10. Mai 2023
Ein Semester lang habe ich nicht nur in einem anderen Land gelebt, sondern auch in einem anderen Land studiert. Mit Irland habe ich mich für ein europäisches Land entschieden und damit auch für ein ähnliches Uni-System. Trotzdem habe ich nicht nur erwartete Gemeinsamkeiten, sondern auch unerwartete Unterschiede festgestellt. Welche? Das lest ihr hier.
Mitte Mai, die Prüfungen liegen hinter mir, mein Semester ist um. Zeit, ein Fazit zu ziehen. Ich habe viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen meinem Studium hier und dem Studium in Deutschland festgestellt. Darum geht es in diesem Blogbeitrag. Also: Studieren in Irland, wie war es?
Die Eckdaten
Ich habe die letzten Monate am Mary Immaculate College (MIC) in Limerick studiert. In Deutschland studiere ich an der Universität Erfurt den Master Kinder- und Jugendmedien. Einen vergleichbaren Studiengang gibt es an meinem irischen College nicht, eigentlich ist mein Studienplatz hier auch für Bachelorstudent*innen der Kommunikationswissenschaften vorgesehen (wie ich meinen Auslandsplatz trotzdem bekommen habe, lest ihr hier). In Irland studiere ich also einen Bachelor of Arts, konnte aus vielen verschiedenen Kursen und Fachbereichen wählen und habe letztendlich Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Audio- und Videoproduktion belegt. Nebenbei habe ich die ersten zwei Monate noch an meiner Masterarbeit geschrieben – keine Empfehlung – und Spoiler: Alles in allem war der Workload wahnsinnig hoch.
Organisation und Kurswahl
Für die internationalen Studierenden am MIC ging das Semester in der Woche vor dem offiziellen Start mit einer Orientierungswoche los: Wir haben die Uni-Portale kennengelernt, Hilfe bei der Kurswahl und Registrierung dafür bekommen und uns wortwörtlich auch physisch orientiert. Das MIC ist zwar klein, sich zu verlaufen ist am Anfang trotzdem nicht so schwer. Mit meinem schlechten Orientierungssinn schaffe ich das selbst nach vier Monaten noch.
Orientierungswochen, wie ich sie in Irland hatte, sind für Erasmus-Auslandssemester typisch, zumindest war es bei meinen Freundinnen an anderen Unis und in anderen Ländern genauso. Über die Orientierungswoche hinaus war hier aus meiner Sicht vor allem eins gefragt: Selbstorganisation. Und auch: Geduld. Der für mich größte Unterschied zwischen meinem Studium in Deutschland und dem Studium am MIC ist, dass sich die Uni hier viel Zeit mit organisatorischen Entscheidungen lässt. Das habe ich zum Beispiel bei der Kurswahl gemerkt. Die Zeiten in meinem Stundenplan hat die Uni erst nach circa drei Wochen festgezurrt, auch wenn die Kurswahl eigentlich schon feststand. Auch für die Belegungen und mein Learning Agreement wichtige Kursnummern standen erst nach einiger Zeit fest. Verwirrend, nicht nur für mich, auch für die ein oder anderen Uni-Mitarbeiterinnen selbst. Ich hatte am MIC aber immer nette und hilfsbereite Ansprechpartner*innen, die mir bei Fragen geholfen haben. Ich musste mich aktiv kümmern, um viele meiner Fragen beantwortet zu bekommen, danach war alles Organisatorische aber kein Problem.
