7. September 2020
Was bleibt nach sechs Monaten Auslandssemester in Südkorea? In diesem Beitrag blicke ich noch einmal zurück sowie nach vorne. Denn die Zeit hat mich geprägt und wird mich auch in Zukunft mit Sicherheit noch beeinflussen.
Der DAAD und studieren weltweit haben uns dazu angeregt, vor unserem Auslandsaufenthalt eine Mission zu formulieren. Für mich bestand sie darin, mich persönlich herauszufordern, viel Neues auszuprobieren und einfach so viele Möglichkeiten wahrzunehmen, wie nur geht – selbst wenn diese vielleicht mit einem Risiko verbunden sind. Kurzum: Mehr Ja wagen.
Ich war und bin mit diesem Satz zwar nicht hundertprozentig happy. Ich finde, dass „Ja sagen“ generell eine eher negative Konnotation hat – im Sinne von passiver Zustimmung. In meiner Mission ist das Ja jedoch nicht so gemeint, sondern vielmehr als aktive beziehungsweise bewusste Selbstbestimmung und Ergreifen der Initiative. Und wagen nicht im Sinne von sich zaghaft etwas trauen, sondern einfach mal über seinen Schatten zu springen und zu machen!
Zum Beispiel einfach spontan den höchsten Peak im Bukhansan National Park erklimmen … warum nicht?
Dann kam alles anders
Direkt zu Beginn meines Auslandsaufenthalts wurde das schon auf die Probe gestellt. Ich hatte mir den Start in Südkorea etwas anders ausgemalt: Seoul als spannende Millionenmetropole, in der die Straßen Tag und Nacht mit Menschen überfüllt sind, das Leben nie still steht und so viele Abenteuer möglich sind, das man gar nicht weiß, wo man anfangen oder aufhören soll.
Stattdessen erwartete mich eine Geisterstadt. Ich landete am 19. Februar in Seoul – an diesem Tag gab es „erst“ 51 Neuinfektionen mit Covid-19. In den darauffolgenden Tagen schnellte diese Zahl extrem in die Höhe und lag nur sieben Tage später bereits bei 1261. Auch wenn es keinen Lockdown gab, waren die Social-Distancing-Guidelines zunächst strikt.
Mir wurde sowohl von zu Hause aus Deutschland als auch von anderen internationalen Studenten vor Ort die Frage gestellt, ob es nicht besser sei, so schnell wie möglich wieder abzureisen. Doch für mich stand von Anfang an fest, dass dies keine Option ist. So schnell meinen Traum aufzugeben, für ein halbes Jahr in Seoul zu leben? Auf keinen Fall! Und das stellte sich bald als die beste Entscheidung heraus. Denn als Europa von Corona komplett auf den Kopf gestellt wurde, hatte Südkorea die Situation schon wieder sehr gut im Griff.
Prioritätenverschiebung
Ich bin nach wie vor extrem dankbar dafür, dass es mich genau nach Seoul verschlagen hat und in manchen Momenten konnte ich mein Glück gar nicht fassen und fragte mich, womit ich es überhaupt verdient habe, zu jener weltweit schwierigen Zeit trotzdem ein solch unbeschwertes und verhältnismäßig freies Leben zu führen. Nichtsdestotrotz sah das natürlich etwas anders aus, als ich es mir vorgestellt hatte.
So hatte ich vor meinem Aufenthalt geplant, dass ich zum Beispiel auch nach Taiwan, Japan und China reisen werde und die Zeit auch noch insofern nutze, um andere Länder und Kulturen abseits von Südkorea kennenzulernen. Dem war jetzt zwar nicht so, jedoch hatte das am Ende auch viel Gutes. Zum Beispiel bereiste ich viel mehr von Südkorea als ich ursprünglich geplant hatte und lernte das Land so viel intensiver kennen.
Eine meiner Reisen führte mich nach Busan.
Freundschaften fürs Leben
Außerdem bin ich unglaublich glücklich darüber, was für inspirierende Menschen ich kennengelernt habe und hätte nicht gedacht, dass in dieser doch recht kurzen Zeit schon so tiefe Verbindungen entstehen. Natürlich kann ich das erst wirklich in der Zukunft beurteilen, allerdings habe ich das Gefühl, eine Hand voll richtiger Freundschaften fürs Leben geknüpft zu haben.
