26. September 2021
Manchmal reicht es nicht, einfach nur in ein anderes Land zu reisen. Manchmal muss man noch ein Stück weiter gehen – bis an den Rand der Welt.
Bevor ich nach Irland kam, hatte ich sofort immer ganz bestimmte Bilder zu diesem Land im Kopf: viele grüne Wiesen, atemberaubende Landschaften und kleine Städte mit bunt gestrichenen Häusern direkt am Meer. Als ich in Limerick ankam, wurde dieses Bild jedoch erst einmal nicht bestätigt. Kein Meer, keine grünen Wiesen, umrandet von Steinmauern und keine Klippen. Das ergibt auch Sinn, wenn man bedenkt, dass Limerick eine Stadt ist, die im Inneren des Landes liegt. Ich würde jedoch behaupten, die Stadt hat ihren eigenen Charme. Sie liegt beispielsweise direkt am Shannon River. Dort hat man auch eine schöne Aussicht, zum Beispiel auf das King John’s Castle, das sich am Rande des Flusses befindet.
Also beschlossen meine Mitbewohner und ich einen Roadtrip entlang am Wild Atlantic Way zu machen. Wir mieteten deshalb ein Auto und machten uns am Samstagmorgen auf in Richtung Süden. Die Fahrt zum südlichsten Punkt des Landes dauert von Limerick aus circa dreieinhalb Stunden. An sich ist der Weg gar nicht so weit aber an vielen Stellen ist die Straße so eng und gewunden, dass man natürlich nicht mit 80 km/h durchbrettern kann. Dafür kann man dann aber auch länger die schöne Aussicht bewundern. Ich war aber trotzdem froh, dass ich nicht fahren musste, weil ich vor meiner Ankunft in Irland aus Versehen meinen Führerschein weg geworfen hatte, da ich meinen Geldbeutel gewechselt hatte und den alten dann eben mitsamt Führerschein anscheinend entsorgt habe.
Schließlich am südlichsten Punkt, dem sogenannten “Mizen Head”, angekommen, fingen wir an, den Pfad entlang zu wandern, der dort angelegt worden war. Die Aussicht war dabei einmalig. Zerklüftete Klippen, gegen die die Wellen schlugen, ein peitschender Wind, der die außergewöhnliche Stimmung nur noch verstärkte und ein Gefühl von kompletter Freiheit. Vor uns lag nur noch der unendlich wirkende Atlantik und die Zeit schien still zu stehen.
Irgendwann ging es dann natürlich trotzdem wieder weiter und wir übernachteten in der Unterkunft, die wir für die Nacht gebucht hatten. Am nächsten Morgen stiegen wir dann direkt wieder ins Auto und schlängelten uns weiter langsam mit dem Auto an den Klippen entlang. Zwischendurch wurde uns dann doch mulmig, denn auf einmal hörte die Straße komplett auf und wir fuhren mehr oder weniger auf einem Feldweg an einem Hang ohne Befestigung entlang. Die Fahrerin unserer Gruppe schlug sich aber wacker. Wir hätten ja eh nicht umdrehen können. Der Weg war einfach zu eng. In dem Moment war ich sogar froh, dass ich meinen eigenen Führerschein aus Versehen weggeworfen habe und somit auch nicht fahren konnte. Der nächste Schock kam dann aber auch sofort, da wir auf einmal vor einem geschlossenen Tor standen. Wir waren alle total verwirrt, weil das Tor einfach mitten im Nirgendwo war und dahinter weit und breit nur grüne Wiesen waren, so wie die ganze Zeit davor auch schon. Diese paar Minuten, in denen wir nicht wussten, ob das Tor abgesperrt war oder nicht, waren definitiv mehr als nervenaufreibend. Doch im Endeffekt stellte sich heraus, dass das Tor glücklicherweise nicht abgeschlossen war. Das erklärte vermutlich auch die ganzen Schafe, die uns mitten auf dem Weg begegnet waren.
Nachdem ich meine Todesangst überwunden hatte, konnte ich endlich die unfassbar surreale Landschaft richtig wahrnehmen. Was ich sah, war so fernab von allem, was ich davor kannte. Kein Film und auch kein Foto kann diese Bilder so wahrnehmen, wie es nur die eigenen Augen können. Man konnte so unendlich weit sehen und überall, wo wir anhielten, begegneten uns entweder zwei oder drei andere Menschen oder es war weit und breit niemand zu sehen. Wir hatten beispielsweise einen kompletten Strandabschnitt für uns allein. Die anderen aus der Gruppe nutzten diese Gelegenheit, um schwimmen zu gehen. Ich jedoch entschied mich dazu, auf die Felsen am Rande des Strandes zu klettern und mich dort zu sonnen. Ich musste mich zwischendrin immer wieder selber erinnern, dass alles, was ich sah, kein Traum war, sondern Wirklichkeit. Als es dann schließlich wieder in Richtung Limerick ging, machten wir noch einen Stopp in einer kleinen Küstenstadt namens Kenmare, in der es dann natürlich auch die irlandtypischen bunten Häuser gab.
Wir haben insgesamt nur einen Bruchteil davon gesehen, was die Westküste Irlands zu bieten hat, aber ich kam aus dem Staunen einfach nicht mehr raus. Das Wort “wild” in Wild Atlantic Way” hat definitiv seine Berechtigung. Ich fühlte mich stellenweise komplett allein, aber gleichzeitig fühlte ich mich an keiner Stelle einsam. Die Rastlosigkeit, die wohl jeden einmal befällt, wurde ersetzt durch ein Gefühl des Heimkommens und der Faszination eines Kindes.
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