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Sechs Wochen in Porto und schon mein Zuhause?

„Du weißt, dass du Zuhause bist, wenn du in der Stadt einfach so Bekannte triffst“, sagte eine Freundin vor einigen Tagen zu mir. Wir waren gerade spät abends auf dem Heimweg von unserer Lieblingsbar und haben in der Metro überraschend unsere Mitpraktikantinnen getroffen. Diese Worte haben mich stutzen lassen. Ist Porto nach sechs Wochen wirklich schon mein Zuhause? In den letzten Tagen habe ich viel darüber nachgedacht und meine Gedanken möchte ich hier mit euch teilen.

Was meine Freundin gesagt hat, stimmt auf jeden Fall. Mittlerweile treffe ich in der Stadt immer wieder zufällig auf bekannte Gesichter. Meine Mitbewohner*innen im Supermarkt, meine Kolleg*innen beim Sonnenuntergang, Freund*innen am Strand und immer wieder andere Studierende auf Partys, Veranstaltungen und Ausflügen. Da schlendert man nichtsahnend durch ein Museum und auf einmal grinst einen einer der vielen Erasmusstudierenden an. In meinem Abschiedspost an Gießen habe ich geschrieben: „Manchmal ist Gießen wie ein Dorf, wenn man überall Bekannte trifft“. Niemals hätte ich gedacht, dass es in Porto genauso sein wird. Jetzt scheint Porto auf einmal gar nicht mehr so groß und fremd.

Aller Anfang ist schwer.

Am Anfang hat sich Porto so gar nicht wie ein Zuhause angefühlt. Stattdessen hatte ich großes Heimweh. Das ist mir in in den ersten Tagen an einem neuen Ort noch nie passiert, denn normalerweise genieße ich das Reisen sehr. Ein Grund dafür ist sicher meine Wohnsituation hier. Die ist nicht vergleichbar mit der, die ich aus den letzten Jahren gewohnt war. Ich habe mich in meinen WGs in Gießen sehr wohlgefühlt und es war immer alles sehr familiär. Auf einmal lebe ich hier in einem großen Haus mit 18 fremden Personen auf dreieinhalb Stockwerken. Alle sind super lieb hier, aber die Mentalität ist eine ganz andere als Zuhause. Es wird viel gefeiert, es ist laut und es wird viel Fleisch gegessen. Da musste ich mich erst einmal dran gewöhnen. Mittlerweile wohne ich gerne in diesem Wohnheim. Ich habe nette Gespräche mit meinen Mitbewohner*innen und mit manchen habe ich mich auch sehr gut angefreundet. Manchmal, wenn mir alles ein bisschen zu viel ist, mache ich aber auch einfach mein eigenes Ding. Ich finde, das ist vollkommen okay.

Zuhause, oder doch eine deutsche Touristin?

Wenn mich Portugiesen hier durch die Stadt schlendern sehen, dann denken sie ganz bestimmt: Das ist eine deutsche Touristin. Denn deutsche Touristen sind hier überall. Als Touristin habe ich mich in Porto aber nie gefühlt. Portugal ist mir bereits sehr vertraut und ich war vorher schon zweimal in Porto. Das ganze Sightseeing-Programm habe ich vor einigen Jahren bereits absolviert. Deshalb habe ich weder die bekannte Bibliothek Livraria Lello angeschaut noch die Sé Kathedrale besichtigt. Nicht einmal eine Stadtführung habe ich gemacht. Ich bin hier schon zu Beginn mit der Einstellung hergekommen, hier zu leben und nicht Urlaub zu machen.

Zuhause ist, wo ich die Sprache spreche?

Você fala português? Do you speak english? Auf Deutsch bitte! Hier in Porto verwende ich in meinem Alltag drei Sprachen. Vormittags in der Schule spreche ich Deutsch, mit meinen Freund*innen Englisch und zwischendrin immer wieder Portugiesisch. Zumindest versuche ich es. Denn auch, wenn ich jetzt schon seit einigen Jahren Portugiesisch lerne und ich immer mehr verstehe, fällt mir das Sprechen noch schwer. Manchmal denke ich auf drei Sprachen gleichzeitig und alles geht ein bisschen durcheinander in meinem Kopf. Ich merke aber: Das Gefühl Zuhause zu sein, ist bei mir nicht an Sprache gebunden. Auch wenn ich nicht immer alles verstehe, fühle ich mich hier gar nicht fremd. Irgendwie bekommt man doch alles kommuniziert und wenn es mit Händen und Füßen ist.

Zuhause ist, wo mein Alltag ist.

