert sie uns noch daran, dass die griechisch-orthodoxe Kirche keine offene Eucharistie feiert. Anders gesagt heißt das für alle nicht-orthodoxen kein Abendmahl, ob getauft oder nicht. Trotzdem gilt für mich – als gut erzogene Protestantin, die eine/n PfarrerIn im schwarzen Outfit und ein schlichtes Kircheninneres gewohnt ist, verlernt hat, sich zu bekreuzigen und bei dem Wort Ikone an Popmusik denkt – der Gottesdienst ist auch so ein echtes Erlebnis.

Das Kircheninnere der griechisch-orthodoxen Kirche mit Kronleuchter
Das Kircheninnere der griechisch-orthodoxen Kirche.

Nach zwei Stunden Messe und betrunken von all dem Weihrauch treten wir ins Freie. Und tatsächlich, da steht der Patriarch und schüttelt einigen von uns, darunter auch mir, die Hand. Ich verteile gleich auf Whatsapp die gute Nachricht an Freunde und Familie, deren Begeisterung sich allerdings spürbar in Grenzen hält – einfach zu wenig gute Christen in meinem Freundeskreis. Und schon gar keine Orthodoxen, stelle ich bei dieser Gelegenheit fest. Der Patriarch lädt uns noch zum Kaffee ein, wie soll es anders sein.

Wenn mir unsere Gruppenausflüge bisher nämlich zwei Sachen gezeigt haben, dann ist es a) dass zu einem guten Gespräch immer eine Runde Kaffee gehört und ich b) am Ende der zehn Monate auf mindestens 1200 Gruppenbildern verewigt sein werde. In weiser Voraussicht allerdings meist im hinteren Teil des Bildes, um mit meinen 1,74cm Basketballerinnen-Größe niemanden von den tendenziell kleineren Libanesen und Libanesinnen zu verdecken. Und so schallt am Ende auch hier noch der Ruf ‚Group-Picture‘ durch den Saal.

Anschließend nimmt uns der Dekan des Priesters-Seminars mit zum Mittagessen im Studentenwohnheim, das wir mit einer kurzen Runde Tischtennis-Rundlauf ausklingen lassen.

Mit Priesteranwärtern Tischtennis spielen
Die Priesteranwärter beim Tischtennis-Rundlauf.

Eine Zukunft, die gibt es nur gemeinsam

Zwei Männer in schwarzer Robe und mit schwarzen Hüten sitzen in einem steinernen Raum, in dem rote Teppiche ausgelegt sind.
Der Dekan des Priesterseminars und der Abt des dazugehörigen Klosters im Gespräch

In einem kleinen Konferenzraum mit gemütlichem Teppichboden und Meerblick findet noch ein gemeinsames Gespräch mit dem Dekan des Priesterseminars statt. Wie er die Situation seiner Kirche einschätzt, möchten wir von ihm wissen, gerade mit Blick auf die schwierige Situation in Syrien. Und plötzlich wird es still im Raum. Man spürt, wie er sich bemüht, die richtigen Worte zu finden. „Wir leiden“, sagt er nach einer langen Pause. 1.000.000 ChristInnen haben Syrien bereits verlassen, das sind 50 Prozent der gesamten christlichen Bevölkerung. Wir haben Priesteranwärter aus Aleppo, die dieses Jahr mit ihrer Ausbildung fertig sind. „Die möchten zurück, aber wir können die doch nicht zurückschicken!“ Die Priester, die noch vor Ort seien, würden versuchen, die Menschen zu unterstützen, indem sie deren Häuser wieder aufbauen, Seelsorge leisten, da sind. Aber die meisten gingen doch. Und Europa lasse sie ja auch alle rein, sagt er. Und trotzdem schwingt wenig Vorwurf in seiner Stimme mit. Dass die Menschen gehen, das versteht hier jeder. Klar ist für ihn aber auch: So wird es immer schwieriger werden, hier in der Region Frieden zu schaffen. Diesen Islam, der gerade so präsent ist, der extremistische Islam, die Muslime, die mit ihren Maschinengewehren ganze Landstriche kontrollieren und bereit sind christliche Dörfer gänzlich auszulöschen, das sei nicht der Islam mit denen sie hier seit Generationen Tür an Tür lebten. Dieser Islam, der sei ihm vollkommen fremd! Für den Dekan des Priesterseminars ist das ein importierter Islam. Woher der komme? „Foreign policies“. Zu viele Demütigungen in den letzten Jahrzehnten. Das seien Menschen, die sich abgehängt fühlen, von der Gesellschaft und von der Welt. Und dann greife man zu extremistischen Ideen, egal ob Christ oder Moslem. Eine Zukunft ohne ihre muslimische Mitbürger? Natürlich gebe es die nicht. Eine Zukunft, die gebe es nur gemeinsam.

Auf der Suche nach ein bisschen Einigkeit

Tief berührt hinterlässt mich das Gespräch mit diesem reflektierten, nachdenklichen Menschen. Und da muss ich auch wieder an gestern denken und an den Mönch, den Imam und den Bürgermeister. Das Uneinigkeit, Streit und Misstrauen die unterstützt, die wir nicht unterstützt sehen wollen, das scheinen hier viele der Verantwortlichen verstanden zu haben. Und so wird Einigkeit demonstriert in einer Gegend der Erde, wo Uneinigkeit so nah scheint.

Kommentare
  1. Anna-Katharina Diehl

    16. September 2018

    Liebe Maxime,
    Das ist wirklich ein wunderbarer Blog! Ich war 2010/11 im Libanon und zehre bis heute von den Erfahrungen. Danke, für deine detaillierten Erfahrungsberichte! Vielleicht sehen wir uns am 27.10. zur Rückkehrertagung?
    Liebe Grüße,
    Anna-Katharina Diehl

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