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Schnitzeljagd im Elisabethtal: Schwäbische Spurensuche in Georgien

„Schön hier, aber schon mal in Baden-Württemberg gewesen?“ – Die Gründer von Asureti waren es mit Sicherheit. Vor 200 Jahren kamen die ersten schwäbischen Familien nach Georgien. Heute werden die Geschichte und das Erbe der deutschen Kolonien langsam wiederentdeckt. Folgt mir auf meiner Schnitzeljagd durch das Dorf der Kaukasusdeutschen.

Geschichte der Deutschen im Kaukasus

Im 18. und 19. Jahrhundert lösen Kriege, Hungersnöte und Glaubenskämpfe eine Auswanderungswelle aus Württemberg aus. Viele Deutsche verlassen ihre Heimat und siedeln sich in Osteuropa an. Der russische Kaiser Alexander I. ruft deutsche Siedlungswillige in die neu eroberten Gebiete im Südkaukasus. Georgien ist damals im Gegensatz zu Deutschland ein friedliches Land mit Sicherheit und Perspektiven.

Die Siedler erhielten Land und Vieh, alles, was sie zum Aufbau einer eigenen Landwirtschaft brauchten. Der Kaiser bot auch Glaubens- und Steuerfreiheit. 1817 brachen die ersten 1.400 Familien (ca. 7.000 Menschen) von Ulm aus in den Transkaukasus auf. In der Umgebung von Tbilisi siedelte sich die erste größere Gruppe aus Württemberg an und die ersten Siedlungen wurden gegründet. Ein Jahr später entstand das Dorf Elisabethtal, heute bekannt als Assureti. Der Anfang war schwer, ungewohnte Wetterbedingungen, Krankheiten und Überfälle der Nachbarvölker kosteten vielen Menschen das Leben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blühten die Siedlungen auf. Jahrhunderts blühen die Kolonien auf, denn die Schwaben betreiben erfolgreich Landwirtschaft, Handel und Weinbau. Im Zarenreich genießt der aus Schwaben stammende Wein ein hohes Ansehen.

Deutsches Fachwerkhaus in Georgien.
Deutsches Fachwerkhaus in Elisabethtal.

Etwa 500 Großfamilien gründeten 1818 in der Nähe von Tiflis acht Kolonien. Die „Schwabendörfer“ hießen unter anderem Katharinenfeld (heute Bolnissi), Marienfeld (Sartitschala), Elisabethtal (Asureti). Auch in Tbilisi siedelten sich deutsche Kolonisten an. Sie errichteten das deutsche Viertel Neutiflis und waren als Handwerker, Kaufleute und Unternehmer tätig. Die deutschen Kolonisten trugen zur wirtschaftlichen Entwicklung Georgiens bei. Unter anderem gab es ein deutsches Gymnasium, eine evangelisch-lutherische Kirche, ein Krankenhaus und Zeitungen. 1918 gab es in Georgien mehr als 20 von Kaukasiendeutschen gegründete Dörfer.

Ein Dokument aus 1891 "Erinnerung an den Tag der Konfirmation"
Erinnerung an den Tag der Konfirmation, 1891

Zwangskollektivierung und Massendeportation

Der wirtschaftliche Aufschwung der Winzerdörfer und Betriebe wurde durch die Besetzung Georgiens durch die Rote Armee 1921 unterbrochen. Die anschließende Zwangskollektivierung zerstörte alles. Alle deutschen Siedlungen verloren in der neu gegründeten Sowjetunion ihre wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Eigenständigkeit.

