In den letzten Monaten wurde ich oft gefragt, wie es ist, in Thailand zu studieren. Viele stellen sich dabei Sonnenschein und Urlaubsfeeling vor. Doch das Studium in Thailand unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom Studium in Deutschland.
Mein erster Uni-Tag fing erst mal mit einem ordentlichen Schock an. Während man in Deutschland gemütlich mit Bus und Bahn zur Uni fährt, stand ich in Bangkok um 8 Uhr morgens am Straßenrand und wartete auf ein Motorradtaxi. Meine thailändische Universität, das KMITL, liegt fast direkt am internationalen Flughafen Bangkoks, was dazu führt, dass die Straßen entsprechend voll sind.
Aber ich dachte mir: „Das kann ja nicht so schlimm sein“, als der Fahrer mir einen alten Helm gab, der nicht besonders vertrauenswürdig aussah. Dann folge eine 20-minütige Achterbahnfahrt durch den schlimmsten Rushhour-Verkehr meines Lebens. Zwischen Autos, über Bürgersteige und zwischendurch auf der falschen Straßenseite durch das Verkehrschaos. Doch die wilde Fahrt auf dem Motorradtaxi war erst der Anfang von meinen aufregenden ersten Monaten im Auslandssemester.
Die Fahrt mit dem Motorradtaxi hat mir nicht nur einen ersten Einblick in den chaotischen Verkehr Bangkoks gegeben, sondern auch gezeigt, wie anders der Alltag hier im Vergleich zu meiner Heimathochschule ist. An meiner Heimathochschule kommen die meisten Studierenden mit den öffentlichen. Ganz anders hier.
Im Gegensatz zu mir fahren nur vereinzelt Studierende mit dem Motorradtaxi zur Uni, die meisten haben einen eigenen Roller. Das ist nicht nur morgens praktisch, um durch den dichten Verkehr zu kommen, sondern auch im Unialltag. Der Campus meiner Uni ist riesig, und bei 32 Grad oder mehr will niemand die 15 Minuten von einem Gebäude zum nächsten zu Fuß gehen.
Hemd und Anzughose bei 32 Grad
Nicht nur der Weg zur Uni unterscheidet sich, auch die Kleidung spielt eine andere Rolle. Während ich an meiner Heimathochschule tragen kann, was ich möchte, gibt es hier eine strenge Kleiderordnung. Für Studenten bedeutet das schwarze Anzughose und weißes Hemd, für Studentinnen Rock und Bluse. Einerseits ist das praktisch, da morgens keine langen Überlegungen nötig sind. Andererseits verbringe ich jeden Morgen Zeit damit, Hemden und Hosen zu bügeln. Und bei strahlender Sonne und über 30 Grad wäre bequemere Kleidung definitiv angenehmer.
Neu für mich war auch, wie die Studierenden mit den Professoren umgehen. Der Umgangston an meiner thailändischen Universität ist zwar sehr freundschaftlich, trotzdem werden Lehrende immer mit einer kleinen Verbeugung, dem sogenannten Wâi, begrüßt. In Thailand zeigt das Respekt. Am Anfang fühlte sich das ungewohnt an, doch ich habe mich schnell daran gewöhnt.
Wâi, Teamwork und echte Projekte
Auch in der Lehre gibt es Unterschiede. Hier stehen Projektarbeiten mit einem praxisorientierten Ansatz und Gruppenarbeiten deutlich stärker im Fokus als an deutschen Universitäten. Sogar mehr, als ich es von meiner für Praxisnähe bekannten Heimathochschule gewohnt bin. Wir arbeiten häufig an realen Problemstellungen. Teilweise stellen uns die Lehrenden sogar ein Budget zur Verfügung, um damit zu experimentieren. Das macht den Unterricht, zumindest für mich, spannender als in Deutschland.
Lohnt es sich?
Doch es gibt nicht nur positive Seiten im thailändischen Unileben. So spannend und praxisnah der Unterricht auch ist, gibt es Aspekte, die ich als anstrengend empfinde. Die langen Unterrichtszeiten von drei oder vier Stunden pro Vorlesung und die strenge Anwesenheitspflicht sind auf Dauer fordernd. Mein Tag beginnt häufig um 9 Uhr morgens und endet erst um 18:30.
Gerade für Studierende einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist das thailändische Universitätssystem eine Empfehlung wert. Zwar gibt es einige Unterschiede, aber die Umstellung fällt nicht schwer. Das Niveau entspricht in etwa dem in Deutschland. Der starke Fokus auf praktische Arbeit und realitätsnahe Projekte macht das Lernen abwechslungsreich. Es lohnt sich auf jeden Fall, hier zu studieren!