18. März 2024
Für mein letztes Mastersemester zog es mich nach Europa. Längere Auslandsaufenthalte sind mir nicht unbekannt, denn in den letzten Jahren habe ich mehrere Monate in Australien, Kanada und den USA verbringen dürfen. Dieses Semester verbringe ich jedoch in Belgien, nur sieben Stunden Bahnfahrt entfernt von Zuhause. Was ist anders, was neu, was (fast zu) vertraut am Studieren im Nachbarland? Meine Eindrücke und Tipps für ein gelungenes Semester in Europa, erfahrt ihr hier.
Zum ersten Mal erlebe das Abenteuer Ausland innerhalb europäischer Grenzen. Das Studieren im Nachbarland bringt viele Vorteile, aber auch den ein oder anderen Nachteil mit sich. Welche Unterschiede ich zu Aufenthalten außerhalb Europas bisher festgestellt habe, wie es mir damit geht, im Nachbarland zu wohnen und welche ultimativen Tipps ich für dein Semester in Europa habe? Ich verrate es dir hier.
Wieso überhaupt Belgien?
Die Antwort darauf, weshalb ich mich überhaupt für Belgien entschieden habe, ist auf den ersten Blick recht simpel: Von den zur Verfügung stehenden Partnerunis meines Programms gefielen mir der Standort und die angebotenen Module in Gent schlicht am besten.
Doch da gibt es doch noch ein paar mehr Gründe. Da ich einen Erasmus Mundus Master studiere, sind verschiedene Auslandsaufenthalte ohnehin im Studienverlaufsplan vorgesehen. Hier habe ich den Aufbau meines Studiums ausführlicher erklärt. Ich habe mich damals so entschieden, dass ich das erste Jahr in Leipzig, also in derselben Stadt, in der ich im Bachelor studiert habe, verbringen würde. So konnte ich noch ein bisschen länger in meiner Komfortzone bleiben. Im zweiten Jahr wollte ich aber unbedingt etwas Neues entdecken und mich selbst ein bisschen herausfordern, Deshalb fiel Wien zum Beispiel als möglicher Standort für mich aus, da ich unbedingt in ein Land wollte, in dem eine Sprache gesprochen wird, die ich nicht kenne.
Im dritten Semester meines Masters durfte ich in Kanada studieren. Dadurch war auch mein Bedarf an ganz weiter Ferne vorerst gedeckt und mir gefiel die Vorstellung, im Ausland studieren zu dürfen und gleichzeitig in der Nähe meiner Heimat zu sein.
Außerdem ist Belgien für mich auch ein Standort, in dem ich mich auch beruflich in Zukunft sehen könnte. Einige Monate auszuprobieren, wie es ist, hier zu leben, ist für mich ein großer Vorteil.
Was ist anders an einem Auslandssemester im Nachbarland?
Es gibt natürlich einige ganz offensichtliche Dinge, die sich zu einem Auslandssemester außerhalb Europas entscheiden.
- In Belgien herrscht dieselbe Zeitzone wie in Deutschland. Es ist also deutlich leichter, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben, da es nicht derart viel Rechnerei und Planung bedarf, um Zeiten für Gespräche zu finden.
- Die Fahrtzeit nach Hause beträgt für mich mit dem Zug circa sieben Stunden. Damit verändert sich das Gefühl von Distanz für mich völlig. Eine Reise über ein Wochenende in die Heimat ist damit absolut realistisch. Ich fühle mich nicht so zerrissen wie sonst im Auslandssemester, wenn der Wunsch nach der Ferne mit den Schuldgefühlen, zu Hause wichtige Dinge zu verpassen, sich entgegensteht.
- Kreditkarte zuhause lassen können! Hier gibt es natürlich auch den Euro, was das Umrechnen in andere Währungen erspart und auch meine Giro-Karte aus Deutschland funktioniert hier! Im Gegenteil: In einigen Läden ist bezahlen mit einer Kreditkarte sogar gar nicht möglich.
- Im Vergleich zu anderen Destinationen kann ein Semester in Europa auch weitaus billiger werden als auf einem anderen Kontinent. Die fehlenden Gebühren für Visum und Flüge waren für mich schon zu Beginn des Semesters eine große finanzielle Entlastung.
