9. November 2016
Im Javits Convention Center in Manhattan habe ich auf der offiziellen Wahlparty der Clinton Campaign die Wahlnacht verbracht. Bis 23 Uhr war die Stimmung sehr ausgelassen, doch dann beginnt eine emotionale Achterbahnfahrt für alle.
Nach Monaten des Wahlkampfs war es gestern soweit: Die Wahlen in den USA standen an. Hier in New York haben beide Kandidaten ihre offiziellen Events veranstaltet. Während die Kandidaten selbst im „War-Room“ mit ihren Familien und engsten Beratern waren, versammelten sich Wähler und Anhänger auf diesen Events. Donald Trumps Event fand in einem New Yorker Hotel statt, Hillary Clinton hatte ins Javits Convention Center eingeladen. Dort habe ich die Wahlnacht erlebt.
Der Beginn einer langen Nacht
16 Uhr: Ich komme am Javits Convention Center an und finde eine großräumige Absperrung vor. In der Schlange bin ich vergleichsweise weit vorne, und es bewegt sich überraschend schnell in Richtung Eingang. Wir werden in eine große Lagerhalle neben dem Convention Center geleitet, wo eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen durchgeführt wird. Dann geht es nach draußen zur Bühne.
18 Uhr: Vor der Bühne außerhalb des Convention Centers habe ich mich mit hunderten Clinton-Unterstützern eingefunden. Leute, die später kommen, werden in das Gebäude geleitet. Links leuchtet das Empire State Building in Rot-Weiß-Blau, den Farben der amerikanischen Flagge. Die ersten Wahllokale im Land schließen.
Die ersten Hochrechnungen
18:10 Uhr: So langsam sickern die ersten Hochrechnungen durch. Die Zahlen beinhalten zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Early Voting Ballotts (Stimmen, die im Vorfeld abgegeben wurden) und Briefwahl-Stimmen.
18:30 Uhr: Die riesige Leinwand wird angeschaltet und es wird immer wieder von CNN über MSNBC zu ABC News geschaltet, damit wir auch ja kein Ergebnis verpassen.
19 Uhr: Clinton siegt in Vermont. Der Jubel ist grenzenlos. Trump hat zwei andere Staaten gewonnen und führt erst einmal. Trotzdem: Die Stimmung ist ausgelassen.
Patriotische Stimmung bei der Wahlparty
20 Uhr: Es werden amerikanische Fahnen verteilt, die das Publikum sofort mit Begeisterung schwingt.
20:30 Uhr: Das Bühnenprogramm beginnt mit der Pledge of Allegiance to the Flag, gefolgt von der amerikanischen Nationalhymne. Ein Gänsehaut-Moment.
Als nächstes wird ein Gebet gesprochen. Ein lautes „Amen“ ringt durch die Masse.
20:35 Uhr: Der Oberbürgermeister von New York, Bill de Blasio, tritt auf die Bühne. Er spricht von Einheit und der Überwindung von Hass und Gewalt. Weil Clinton New Yorkerin ist, werde sie gewinnen, sagt de Blasio. Er sei überzeugt. Die Leute jubeln ihm zu. „Hillary, Hillary!“
Clinton gewinnt New York, Senator Schumer hält Siegesrede
21:30 Uhr: Hillary Clinton hat im Bundesstaat New York gewonnen und die Stimmung ist ausgelassen. Nun tritt Senator Charles Schumer, der gerade ebenfalls New York in der Senat-Wahl gewonnen hat, auf die Bühne. Auch er spricht von Einheit, und davon, dass Clinton eine New Yorkerin ist. Er sagt, er könne es nicht abwarten, sie in dieser Nacht zur „Madam President“ zu ernennen. „I believe that she will win.“ Das Publikum wiederholt den Satz lautstark. Die Familie des Senators kommt zu ihm auf die Bühne, er dankt den New Yorkern für ihr Vertrauen. Die New Yorker jubeln.
Katy Perry für Hillary Clinton
22:15 Uhr: Ein Raunen geht durch die Menge. Alle Köpfe drehen sich nach rechts. Sängerin Katy Perry wurde gesichtet. Sie tritt auf die Bühne und wird mit enormen Jubel begrüßt. Sie erzählt, dass ihre Eltern Trump gewählt haben. „Aber wir werden alle an einem Thanksgiving-Tisch sitzen,“ sagt sie. Dann lobt sie Hillary Clinton für ihren Wahlkampf und sagt, wie sehr sie sich auf eine Präsidentin freut.
Die Stimmung wird angespannter
23 Uhr: Eine neue Runde von Staaten schließt die Wahllokale. Zu jeder vollen Stunde wird zu diesem Anlass ein Countdown gezählt. Die Stimmung ist mittlerweile deutlich angespannter als zu Beginn des Abends.
Neuer Tag, neues Glück? Mitternacht auf der Wahlparty
0 Uhr: Es ist Mitternacht. Wir sind immer noch hier. Und noch immer ist nichts entschieden. Einige haben aber bereits aufgegeben, sind nach Hause gegangen. Trump führt, hat mittlerweile mehr Chancen auf den Sieg – mehr als Clinton. „Ich kann das alles nicht glauben,“ sagt eine junge Frau neben mir. Ein Mann gibt ihr Recht. Unter den Clinton-Anhängern herrscht Fassungslosigkeit.
0:30 Uhr: Die meisten haben sich auf den Boden gesetzt, schauen weiter gebannt auf die Leinwand. Es wird wohl eine lange Nacht werden.
Fassungslosigkeit bei den Clinton-Wählern
1 Uhr: Die letzten Wahllokale schließen in Alaska. Alle Stimmen sind abgegeben. Jetzt hängt es nur noch davon ab, wann die Stimmen ausgezählt sind. Ein junger Mann aus London liest Prognosen aus dem Internet vor. Clinton habe eine 5-prozentige Chance auf einen Sieg. Eine Frau fragt ihn, wie Immigration in England funktioniert. Die Webseite der kanadischen Einwanderungsbehörde sei ja schließlich schon ausgelastet.
2 Uhr: Es liegt immer noch kein Ergebnis vor. Die Stimmung ist gespalten: Während einige schon längst aufgegeben haben, sehen andere noch Chancen für Clinton.
2:15 Uhr: Die meisten sind aufgestanden und machen sich auf den Weg nach Hause. Die Fernsehsender prognostizieren eine Verkündung des Ergebnis am Morgen, aber definitiv nicht in den nächsten Minuten.
3 Uhr: Trump gewinnt die 270 nötigen Stimmen und ist zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Hillary Clinton wird in der Nacht nicht mehr auftreten.
Eine emotionale Achterbahnfahrt – Fazit der Wahlnacht
Die Wahlnacht war wie eine Achterbahnfahrt. Jubel und Fassungslosigkeit unter den Clinton-Anhängern wechselten sich immer wieder ab. Hier hatte niemand mit einer Niederlage gerechnet. Immer wieder wird auf die Umfragen hingewiesen, die alle Clinton als klare Siegerin gesehen hatten. Umfragen seien wohl doch nicht so präzise, sagen viele. Ich bin froh, zur offiziellen Wahlparty der Clinton Campaign gegangen zu sein. Nirgendwo anders hätte ich solche Emotionen hautnah miterleben können. Dazu kommt natürlich noch das Bühnenprogramm: Wann sieht man schon mal Katy Perry live oder erlebt den Siegesmoment des Senators oder trifft den Oberbürgermeister persönlich. Eine Nacht, die ich so schnell nicht vergessen werde.