17. Mai 2023
Ich gehöre eher zu den spontanen Menschen, die, wenn sie sich für etwas entschieden haben, dann auch direkt „all in“ gehen. Das beinhaltet aber auch, dass ich nicht grade jemand bin, der vorher alles akribisch plant oder recherchiert. Ich denke viel mehr nach dem Prinzip: „Das wird schon alles gut gehen“. So habe ich mich auch nicht wirklich über die Kriminalitätsrate hier in Berkeley informiert und muss sagen, dass ich anfangs sehr und auch immer noch ziemlich geschockt bin. Obdachlose, Drogen, Überfälle, Schüsse – ein alltägliches Thema hier.
Als Erstes möchte ich aber noch mal drauf hinweisen, dass es hier um meine Erfahrungen und Erlebnisse geht. Wenn du hier bist, kann es sein, dass du die Sachen ja auch ganz anders wahrnimmst. Ich jedenfalls habe noch nie so viele Obdachlose gesehen. Die meisten liegen irgendwo mitten auf dem Gehweg und schlafen, andere laufen desorientiert mit ihrem Hund durch die Straße und wieder andere laufen unbekleidet und lautstark durch die parkenden Autos durch. Ich weiß noch ganz genau, wie ich in meiner ersten Woche durch die Straßen Berkeleys gelaufen bin, um die Stadt ein bisschen zu erkunden. Von Weitem habe ich wie eine Art Camping/Zeltplatz gesehen und habe mich gefragt, warum es hier einen Campingplatz mitten zwischen befahrenen Straßen gibt. Später habe ich herausgefunden, dass es sich um den People’s Park handelt, ein Ort, wo viele Obdachlose zusammen ihre Zelte aufgeschlagen haben. Was soll ich sagen? Erschreckend trifft es wohl ganz gut. Und dann ist da noch dieses Gefühl der Hilflosigkeit: Ich würde den Menschen gerne irgendwie helfen, sie wieder auf die „richtige Bahn“ bringen, aber wo anfangen? Ich weiß, dass ich dies hier nicht generalisieren kann, aber 9 von 10 der Obdachlosen hier sind offensichtlich auf Drogen.
(Sex) & Drugs & (Rock ’n‘ Roll)
Oder wenig Rock ’n‘ Roll und viele Drugs: Überall riecht es nach Gras. Es gibt hier viele Möglichkeiten schnell mit Drogen in Kontakt zu kommen: Auf vielen Partys sind Koks und irgendwelche Pillen, von denen ich noch nicht mal den Namen weiß, total normal. Neulich habe ich dienstagsabends gegen 9 Uhr auf der Frauentoilette in einer Bar Mädels beim Koksen gesehen.
Was mich auch erschreckt hat? Überall auf dem Campus und zum Teil auch an Straßen in Berkeley Notrufsäulen zu sehen. Da müsste ich nur auf einen Knopf drücken und die Polizei wird direkt alarmiert. Zudem haben wir auf dem Campus ein großes Gebäude, in dem immer Polizisten sind und eine eigene „Campus-Polizei“. Dann gibt es ab 17 Uhr eine Einlasskontrolle für jedes Gebäude auf dem Campus. Konkret heißt das, dass wir ab dann unseren Cal-ID-Ausweis vorzeigen müssen und zwei bewaffnete Polizisten die Eingänge patrouillieren.
Ich habe schon das Gefühl, dass die Uni sehr viel versucht, um die Sicherheit der Studierenden zu gewährleisten: die eben angesprochenen Emergency-Säulen, eine eigens entwickelte WarnME-App, die uns sowohl über SMS als auch Mail benachrichtigt: a) wenn ein Verbrechen passiert b) wo das Verbrechen passiert und c) wie wir uns verhalten sollen. Außerdem gibt es den sogenannten BearWalk, wo ein extra ausgebildete/r StudentIn andere StudentInnen in den Zeiten ab der Dämmerung bis Sonnenaufgang in Berkeley Downtown bis nach Hause bringt. Dies sichert, dass keine(r) alleine gehen muss. Leider schließt der Radius meine Wohnung nicht mit ein. An sich finde ich das Prinzip aber sehr gut: Es funktioniert bequem über eine App, du kannst die Person quasi vorab buchen und einen Treffpunkt ausmachen. Ein weiterer Punkt: Die Night Shuttles, die auch ab Dämmerung zusätzlich fahren und an vielen Punkten auf dem Campus halten.
Ungewohnt, aber ich fühle mich nicht unsicher
Was ich dir sonst auf den Weg geben kann? Meide vor allem abends die Gegend rund um das Civic Center in San Francisco und die Haste Street hoch in Berkeley. Auch Autoeinbrüche sind sehr verbreitet in der Bay Area. Deshalb lass auf keinen Fall irgendwas im Auto liegen (auch wenn du nur ganz kurz einkaufen gehen willst!). Ich hatte mich mit einem Freund auf einen Kaffee verabredet und er kam 5 Minuten zu spät. Der Grund? Er musste noch kurz das aufgebrochene Autofenster mit Packband zu kleben, damit er zu dem Café fahren konnte. Ich war total geschockt, aber er war sehr ruhig und meinte, dass man eh nichts ändern kann, es nichts bringt, es anzuzeigen, da die Polizei das aufgrund der Höhe der Vorfälle auch nicht verfolgt und dass es jetzt schon das zweite Mal dieses Jahr sei.
Und letzte Woche saßen wir in einem Café und eine Straße weiter hat jemand Schüsse aus einem Auto abgefeuert. Zum Glück wurde keine Person getroffen, aber mulmig wurde mir dann schon.
Also generell bin ich hier schon viel schneller und eher im Kontakt mit Kriminalität, als ich das aus Deutschland gewohnt bin. Nicht nur Berkeley, vor allem auch die umliegenden Städte Oakland und San Francisco und generell die Bay Area zeigen eine sehr hohe Kriminalität im Vergleich mit den meisten anderen Städten der USA auf. Und da ich etwas naiv, einfach davon ausgegangen bin, dass Berkeley mit so einer prestigeträchtigen Uni wahrscheinlich auch eine sichere Stadt ist, war ich doch dann ziemlich geschockt und verwundert. Laut der Statistik ist die Chance, hier 1 zu 186 ein Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden (das ist mehr als 200 % höher verglichen zu der nationalen Prozentzahl).
Aber du musst natürlich im Kopf behalten, dass es wie immer auch darauf ankommt, wo du wann mit wem unterwegs bist. Es gibt meiner Meinung nach überall Gegenden, die du meiden solltest und Ecken, die mehr oder weniger gefährlich sind. Ich bin sehr froh, dass ich so gute Freunde hier habe, die auf mich aufpassen, sodass ich mich gar nicht unsicher hier fühle!
Tipps:
- Gehe abends/im Dunkeln nicht groß alleine raus.
- Fahre eher Fahrrad als alleine zu laufen.
- Hab dein Handy immer aufgeladen und griffbereit.
- Wenn du alleine unterwegs bist, vermeide es, Kopfhörer zu benutzen, sondern nimm dein Umfeld aktiv wahr.
- Stelle sicher, dass wenigstens eine Person weiß, wo du bist.
- Nimm Initiativen wie den Bearwalk wahr.
- Bestelle dir ein Uber und fahre nachts keine Metro (BART).
- Trage nicht viel Bargeld bei dir.
- Gib bei einem Überfall deine Wertsachen widerstandslos ab.