8. November 2021
Ein Semester an der Sciences Po Grenoble – In diesem Artikel erzähle ich, welche Kurse ich in Frankreich belege und was sich hinter den Kursbezeichnungen tatsächlich verbirgt.
An der TU Dresden studiere ich Internationale Beziehungen: Recht, Wirtschaft und Politik ziehen sich deshalb wie ein roter Faden durch mein Studium. Ob das in Grenoble genauso ist?
Français pour les Sciences Sociales
(Französisch für Sozialwissenschaften)
Beginnen möchte ich mit einem meiner Lieblingskurse: dem Französischunterricht! Einmal die Woche trainiere ich gemeinsam mit anderen internationalen Studierenden das Sprechen, Lesen, Schreiben und Hören auf Französisch. Während wir in den ersten Wochen insbesondere die Grundlagen der Grammatik wiederholt haben, thematisieren wir nun auch komplexe Themen wie Gentechnik oder Umweltschutz. Vor einigen Wochen habe ich in diesem Rahmen einen Vortrag über die Medienlandschaft in Deutschland gehalten.
France, État, Institutions, Société
(Frankreich, Staat, Institutionen, Gesellschaft)
Bei diesem Kurs, den wir liebevoll mit „FEIS“ abkürzen, dreht sich alles um das französische Staatsorganisationsrecht. Wir lernen die Geschichte der Verfassung, die Trennung zwischen Kirche und Staat („la laïcité“) und das Streikrecht in Frankreich kennen. Ebenfalls geht es um die Kompetenzen der Legislative, Exekutive sowie Judikative Frankreichs. Umrahmt wird der Kurs von einer aktuellen Stunde, wo wir Themen der letzten Woche juristisch und politisch einordnen. Ich habe zum Beispiel zur französischen Präsidentschaftswahl referiert und bin deshalb umso gespannter, wie die Wahlen im April 2022 ausgehen werden.
Tutorat Linguistique et Méthodologie
(Tutorium in Sprache und Methodik)
Von französischen Studierenden für internationale Studierende: Das Tutorium wird in Kleingruppen von vier bis fünf Personen durchgeführt und ist deshalb individuell zugeschnitten. In meiner Gruppe dreht sich zurzeit alles um Jugend- und Umgangssprache, allen voran das berühmt-berüchtigte Verlan. Hier werden die Silben von Wörtern vertauscht, so wird beispielsweise das Wort „fou“ (verrückt) zu „ouf“. Darüber hinaus schauen wir jede Woche eine Folge der französischen Serie „Lupin“, schreiben Zusammenfassungen und besprechen diese gemeinsam.
Change in Global Politics
(Wandel der globalen Politik)
Weltweite politische Entwicklungen einordnen – so das Ziel dieser Lehrveranstaltung. Ausgehend von klassischen Theorien der Internationalen Beziehungen (Realismus, Liberalismus, Transnationalismus, Konstruktivismus) widmen wir uns der Multipolarität in der internationalen Gemeinschaft (gemeint ist die Verteilung von Macht auf mehrere Staaten – im Gegensatz zu einer bi- oder unipolaren Welt), dem Wandel Internationaler Organisationen und dem aktuellen Stand internationalen Rechts. Neben dieser theoretischen Betrachtung werden auch empirische Beispiele genannt: immer am Puls der Zeit!
Geopolitics
(Geopolitik)
In welcher Beziehung stehen Macht und Raum? Welche politische Rolle spielen Grenzen und Karten? Solche Fragen sind Bestandteil der Vorlesung zur Geopolitik. Drei Fälle werden hier im Besonderen beleuchtet: Wasser als globale Ressource, Libanon als „failed state“ und Terrorismus. Am Ende des Semesters verfasse ich zudem einen Aufsatz von 1800 Wörtern, wo ich ein Fall meiner Wahl aus geopolitischer Sicht analysieren werde.
Geoeconomics of International Security
(Geoökonomie der Internationalen Sicherheit)
In diesem Kurs werden Militär, Krieg und Rüstungsindustrie volkswirtschaftlich analysiert. Unter anderem werden dabei die Privatisierung der Sicherheitsindustrie und die Kosten von Auslandseinstätzen thematisiert. Ebenfalls durchleuchtet werden neue Formen von Krieg wie zum Beispiel Cyberkrieg. Für mich ist das vor allem deshalb spannend, weil ich Krieg und Frieden bislang nur aus juristischer und politikwissenschaftlicher Perspektive kennengelernt habe. Jetzt freue ich mich darauf, mich auch mit der wirtschaftlichen Dimension vertraut zu machen.
International Contract Law
(Internationales Vertragsrecht)
In dieser Vorlesung dreht sich alles um die völkerrechtlichen Regeln im internationalen Warenkauf. Konkret lerne ich hier das UN-Kaufrecht (CISG) und das Internationale Privatrecht der EU (Rom-I-Verordnung) anzuwenden. Dieser Kurs wird von der Grenoble Law School angeboten, als Student der Sciences Po Grenoble kann ich jedoch daran trotzdem kostenlos teilnehmen.
Insgesamt bin ich meinen drei Kernfächern Recht, Wirtschaft und Politik im Großen und Ganzen treu geblieben. Nichtsdestotrotz merke ich bereits, dass ich durch das Auslandssemester neue Perspektiven auf mein Studium gewonnen habe. Besonders auf Geopolitik und -ökonomie sowie Internationales Vertragsrecht wäre ich in Deutschland nicht aufmerksam geworden. Ohne Zweifel bringt mich das Studieren in Frankreich deswegen nicht nur persönlich, sondern auch fachlich weiter!