studieren weltweit

Eine Liebeserklärung an mein Wohnheim


Wie sagt man „Ich liebe dich“ auf Hindu oder „Entschuldigung, ich müsste mich mal kurz an dir vorbei zum Kühlschrank quetschen“: Chaos und Alltag im internationalen Studentenwohnheim und warum ich es liebe.

In einem Wohnheim wie meinem zu leben, ist vermutlich nichts für jedermann. Unsere Küche ist winzig, auf wenigen Quadratmetern sollen 21 Menschen gemeinsam kochen und essen. Töpfe, Pfannen, Teller, Tassen und Gewürze müssen wir in unseren Zimmern lagern. Jeder hat ein Fach im Kühlschrank. Ein Tisch, vier Stühle. Die Gemeinschaftsdusche ist, na ja, eine Gemeinschaftsdusche halt. Erinnert ein bisschen an Klassenfahrten in der fünften Klasse in einem Schullandheim. Die Wände sind dünn, man versteht fast jedes Wort, das im Zimmer nebenan gesprochen wird. Und dennoch liebe ich es hier und würde zum momentanen Zeitpunkt nirgendwo anders leben wollen!

Die Küche – Herz eines jeden Zuhauses

Man könnte meinen, unsere  Miniküche für so viele Menschen könnte einem nach einer Weile ziemlich auf die Nerven gehen. Tut sie manchmal auch. Für jeden Kochversuch renne ich etwa fünf Mal zurück auf mein Zimmer. Mal vergesse ich das Salz, dann den Kochlöffel. Wenn jemand kocht, sind die Utensilien meistens über die ganz Küche verteilt. Trotzdem bin ich manchmal stundenlang in der Küche. Wir quatschen, kochen zusammen. Manchmal sitzen wir dort noch bis mitten in der Nacht. Vor allen während Corona-Zeiten in einem neuen Land ist dieser gemeinsame Raum ein Segen. Man kennt niemanden, aber das geht jedem so. Wir haben einen Geburtstagskalender aufgehängt, damit wir auch ja niemanden vergessen. Für jeden backen wir einen Kuchen. Und sauberer als gedacht ist die Küche auch.

Man sieht eine Küche. An der Fensterfront sieht man die Spülbecken, in der Mitte des Raumes ein Tisch mit vier Stühlen. Seitlich befinden sich Herd und Kühlschränke.
Unsere Küche – klein aber fein!

In der Welt zuhause

Mein Studentenwohnheim ist ausschließlich für Studierende aus dem Ausland gedacht. Auch wenn es schade ist, dass man so nicht direkt einen Einblick in die niederländische Kultur bekommt, ist es trotzdem ziemlich cool. Ich lerne rumänische Sprichwörter und weiß, wie man auf Bulgarisch anstößt. Mit dem Wort „da“ kann man sich in einigen osteuropäischen Ländern als Einheimische ausgeben. Na ja, zumindest solange man die Frage, die einem gestellt wird, mit „ja“ beantworten kann. Auch auf „Cotton Eye Joe“ kann ich jetzt tanzen wie eine echte Amerikanerin. Mein bulgarischer Mitbewohner hat ein deutsches Gymnasium besucht und korrigierte mein rheinländisch ausgesprochenes „isch“ zu einem „ich“. Ob ich Dialekt reden würde? Auch kann ich stolz von mir behaupten, „Ich liebe dich“ in allen möglichen Sprachen sagen zu können. In einem internationalen Studentenhaus wird ziemlich viel gelacht, aber es ist erstaunlich, wie schnell wir von lustigen Themen zu tiefgründigeren Gesprächen wechseln können. Ich mag den Perspektivwechsel, der mir aufgezeigt wird, wenn ich mit Amerikanern über ihre Außenpolitik oder mit Briten über den Brexit sprechen kann. Ich lerne über Geschichten und Kulturen, Probleme und Besonderheiten anderer Länder. Länder, die in unserem Schulunterricht nur am Rande gestreift oder ganz vernachlässigt werden.

Und nach einem Jahr kann dir nichts mehr etwas anhaben

Ich lebe gerne unter einem Dach mit 350 Menschen aus aller Welt. Das ist laut – klar. Aber ich denke, nach einem Jahr kann ich von mir behaupten, auf einer Landebahn neben einem startenden Flugzeug schlafen zu können. Wenn einen etwas im Leben abhärtet, dann das Wohnheim. In manchen Nächten war Shakira meine Einschlafmusik, in anderen das Geklimper eines Klaviers irgendwo auf unserem Flur. Trotzdem sind die Leute hier rücksichtsvoll, alle gehen freundlich miteinander um. Ich habe noch nie irgendwo auch nur ein böses Wort fallen gehört. Man teilt sein Essen, sein Bügeleisen, sein Fahrrad. Man grüßt sich, auch wenn man kaum mehr als zwei Sätze miteinander geredet hat. Als mein Laptop mitten in einem wichtigen Seminar den Geist aufgegeben hat, wusste ich erst nicht, was ich machen sollte. Aus purer Verzweiflung schrieb ich eine Nachricht in unseren Gruppenchat. Und siehe da, fünf Minuten später bot mir jemand tatsächlich seinen Laptop für den Tag an.

Man sieht ein Zimmer mit Bett und Tagesdecke. Über dem Bett hängt eine gelbe Lichterkette. Die Wände sind blau.
Mein Zimmer – hier verbringe ich dank Corona meistens den Hauptteil meines Tages.

Ich hoffe, dass ich euch mit meinem Text ein wenig vom Wohnheimleben überzeugen konnte. Zusammengefasst: Es macht einfach Spaß!

 

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