Lehre, Studierendenkultur, Anwesenheitspflicht
Einmal fertiggestellt sah mein Stundenplan ab Woche vier dann so aus:
Zu einem Kurs gehörten zwei Wochenstunden à 50 Minuten. Meistens lagen bei mir zwei Wochenstunden zusammen, in denen die Dozent*innen frontal eine Vorlesung gehalten haben. Ganz ähnlich, wie ich das aus Vorlesungen in Deutschland aus meinem eigenen Bachelor schon kannte. Überrascht hat mich, dass selbst im praktischen Kurs in Audio- und Videoproduktion in den ersten Wochen eine frontale Vorlesung zur Kameratechnik gehalten wurde. Didaktisch fand ich das ehrlicherweise nicht gut, ob es am Dozenten lag oder sich darin die generelle Kultur der Uni spiegelt, kann ich nicht beurteilen. Zu jedem Kurs gehörte bei mir auch mindestens eine Stunde Tutorium, die verpflichtend – also nicht, wie in meinem Fall in Deutschland optional – stattfand. Pro Kurs hatte ich also im Endeffekt 3-4 Präsenzstunden. Die Anwesenheit wurde kontrolliert, in zwei meiner drei Kurse zählen Partizipation und Anwesenheit auch zu 10 Prozent zur Gesamtnote. In manchen Kursen war die Anwesenheit meiner irischen Mitstudent*innen trotzdem gering. Die Studiengebühren sind hier wesentlich höher als in Deutschland. Hier ist es üblich, zur Uni zu pendeln, weil sich die meisten irischen Studierenden nicht leisten können auszuziehen. Mein Eindruck ist, dass das Pendeln auch zur geringen Anwesenheit beiträgt. Auch generell habe ich die Kultur in Irland aber so erlebt, dass mit viele Verpflichtungen eher entspannt umgegangen wird. Beides sind aber nur meine persönlichen Eindrücke – also keine Garantie für diese Info, vielleicht eher ein Tipp, sich vorbereitend ein bisschen auf diese kulturellen Unterschiede einzustellen.
Abschlussprüfungen und Notensystem
Nach 10 bis 12 Wochen Vorlesungen ging es für mich dann in die Abschlussprüfungen. In zwei Kursen habe ich Klausuren geschrieben. Im dritten Kurs, Audio- und Videoproduktion, haben wir als finale Abgabe eine Dokumentation in Gruppen von fünf bis sechs Personen produziert. Generell würde ich sagen, dass Prüfungsformen, Aufwand und Schwierigkeit von Fach zu Fach und Kurs zu Kurs variieren. Genauso, wie ich das auch aus Deutschland kenne. Was anders ist, ist das Notensystem. Die Noten reichen von A1 (Bestnote) bis F (durchgefallen). Zum Bestehen brauchte ich hier allerdings nur 40 Prozent, 10 Prozent weniger als in Deutschland. Ich habe hier selbst noch keine Abgabe mit einer Bewertung zurückbekommen. Den Workload und die Klausuren an sich fand ich aber fair. Meiner Freundin und Kommilitonin Sophia ging es da anders: „Ich würde sagen, dass ich den Workload unterschätzt habe. Durch Berichte von Freund*innen bin ich davon ausgegangen, dass mein Auslandssemester hauptsächlich von coolen Freizeitaktivitäten und schönen Abenden geprägt sein wird und nicht von dem, was es dann für mich war: wirklich viel Arbeit.“ Dazu ist für euch vielleicht wichtig zu wissen: Ich durfte wegen meiner Masterarbeit nur drei Kurse belegen, Sophia in Absprache mit der Uni in Deutschland vier. Eigentlich wären fünf nötig gewesen, um die angestrebten Creditpoints eines Erasmus-Semesters zu erreichen. Entspannt war das Semester für keine von uns.
Nicht entspannt, aber worth it
Insgesamt fällt mein Fazit trotzdem positiv aus. Ich habe in meinen Psychologie-Kursen viel neues Wissen gesammelt, dass ich in meinem Fachbereich auch super anwenden kann und in Deutschland so nicht bekommen hätte. Trotz Uni-Stress konnte ich viel von Irland sehen und hatte tolle Erlebnisse. Also: worth it, zumindest für mich. Denn: Auslandssemester sind immer eine ganz individuelle Erfahrung. Und das ist so ziemlich die einzige Garantie, die ich euch in diesem Blogbeitrag geben kann.