Dass ich hier so etwas wie einen Alltag entwickelt habe, ist für mich ein Zeichen, dass ich hier wirklich lebe und nicht nur Urlaub mache. Ich habe meine eigene Routine entwickelt. Ich stehe morgens früh auf, mache mich fertig und dann geht’s auf zur Schule. Den Schulweg kenne ich schon im Schlaf. Am Vormittag wird dann gearbeitet und langsam kenne ich alle Abläufe und Besonderheiten in der Schule. Außerdem kann ich mir mittlerweile die Namen aller Kinder in meinen drei Klassen merken. Das hat tatsächlich ein bisschen gedauert. Am Nachmittag arbeite ich entweder, bereite den Unterricht vor, ruhe mich aus oder ich unternehme etwas. Abends wird mit meiner Mitbewohnerin zusammen gekocht, ich treffe Freund*innen oder ich gehe in eine Bar. Später geht es irgendwann ins Bett und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los. Dabei wird es aber nicht langweilig. Ich mag meinen Alltag hier sehr. Es ist die perfekte Mischung aus Arbeit in der Schule und Freizeit. Gefühlt unternehme ich hier mehr als in Deutschland und genieße es sehr.

Zuhause ist, wo ich gerne bin.

Reisen und Ausflüge sind hier anders als in Deutschland von großer Priorität für mich. Fast jedes Wochenende mache ich Ausflüge in der Umgebung Portos. In den Osterferien wird es an die Algarve und nach Lissabon gehen. Trotzdem ist es immer auch schön zurück nach Porto zu kommen. Porto ist meine Basis und von hier aus kann ich Portugal entdecken. Immer wenn ich wieder hier bin, fühlt es sich an wie nach Hause zu kommen. Ich reise gerne durch Portugal, aber ich bin auch gerne wieder hier in Porto. Im Alltag denke ich immer wieder: „Wie schön, dass ich hier leben darf!“.

Sonnenuntergang über dem Douro
Die Sonnenuntergänge sind etwas ganz besonderes.

Zuhause sind meine Lieblingsorte.

Mittlerweile habe ich in Porto Orte gefunden, die mir besonders gut gefallen. Ich mag es durch den Park Jardins do Palacio de Cristal zu schlendern, mich unter die Bäume zu setzen, Pfauen zu beobachten und auf den Fluss zu schauen. Den Sonnenuntergang schaue ich am liebsten im bekannten Jardim do Morro und abends bin ich gerne in der Bar Adega Leonor. Solche Lieblingsorte machen ein Zuhause für mich aus. Noch wichtiger sind aber die Menschen, mit denen ich an diesen Orten Zeit verbringe.

Zuhause sind meine liebsten Menschen.

Ich habe hier tolle Menschen kennengelernt und verbringe gerne Zeit mit meinen Freund*innen. Wir lernen uns hier irgendwie viel schneller und intensiver kennen, als wenn ich neue Menschen in Deutschland treffe. Es sind in nur sechs Wochen schon richtig gute Freundschaften entstanden, aber gleichzeitig vermisse ich meine Familie und meine Freund*innen in Deutschland – manchmal sogar sehr. Es ist schwer, so weit weg von meinen Liebsten zu sein und nicht mehr täglich mit ihnen zu sprechen. Trotzdem erlebe ich hier so viel, dass es mir manchmal schwerfällt, den Kontakt nach Deutschland zu halten.

Drei Menschen vor einem Ausblick auf die Stadt
Mit Anne und Meike unternehme ich viel in Porto.

Zuhause ist ein Gefühl.

Ich vermisse mein Zuhause in Deutschland. Ich vermisse Gießen, wo ich studiere und das kleine Dorf, aus dem ich komme. Immer wenn ich Heimweh habe, dann möchte ich nach Hause. Dann kann Porto ja doch nicht mein Zuhause sein. Oder etwa doch?

Auch in Deutschland hatte ich, seit ich zum Studieren weggezogen bin, immer zwei Zuhause. Und warum auch nicht? Meiner Meinung nach, kann man sich an mehr als nur einem Ort Zuhause fühlen. Viel was für mich ein Zuhause ausmacht, habe ich auch hier in Porto. Da treffe ich genauso zufällig Menschen in der Stadt wie in Deutschland. Ich weiß aber auch, dass meine Zeit hier begrenzt ist. Mir ist jederzeit bewusst: In Porto bin ich nur für ein paar Monate. Vielleicht ist das der Grund, wieso ich versuche, jeden Tag zu genießen und so viel es geht zu erleben. Für mich ist die Antwort jetzt ganz klar: Ja, Porto ist mein Zuhause. Es ist mein Zuhause auf Zeit.

Até breve und bis bald!

Eure Miri

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