Außerdem sind für mich aber auch zwei andere Gründe von hoher Bedeutung, die vielleicht nicht ganz so offenkundig scheinen. Zum einen habe ich das Gefühl, nicht so viel Druck zu verspüren, die Region zu erkunden und alle wichtigen Orte zu entdecken. Natürlich nehme ich mir trotzdem die Zeit dafür und freue mich sehr, so viel Neues sehen und erleben zu können. Doch ist es für mich eine große Erleichterung, neben den universitären Verpflichtungen und dem Schreiben meiner Masterarbeit, nicht das Bedürfnis zu haben, jedes Wochenende „nutzen“ zu müssen. Samstag und Sonntag nur in der Bibliothek zu verbringen ist definitiv nicht so spaßig wie andere Unternehmungen, aber vor allem in meinem letzten Mastersemester doch hin und wieder notwendig. Durch die vergleichsweise kurze Entfernung weiß ich, dass ich auch zu einem späteren Zeitpunkt, sei es nur für ein Wochenende, zurückkehren könnte. Dieser Gedanke bringt mir viel Ruhe.
Zuletzt ist Gent für mich auch ein idealer Standort für den Start meiner beruflichen Zukunft. Während mich meine Auslandssemester außerhalb Europas definitiv inhaltlich weitergebracht haben, waren sie doch nicht unbedingt hilfreich, um Netzwerke für meine berufliche Zukunft zu bilden, da ich mich beispielsweise langfristig nicht in Kanada oder im Allgemeinen so weit entfernt von Zuhause sehe. Für mein Studium eignet sich die Nähe zu Brüssel besonders gut, da es dort viele Möglichkeiten für Praktika und Jobs nach meinem Abschluss gibt. „Mal eben“ für ein Interview in Person vorbeizukommen, ist so kein Problem für mich.
Nachteile und drei Tipps für euch
Vielleicht hört ihr aber schon bei diesen Vorteilen auch die Nachteile. Ich teile hier die drei für mich relevantesten Aspekte, weshalb ich ein Semester im Nachbarland nicht nur empfehlen kann und auch meine Tipps, wie ihr diesen entgegensteuern könnt.
- Die Nähe nach Hause birgt auch die Gefahr regelmäßig in die Heimat zu fahren. Das war für mich in Semestern in Kanada oder den USA schlicht, sowohl aus zeitlichen und aus finanziellen Gründen, nicht möglich. Dadurch war ich dort aber auch gezwungen, Kontakte vor Ort zu knüpfen und mich richtig auf mein Leben außerhalb Europas einzulassen. Das ist für mich in Belgien deutlich schwieriger, weil es so einfach scheint, zwischen den Standorten hin- und herspringen zu können.
- TIPP! Ich habe zu Beginn feste Daten mit meinem Umfeld ausgemacht, an denen ich nach Hause kommen werde. Es ist ja auch nicht verwerflich, die kurze Distanz zu nutzen, um beispielsweise Ostern mit der Familie zu verbringen. Darüber hinaus wird es jedoch (außer im Notfall) keine Fahrten in die Heimat geben. Dadurch kann ich noch immer mein Auslandssemester in vollen Zügen genießen und werde weniger abgelenkt und kann dennoch meine vertrauten Menschen früher sehen als erst nach sechs Monaten.
- Dass der Druck, alle Highlights der Region innerhalb von ein paar Monaten ansehen zu müssen, wegfällt, kann auch dazu führen, dass der Aspekt des Entdeckens im Auslandssemester gänzlich verloren geht.
- TIPP! Für mich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in einer Stadt besichtige oder ob ich die kleinen Seitenstraßen und lokalen Besonderheiten entdecke. Für letzteres braucht es Zeit, finde ich, und ist oft nicht einfach so in einem einwöchigen Urlaub machbar. Deshalb versuche ich, so gut es geht, die Kultur und das Leben in Gent aufzusaugen; die kleinen Ecken zu erkunden, die als Touri vielleicht nicht auf oberster Priorität stehen. Erfahrungen dieser Art brauchen (meist) nicht so viel Zeit und Aufwand wie eine richtige Reise, aber sind für mich genau das, was ein Auslandssemester zu einem Urlaub unterscheidet.
- Vor allem in Belgien ist es, wegen der Mehrsprachigkeit gut machbar, sich mit Deutsch durchzuschlagen. Die Gefahr für mich besteht hier, in meiner Komfortzone zu bleiben. Zum Glück ist mein Studiengang recht international, sodass ich gefordert bin, Englisch zu sprechen.
- TIPP! Ich mache hier einen Sprachkurs in Niederländisch, um mich im Alltag auch in der Landessprache verständigen zu können, mich der Kultur zu öffnen und etwas Neues zu lernen. Nebenbei ist das übrigens auch eine gute Möglichkeit, um Menschen außerhalb meiner Bubble kennenzulernen.
Ich hoffe, die Tipps helfen euch, in einem Auslandssemester in einem Nachbarland Deutschlands richtig anzukommen und die Zeit zwischen neuen Menschen und neuer Kultur vollkommen genießen zu können.😊