Und das liegt bestimmt auch an der Situation, in der wir uns wegen Corona befanden. Ich glaube, ansonsten hätten es vermutlich viele Leute mir und meinem ursprünglichen Plan gleich getan und wären jedes oder jedes zweite Wochenende „ausgeflogen“, um andere Städte oder Länder in Asien zu entdecken. Da dies nicht möglich war, spielte sich alles in Seoul und innerhalb von Südkorea ab und wir verbrachten alle sehr viel Zeit miteinander. So konnten wir uns viel besser kennenlernen als es ohne Corona vermutlich der Fall gewesen wäre.
Natürlich handelt es sich nicht bei allen neuen Freundschaften um solche engen Verbindungen. Allerdings sind mir drei Mädels extrem ans Herz gewachsen und es hat sich mit ihnen so angefühlt, als würden wir uns schon ewig kennen. Wir sind jetzt schon dabei, unsere Reunion in Europa zu planen und ich kann es kaum erwarten.
Wir sind auch gemeinsam durch Südkorea gereist – hier haben wir gerade einen einsamen Strand auf Jeju-do entdeckt.
Den Moment wertschätzen
Allerdings liegt auch viel Schönheit und Gelassenheit in der Erkenntnis, dass nicht alle Begegnungen viel Tiefe haben oder zu Freundschaften werden müssen. Ich glaube der Auslandsaufenthalt hat mich in dieser Hinsicht noch mehr Leichtigkeit gelehrt sowie die Erkenntnis, dass es am wichtigsten ist, das Hier und Jetzt zu genießen – so klischeehaft das auch klingen mag. Nur weil ein Moment oder die Menschen, mit denen du ihn teilst nicht beständig sind, heißt das nicht, dass er weniger wert ist.
Bewusst im Hier und Jetzt sein.
Mehr Selbsterkenntnis
In einem ganz anderen, neuen Umfeld sowie einer fremden Kultur zu leben bringt auch die Möglichkeit mit sich, sich selbst viel besser kennenzulernen und vielleicht auch andere Seiten an sich zu entdecken. Denn man ist frei von all den Gewohnheiten, in denen ich mich vielleicht zu Hause mehr verloren hatte, als mir bewusst war. Neue Kultur, neue (Lieblings-) Orte, neue Freunde, neue Hobbys …all das lässt sich für mich am Ende in dem Gefühl zusammenfassen, dass ich das Leben komplett selbst in der Hand habe. Und mir eben beinahe überall auf der Welt mein Leben neu aufbauen kann. Darin steckt für mich sehr viel Power. Und die Erkenntnis, dass ich in der Lage bin, genau das auch am anderen Ende der Welt zu machen und dort alle möglichen Herausforderungen zu meistern, birgt sehr viel Unabhängigkeit und Kraft. Dieses Gefühl kann mir einfach niemand mehr nehmen.
Insgesamt fühlt es sich für mich so an, als sei ich noch mehr bei mir angekommen. Ich weiß, das klingt cheesy – ist aber so!
Obacht, es wird noch kitschiger
All die tollen Menschen und die Momente, die ich mit Ihnen geteilt habe, werden für immer in meinem Herzen sein. Genauso wie die tiefe Verbundenheit zu Südkorea. Ich kann es jetzt schon kaum erwarten, wieder zurückzukehren. Auch wenn dann alles anders sein wird. Vielleicht sogar gerade deswegen.
Kurzum kann ich nur jedem raten: Wage mehr Ja! Sei neugierig und ergreife die Möglichkeiten, die dir offen stehen und nutze die Chance, im Rahmen deines Studiums einen (oder vielleicht sogar mehrere?) Auslandsaufenthalt(e) zu machen!
Lass deine Zweifel zurück und tu es!
Ich verabschiede mich hiermit von meinem Correspondent-Dasein und bedanke mich für den tollen Austausch hier mit Euch – es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Du planst, vielleicht auch nach Südkorea zu gehen und möchtest noch mehr erfahren? Dann schau dir auch unbedingt mein studieren weltweit Instagram-Takeover an.
In diesem Sinne: 감사합니다 (Gamsahamnida / Danke) ✌️
Das nächtliche Funkeln der Stadt hält mit jedem Sternenhimmel mit.