Im Zweiten Weltkrieg wurde ab 1941 die Massendeportation der Deutschen aus der Sowjetunion konsequent durchgeführt. Die bis zu einer Million Deutsche in der UdSSR wurden plötzlich als potentielle Kollaborateure mit dem nationalsozialistischen Regime angesehen. Auf Befehl Stalins wurden alle 24.000 georgischen Kaukasusdeutsche in der Südukraine, in Sibirien und Kasachstan mit Güterzügen in Arbeitslager deportiert, zwangsumgesiedelt, enteignet. Mit Stalin und meiner Familiengeschichte habe ich mich in diesem Insta-Post schon auseinandergesetzt. Nur ethnisch gemischte Ehen, also Deutsche, die mit Einheimischen verheiratet waren, durften bleiben, aber das Ausleben der deutschen Identität wurde unterdrückt. Die Häuser der deutschen Siedler wurden an Migranten aus anderen Regionen Transkaukasiens vergeben. Nur wenige überlebende Kaukasiendeutsche kehrten nach dem Krieg in den Kaukasus zurück. Bis 1955 durften sie Zentralasien und Sibirien nicht verlassen. Die verbliebenen Familien wurden auseinandergerissen und in der Sowjetunion zerstreut, die schwäbische Kultur verschwand langsam aus Georgien.

Erst mit der Perestroika, der Umgestaltung des sowjetischen politischen Systems in den 80er Jahren, wurden die diskriminierenden Gesetze gelockert. Mit der Unabhängigkeit Georgiens 1991 werden die kulturellen Wurzeln der Kaukasiendeutschen wiederentdeckt. Deutschland und Georgien öffnen sich wieder füreinander.

Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen!

Elizabethtal trägt heute den georgischen Namen Asureti und liegt in der Nähe von Tiflis. Das Dorf ist mit der Marschrutka (Minibus) von Tbilisi aus schnell und einfach zu erreichen. Wir haben unseren Besuch mit einer Wanderung von Korjori nach Asureti verbunden, mit dem Ziel, den Tag in einem deutschen Biergarten ausklingen zu lassen. Die Wanderung dauert knapp vier Stunden, ist leicht und geht bergab. Der Weg führt an der Festung Azuela vorbei, Wald und Wiesen wechseln sich in der Hügellandschaft ab.

In Elisabethtal angekommen, hatte ich das Gefühl, nicht mehr in Georgien zu sein. Vom Anblick her hätte ich auch in meinem donauschwäbischen Heimatdorf in Ungarn sein können. Die Häuser kamen mir sehr bekannt vor, die Bauernhäuser einstöckig und lang, an der Straße eine Allee von Walnussbäumen, genau wie bei meiner Großmutter.

Diese ehemaligen deutschen Siedlungen sind heute noch leicht an ihrem architektonischen Erbe zu erkennen. Die Dörfer sind in ihrer Struktur gut erhalten. Die Straßen in Elizabethtal sind schnurgerade, mit Wassergräben versehen, es gibt noch einige Fachwerkhäuser, oft mit überhängenden Holzbalkonen, Giebeldächen und Weinkellern. Die Straßen sind deutsch-georgisch beschriftet. In der Schwabenstraße, in der Mitte des Dorfes, steht eine evangelisch-lutherische Kirche. Es gibt einen deutschen Friedhof. An einigen Gebäuden der ehemaligen Tischlerei, Schmiede und Weberei erinnern kleine Schilder an die Vergangenheit. Inzwischen gibt es auch einen Verein, der sich für die Erhaltung der Sprache, der Traditionen und des Brauchtums der Kaukasiendeutschen einsetzt.

Der Biergarten „Bahnhof Station“ empfängt seine Gäste seit dem Jahr 2022. Auf der Speisekarte stehen deftige deutsche Gerichte mit lokalen Varianten und einige georgische Gerichte. Es gibt Schweinshaxe, Wurstplatte, Bratkartoffeln, Brezeln und Apfelstrudel. Bier vom Fass darf natürlich auch nicht fehlen. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so auf ein Schnitzel gefreut wie hier. Wir hatten das Essen unseres Lebens, es war wirklich lecker. Ich habe sogar ein bisschen Stolz in mir gespürt, als unsere internationale Freundesgruppe so begeistert von der deutschen Küche war. Fakt ist: Apfelstrudel mit Vanillesoße ist kaum zu toppen.

Weiteres Material zur Geschichte der Kaukasiendeutsche findet ihr hier. 

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