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Segelfliegen in Holland Mama, ich lebe noch!


Seid ihr schon mal mit einem Segelflugzeug geflogen? Nein? Ich auch nicht – bis gestern. Wie es ist, am Abend vor der Mittsommerwende durch die holländischen Lüfte zu gleiten und was die Familie zu Hause dazu sagt, erfahrt ihr in diesem Erfahrungsbericht, der nicht nur mit meiner schönsten Bildsprache besticht, sondern auch mit echtem Bild- und Videomaterial lebhafte Eindrücke vermittelt.

Andere, wie zum Beispiel Leon, schmücken während ihres Auslandsaufenthalts ihre Haut um ihre Erinnerungen zu manifestieren und schocken damit ihre Eltern, ich habe mich für ein Erlebnis entschieden, das so luftig, leicht und locker ist, dass es sich gar nicht manifestieren lässt. Und trotzdem gelingt es die zu Hause gebliebenen zu erschrecken.

Flugzeuge
Die beiden Schulungsflugzeuge

Die Uni-Sport-Verbindung Thymos organisiert nicht nur ein Mal im Jahr die Sportnacht, sondern bietet auch besondere Events und Ausflüge an. Letztes Jahr im Herbst hat es mich im Rahmen eines solchen Events in das nächtliche Utrecht verschlagen, wo wir mit einem Kanu über die Kanäle schipperten. Gestern Abend führte die Fahrt auf ein altes Militärgelände im Naturschutzgebiet Hoge Veluwe, dank des Fahrers und der niederländischen Drempel sehr rasante dreißig Minuten mit dem Minibus von Wageningen entfernt.

Mitten auf dem Flugplatz

Auf dem ehemaligen Militärflugfeld erwarteten uns zwei Zweimann-Segelflugzeuge, zahlreiche Piloten und Helfer. Der erste Schock: Der Start am Seil ist deutlich rasanter als erwartet. Anders als beim Start eines gewöhnlichen Flugzeugs, ist der Start nicht gemütlich und langsam, sondern erinnert eher an eine Achterbahnfahrt.

Die Mutigsten sind zuerst geflogen und alle anderen konnten sich in der Zeit an die rasanten Starts gewöhnen. Das Beruhigende war, dass die Landung einen krassen Kontrast zu dem aufregenden Start darstellte. Auch wenn die Landung als Außenstehender etwas holprig aussah, da der Flieger auf einer Wiese landete, war sie doch sanfter und gemächlicher als der abrupte Start.

Als „Beiflieger“ gibt es eigentlich nichts zu beachten außer das fragile, etwa 300 Kilogramm leichte Flugzeug, beim Einsteigen nicht zu beschädigen, da die Außenwände aus sehr dünnem Material sind. (Liebe Eltern, den Rest dieses Absatzes bitte überspringen) Abgesehen von mir haben alle anderen Beiflieger einen Rucksack mit Fallschirm bekommen. Auf meine Nachfrage hin warum mir diese Sicherheit nicht zusteht, wurde mir erklärt, dass der Fallschirm im Fall der Fälle sowie nicht hilft. Bei einer Flughöhe von 500 Metern, greift ein Fallschirm wohl nicht mehr. Und die anderen haben lediglich einen Fallschirm bekommen, da dies Vorschrift ist.

Julia und Fallschirm
Meine Freundin Julia mit ihrem Fallschirm

Eine weitere Überraschung: der Beiflieger sitzt vorne! Das macht den Achterbahn-Start natürlich noch spannender. Ich muss zugeben, dass meine letzte Achterbahnfahrt etwas länger her ist, aber der Start hat in der Magengegend ein Gefühl zwischen Aufregung, leichter Panik und Begeisterung erzeugt, das mich an eine Fahrt auf der Black Mamba im Phantasialand erinnerte. Das einzige, das ich beim Start meinem redseligen Piloten entgegen bringen konnte, war „Woooow, ooohhhh, wooow!“. Das Gefühl war echt der Wahnsinn, dann die Aussicht und dann… ein lauter Knall! Für einen kurzen Moment bleibt einem das Herz stehen, wenn das Start-Seil vom Flugzeug mit einem lauten Knall getrennt wird und einem das altbekannte Gefühl von einem Luftloch beim Fliegen bereitet.

Start überlebt
Ich habe den Start überlebt

Aber nach der ganzen Aufregung sollte man sich beeilen, die Aussicht und Ruhe und das Gefühl vom Fliegen ohne Motor zu genießen, da die Zeit wirklich viel zu schnell vorbei geht. Mein Pilot hat mir die gesamte Umgebung erklärt. Ich habe den Rhein und seine hier zahlreichen Seitenarme in der Abendsonne glitzern sehen. Ich habe Arnheim gesehen und Wageningen erahnt. Und von oben wird einem noch ein Mal die Dimension des Hoge Veluwe Nationalparks bewusst, den ich sonst nur vom Mountainbiken kenne. Das hervorragende Wetter und dass es bis 22.30 hell war, haben die Sicht begünstigt.

Als ich selber mit dem Steuerknüppel lenken durfte, wurde mir bewusst wie empfindlich dieses Fluggerät ist. Ein kleiner Stups nach vorne, kippt das Flugzeug gen Boden, ein vorsichtiges Ziehen bringt die Schnauze steil nach oben. Ich kann die Faszination für dieses Hobby sehr gut nachvollziehen.

Danach
Wir haben es überlebt und das Grinsen geht nicht aus dem Gesicht

Und die Reaktion meiner Eltern? Mein Vater war wie immer gelassen, meine Mutter reagierte panisch-erschrocken und mit der Bitte, eine solche Aktion doch bitte nicht zu wiederholen. Léon, wie waren die Reaktionen Deiner Eltern?

Die von Außenstehenden als sanft wahrgenommene Landung ist auch als Beiflieger tatsächlich relativ sanft – in dem Video sieht das Ganze unruhiger aus als es ist. Auf dem Weg vom Flieger zurück zur Gruppe fiel es mir – und unter genauerer Beobachtung, auch allen anderen – schwer, das Grinsen vom Gesicht zu bekommen. Wirklich eine tolle Erfahrung!

Ob ich, entgegen der Bitte meiner Mutter, noch Mal in ein Segelflugzeug steige? Wenn sich eine solche Gelegenheit noch Mal ergibt, bestimmt – Sorry, Mama! Aber vorher will ich noch Paragliding und Heliskiing machen, aber dafür sind die Niederlanden vielleicht nicht der richtige Ort. Alles in allem kann ich euch nur raten, nehmt in eurem Auslandsaufenthalt alles mit, das ihr nur mitnehmen könnt. Das sind die Momente, von denen ihr zehrt und an die ihr euch auch noch Jahre später erinnert – sowohl mit, als auch ohne Tattoo.

Kommentare
  1. Chuck B.

    19. Januar 2023

    Hallo Annika,
    das ist ja schon 5 Jahre her, bist du immer noch in den Nederlanden?

    Ich wuerde gerne Nederlands lernen und suche da nach ein paar Anhaltspunkten.

    Gruesse
    Chuck B.

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